Sønderho im Winter kennenlernen, heißt, Sønderho auf seine Sommerliste setzen. Nichts, was die Südspitze der dänischen Insel Fanø so beliebt macht, ist im Winter möglich. Für Minimalisten und Freunde von Einfachkeit ist die allerkälteste Zeit des Jahres jedoch perfekt, um mit Sønderho warm zu werden. Heiße Liebe nicht ausgeschlossen.
Was man in Sønderho im Winter nicht machen kann. Und was doch.
Die schlechte Nachricht zuerst: die Hauptattraktion Fanøs ist im Winter unerreichbar. Dabei liegt sie nur 1,5 km vom Strand in Sønderho entfernt. Lange, lange könnte man dort diskutieren, ob man sie vielleicht sogar schon in der Ferne sieht. Oder nicht? Oder doch? Die Robben.
Draußen auf dem Hochsand Galge Rev aalen sich Seehunde in großer Zahl. 200 Tiere sind keine Seltenheit. Aber es können schon auch mal 500 sein. Sie werden durch einen breiten Pril vor Wattwanderen geschützt. So kann man ihnen nahe kommen, ganz ohne Angst schreckliche Leute könnten ihnen zu massiv auf die Pelle rücken. Und schon allein deshalb, gehört Sønderho ab sofort auf meine Sommerliste.
Schnecken statt Robben 🙂
Im Winter ist es keine gute Idee, ins Watt hinaus zu wandern. Schlendert man also am Meeressaum entlang. Über Schwertmuschelfelder, gesprenkelt mit Wellhornschnecken in unfassbarer Menge. Für Muschelsucher und Bernsteinsammler ist der Winter ideal. Und wenn nach knapp 3 km die Südspitze erreicht ist, kann man dem Hochsand Keldsand dabei zusehen, wie er langsam, langsam zu einer Marschinsel wächst.
Keldsand darf nicht betreten werden. Ganz anders als die Dünen. Da streift man über Gipfel und durch Täler wie man mag. Interessanterweise lassen sich keine Trampelpfade ausmachen. Ganz im Gegensatz zu den deutschen Nordseeinseln, wo trotz Zutrittsverbot regelrechte Schneisen in die empfindlichen Sandberge geschlagen sind. Vielleicht ist es in Sønderho einfach nie vergleichbar voll. Im Winter jedenfalls ist es beinahe menschenleer.
Einmal klopfte eine wunderschöne, aber etwas derangierte, ältere Dame an unsere Tür. Sie hatte zunächst ihren Mann verloren, dann die Orientierung. Und wer ähnliches von seinem Partner oder seiner Partnerin kennt, kann sich vielleicht ausmalen, wie zornig sie wurde, als sie bei uns nun endlich ein Handy gefunden hatte – er seines aber nicht angeschaltet hatte.
Eigentlich ist es ganz leicht, in Sønderho zum richtigen Weg zurück zu finden. Æ Kåver, das älteste Seezeichen Dänemarks ist kaum zu übersehen. Es handelt sich nicht mehr um das Original. Das wurde nämlich bereits 1624 errichtet, als Sønderho noch eine bedeutende Seefahrerstadt war.
Übermäßigen Trubel kann man sich am alten Hafen eigentlich nicht vorstellen. Auch scheint der Name Hamborger Børsen für den Vorplatz etwas übertrieben. Er wurde nach der Gazette Hamburgische Börsenhalle benannt, deren Listen mit ein- und auslaufenden Schiffen man hier gern ausgiebig studierte. Den aus der Seefahrt resultierenden Reichtum kann man im Dorf aber noch heute erkennen.
Udsalg von Funktionsklamotten und Pølser-Buden findet man hier nicht. Dafür feinen Einzelhandel, super süße Cafés und (teils sehr) gute, eher hochpreisige Restaurants. Eine Spezialität der Insel sind Austern. Besonders schmackhaft sollen sie im Sønderho Krog zubereitet werden. Nur ist das Gasthaus von 1722 im Winter natürlich geschlossen.
Lachs statt Austern
Sowieso ist von Anfang Januar bis Ende Februar beinahe alles in Sønderho geschlossen. Zur Biike beginnen einige Geschäftsleute wieder, wenigstens am Wochenende zu öffnen. Bis dahin hält nur ein kleiner, schlecht sortierter Dagli Brugsen durch. An einigen Tagen lässt sich allerdings der mobile Fischhändler blicken – mit einer anderen typischen Delikatesse an Bord: Fanø-Lachs.
Outdoor statt Indoor
Auch Sønderhos Museen, Galerien und Kultureinrichtungen machen im Winter Pause. Macht aber nichts. Weil das Dorf selbst einem Museum gleicht! Im (immer geöffneten) Inforaum hinter der Feuerwehrwache liegt ein Flyer über die Pfade in Sønderho aus. Das Wegesystem für Vieh und Fußgänger stammt aus den 1920er Jahren (und ist im Ursprung noch sehr viel älter).
Ein Großteil der alten Reetdachhäuser von Sønderho steht unter Denkmalschutz. Sie stammen aus dem 18. und 19. Jahrhundert und sind alle von West- nach Ost ausgerichtet. Das sieht von oben (vom Kåver) geradlinig aus wie Manhattan, ist in Wahrheit aber ein verschlungenes Labyrinth.
