Es gibt Dinge, die genauso sind, wie man es sich vorstellt. Beispiel: New York. Viele denken ja beim ersten Besuch des Big Apple, dass sie das alles schon mal gesehen & gehört zu haben (und das hat man ja auch. In 1.000 Filmen.) Andere Dinge wiederum sind ganz anders, als man denkt. Beispiel: die Weihnachtsmärkte in den skandinavischen Seemannskirchen.
(Aktualisierung: Dieser Bericht stammt aus 2014 – aber viel ändert sich bei den Skandinaviern nicht. Wer´s erleben will, hat vom 16. – 18.11.2018 und 23. – 25.11.2018 die Gelegenheit.)
Ich hatte die vage Vorstellung, in einen real gewordenen skandinavischen Interieur-Blog einzutreten. Einen von diesen wunderbaren, die ich immer am liebsten aufessen möchte. Doch damit lag ich vollkommen falsch. Sollte ich einen Vergleich ziehen, dann am ehesten zur TV-Serie Lilyhammer (die ich ebenfalls wärmstens empfehle).
Aber der Reihe nach.
Die nordischen Seemannskirchen von Hamburg befinden sich alle in der Dietmar-Koel-Straße mitten im Portugiesenviertel (im Gegensatz zur portugiesischen Mission, die in St. Georg liegt. Aber das nur nebenbei.) Vom Michel kommend erreicht man als erstes die Bendediktenkirke der Dänen.
Ja, ja, die Dänen
Ich habe schon einige Male in Dänemark Weihnachten gefeiert. Daher weiß ich, dass Dänen es Advents-Schnick-Schnack-mässig drauf haben. Dänemark ist das Xanadu der Weihnachtskarten, des Geschenkpapiers, des Schleifenbandes und all des Krimskrams, den ich nicht brauche, aber haben möchte.
Nur dass nichts davon auf dem Weihnachtsmarkt der dänischen Seemannskirche zur Auswahl stand. Das Ganze wirkte von innen genauso weihnachtlich wie von außen; also gar nicht. Das Angebot beschränkte sich auf
- 4 Verkaufsstände mit vorwiegend Gehäkeltem
- 1 Verkaufsstand mit dänischen Lebensmitteln
- 1 Tombolastand
- 1 Smørrebrødbuffet und – draußen vor der Tür:
- 1 Pølserstand
Alles im Look eines Adventsbazars in der norddeutschen Provinz um 1975. Das nenne ich nordische Schlichtheit. Warum die Dänen dafür einen Euro Eintritt wollten, hat sich mir nicht erschlossen. (In allen anderen Kirchen war der Eintritt frei. Und es handelte sich auch nicht um eine Spende für notleidende Kinder oder so). Aber what shalls?! Unsere nördlichen Nachbarn haben bei mir einen fetten Stein im Brett. Wir waren zufrieden damit, die Schönheit dänischer Frauen 60+ zu bewundern (sagenhaft!) und natürlich Margrethe II.
Velkommen til Lillyhammer
Die Norweger residieren zwischen den Finnen und den Dänen. Genau wie ihre Nachbarn hatten sie jeden verfügbaren Zentimeter gut genutzt. Selbst der Altar fungierte als Kuchenbuffet.
Bei den Norwegern gabs im Prinzip ähnliche Häkelsachen wie bei den Dänen – nur mehr davon. Alles war noch ein bisschen teurer. Und das Catering ging eher in Richtung Hummersuppe & Co. Es gab auch mehr Tombola-Stände und mehr Lebensmittel zu kaufen. Außerdem trugen die Norweger Tracht.
Sehr begeistert war ich ja auch vom Filmraum (zugegeben er war eher funktionell als anheimelnd. Aber es liefen wirklich ganz, ganz tolle Naturdokus).
Die Finnen wollen´s wissen
Was stand wohl auf der Speisenkarte der Finnen? Richtig – Rentierragout, zubereitet in gewaltigen Pfannen vor der Kirchentür. Außerdem gab es noch mehr von Allem, was wir schon bei den Norwegern gesehen hatten (und somit viel, viel mehr als bei den Dänen).