In beinahe allen Häuser stehen Fayence-Hunde im Fenster. Für dänische Seefahrer war es früher ein Muss, ein Paar für die Liebste aus England mitzubringen. Schauen die Hunde zum Fenster raus, ist der Mann auf Fahrt gegangen. Kehrt er zurück, werden sie umgedreht, damit sie ins Innere blicken. Sie stehen für Treue und Geborgenheit.
Apropos Geborgenheit: Das Ferienhaus ist im Dänemark-Urlaub für viele Menschen ja die Hauptsache. Und ein ganz klares Argument für eine Reise nach Sønderho im Winter. Dann findet man wirklich ausgesprochen günstige Angebote. Ich zeige demnächst noch mal, wo man m.M.n. auch im Sommer Ruhe finden müsste. Im Winter ist der Standort wirklich ganz egal.
Stille statt Kinderlachen
Fröhliches Kindergekreische höre ich eigentlich ganz gern. Aber zur Not tut es auch Stille. Am westlichen Ende der Kliptplantage liegt ein großer Waldspielplatz. Alle Spielgeräte sind aus dem Holz des Waldes hergestellt. Zwischen den kunstvoll geschnitzten Tieren, Trollen und andere Fantasiegestalten ist es dort an einsamen Wintertagen schön mystisch; beinahe ein bisschen unheimlich.
Am Parkplatz des Waldspielplatzes starten die verführerischsten Wanderrouten. Sie führen durch Dünentäler, an Strandseen entlang, auf Aussichtspunkte hinauf und zu den 3 einzigen Vogelkojen Dänemarks. Heute werden dort Vögel nicht mehr gefangen sondern geschützt. Ein Paradies für Birdwatcher. Auf Radfahrer wartet die 26 km lange Panoramroute 404 mit dem verheißungsvollen Namen „Wind unter den Flügeln“. Das sind alles Sommersachen. Ein andere Panorama-Route jedoch, bietet sich gerade im Winter an.
Car statt Kart
Für Dänemark-Urlauber ist es nichts Ungewöhnliches, für alle anderen wenigstens zunächst mal gewöhnungsbedürftig: der Strand auf Fanø darf befahren werden. Es gibt sogar Bushaltestellen. Man muss das selbst erlebt haben, damit man es sich nicht vollkommen schrecklich vorstellt. Und nun der Rechtfertigung genug. Es bringt einfach Spaß, am Strand zu cruisen.
Man muss das ja nicht dauernd machen oder irgendwie übermütig werden. Aber einmal über die gesamte Insellänge – also fast 12 km – zwischen Meer und Dünen dahin rollen – das darf ruhig drin sein. Im Winter stört man ja auch niemanden. Und es sind dann auch keine Bereiche für Blokart-Fahrer und Buggy-Kiter reserviert. Fanø gilt als eines der besten Reviere Europas für Strandsegler. Im Sommer versteht sich.
Im Winter ist Fanø mehr eine der ruhigsten Inseln im ohnehin ruhigen Wattenmeer. Und Sønderho ist einer ihrer ruhigsten Flecken. Das muss man natürlich mögen. Aber wenn man das mag, verliebt man sich in Sønderho im Winter wirklich leicht.
Weiterlesen?
Alles Wichtige für das Wichtigste (den Wattspaziergang zur Seehundsbank) gibt´s auf Christians Blog Wasser und Eis.
Mehr über Fanø bei uns.
Der Beitrag gefällt mir heute wieder besonders gut. Besonders schön finde ich die Geschichte zu Fayence-Hunden in den Fenstern, ich kannte sie noch nicht.
Seit wir in Ostfriesland leben, lieben wir die ruhigen Monate ganz besonders. Daher kann ich Deine Schilderungen sehr gut nachvollziehen.
Grüße und Danke, Margot
Liebe Margot, in Ostfriesland kann man wahrscheinlich ähnlich wenig machen wie in Soenderho. Herrlich 🙂 Liebe Grüße und noch einen schönen Sonntag, Stefanie
Vielen Dank für die vielen interessanten Informationen! Meine Frau und ich sind große Dänemarkfans und haben auch im Winter schon mehrfach in diesem wunderbaren Land Urlaub gemacht. Zuletzt waren wir auf Jütland in der Nähe von Skagen, der nördlichsten Stadt Dänemarks.
Viele Grüße aus dem ALTEN LAND nach Hamburg
Fred
Lieber Fred,
Skagen ist ja auch so wunderbar – für mich die schönste Stadt in Dänemark. Aber im Winter war ich dort noch nie… lohnt sich, mal drüber nachzudenken…Vielen Dank für Deinen Kommentar und liebe Grüße ins Alte Land, Stefanie
Herrlich! Ich habe die Insel auch in sehr guter Camping-Erinnerung. Und die Hunde sind ja echt der Hit!
Es ist erstaunlich. Die Hunde habe ich schon oft auf Sylt gesehen und fand sie eigentlich immer kitschig. Aber die Geschichte dahinter finde ich so niedlich, dass ich sie jetzt auch mag 🙂 Form follows function usw. Liebe Grüße!
Ich mag den Ansatz dieses Artikels sehr. Endlich mal was ganz anderes und so super passend. Danke dafür! 🙂 Nichtstun ist manchmal auch einfach das beste, was man (nicht) machen kann.
Freut mich, Anne. Vielen Dank!
[…] mit seinem Fanø-Trip nicht bis November warten will, dem sei wenigstens der Ort Sønderho an der Südspitze der Insel empfohlen; speziell die eingekringelten Dünentäler auf der obigen […]
Moin,
die Dünen in Sønderho dürfen nicht betreten werden.
Gruß aus Flensburg
Morten