Was die Lebensmittel betrifft, hatten die Finnen nicht vor zu kleckern. Im Keller – direkt neben der kircheneigenen Sauna (!) – war ein riesenhafter, improvisierter Supermarkt eingerichtet.
Wer die Katze nicht im Sack kaufen wollte, konnte sich durch das Schnapsangebot probieren.
Was es sonst gab: Dinge aller Art mit Abbildungen von Mummintroll. Und noch mehr Tombola-Stände. Nachhaltig beschäftigt hat uns der 2. Preis. (Ein bisschen wie dieses Lied aus der Sesamstraße. Eins von diesen Dingen passt nicht zu den anderen. Falls das noch jemand kennt.)
I ♥ Sverige
Die schwedische Seemannskirche liegt ein wenig ab vom Schuss am anderen Ende der Dietmar-Koel-Straße/ Ecke Johannisbollwerk. Ich habe das Gebäude von Außen schon einige Male erfreut registriert. Sein Inneres hätte ich aber so nie erwartet.
Die Gustaf-Adolfs-Kirche hat als einzige nordische Seemannskirche beide Weltkriege überlebt. Damit waren die Schweden natürlich klar im Vorteil, was Weihnachtsstimmung betrifft.
Da wir inzwischen genügend Tombola-, Häkelwaren- und Lebensmittelstände gesehen hatte, konnte wir uns ganz auf die Chorprobe konzentrieren. Und uns gedanklich sortieren. Ich kam zu folgendem Schluss:
- Es gibt auch Dinge, die Deutsche ganz gut können. Beispielsweise Weihnachtsmärkte.
- Wir müssen unbedingt noch mal die nordischen Seemannskirchen besuchen, wenn gerade keine Tombola ansteht.
- Ein Besuch der Weihnachtsmärkte lohnt sich allerdings auch. Allein das Sprachgemisch ist wundervoll.
- Ich weiß jetzt, wo ich überall noch mal einen Urlaub verbringen möchte.
- Wenn ich Bürgermeisterin von Hamburg wäre, würde ich die Isländer und Färöer ins Portugiesenviertel locken. Einfach nur um die Sache rund zu machen.
Ich könnte mich ja schier totlachen über die finnische Kirchensauna…
Ist aber echt eine super Sauna. Riesig!
So schön geschrieben! 😀
Vielen Dank!
Fabelhaft! Aber jetzt hast du mir die Illusion von Nordic Chic genommen. Der Film-Vorführraum ist natürlich grandios, aber getoppt wird er von den Keller-Külhltruhen, die mich irgendwie an Särge erinnern. So mit den aufgeklappten Deckeln… Die Isländer könnten das ganze Sache sicher gut aufmischen: Mit Gammelhai zum Beispiel. Gute Musik haben die natürlich auch. Aber eigentlich bin ich nun froh, dass ich in der Provinz wohne : ) Sonnige Grüße, Jutta
Da kann man mal sehen, wozu Blogs gut sind. (Wobei man sagen muss, dass auch die Weihnachtsmärkte keinen typischen Großstadteindruck bei mir hinterlassen haben.) Liebe Grüße zurück, Steffi
[…] Zeit und schlage daher um Spekulatius und Weihnachtsmärkte im November noch einen Bogen. Aber für die Skandinavischen Weihnachtsmärkte im Portugiesen-Viertel mache ich gern eine Ausnahme. Die sind nämlich gar nicht wirklich […]
Das klingt tatsächlich unerwartet. Hier in Dänemark sind die Weihnachtsmärkte sehr hyggelig. Also mit echter Weihnachtsstimmung und so. Ich komme dies Jahr kontrollieren und hoffe doch sehr, dass meine Wahlheimat gegenüber den nordischen Nachbarn aufgeholt hat! 🙂
Ich glaube, es ist der Kirchenbezug. Es sind mehr so Basare…