Norddeutschland, Schleswig-Holstein
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Radtour von der Nordee zur Ostsee – immer am Kanal lang

Eems Exe

Als Radfahrer ist man nicht im Urlaub. Sondern auf Reisen. Wir reisen heute von Bornholt über Rendsburg nach Sehestedt. Es ist der zweite Tag unserer Radtour von der Nordsee zur Ostsee auf der Expressroute des Nord-Ostsee-Kanals.

Mir ist schon beim Wandern aufgefallen, dass man auf Reisen viel schneller abschaltet als im Urlaub. U.a. weil man gar nichts entscheiden muss. Nicht mal, was man anzieht, dazu ist das Gepäck zu schmal. Und schon gar nicht, was man mit dem Tag anstellt. Das Ziel ist ja klar. Da muss man hin, auch wenn es nach Regen aussieht. Also fahren wir heute etwas schneller. Sprechen ab und zu mal ein Wort. Und hängen ansonsten unseren Gedanken nach, die kaum ein Ereignis unterbricht. Höchstens, dass mal ein rüstiger e-Biker vorbeisaust.

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Grünentaler Hochbrücke, die jüngste am Kanal. Über dem Segelboot ist noch der Brückenkopf der alten Brücke zu erkennen – heute eine Ausichtsplattform.

 

E-Bikes gibt´s ne Menge am Kanal. Genau wie Wohnmobile. Sie sind quasi Symbole der letzten wohlversorgten Rentnergeneration. Im schrumpfenden, alternden Deutschland schrumpft und altert Schleswig-Holstein überproportional. Einzig Kiel, Flensburg und die Kreise, die direkt an Hamburg grenzen, werden in den nächsten 10 Jahren einen leichten Bevölkerungszuwachs erleben. Der Rest verliert. Vor allem junge Menschen.

Die Radtour von der Nordsee zur Ostsee führt durch herrlich strukturschwache Gegenden

Wo keine jungen Menschen, da keine Kinder und so wird sich das Ganze natürlich in den nächsten 20 Jahren noch potenzieren. Gut möglich also, dass wir uns in 25 Jahren mit unserer Einheitsrente ein Residenzchen in Schleswig-Holstein leisten können. Aber nicht in Breiholz. Nach Breiholz will ich nicht ziehen. Nicht mal eine Tageszeitung können wir auf den 27 km bis Breiholz ergattern. Meine Oma hätte gesagt: Da will man nicht mal tot überm Zaun hängen. Auch landschaftlich finde ich es heute langweiliger.

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Vielleicht weil Breiholz in etwa in der Mitte des Kanals liegt. Wir sind jetzt am weitesten von den Küsten entfernt.

In der Mitte ist die Radtour von der Nordsee zur Ostsee  am langweiligsten.

Wir fahren daher schnell. Erst kurz vor Rendsburg, beim alten Lotsenhaus in Nübbel, wird ringsum wieder alles entzückend.

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Ein 60-Jahre-Traum: Das letzte Haus vor Rendsburgs Hafen

Rendsburg ist ja auch so eine Stadt, an der man ständig vorbeifährt. Ein Freund von uns verglich sie neulich mit einer Geisterstadt im Wilden Westen, in der Tumbleweeds durch die Straßen rollen.

Eisenbahnhochbrücke Rendsburg

Eisenbahnhochbrücke Rendsburg

06.20140611_155028Wir überrascht sind wir da, als wir die Altstadt von Rendsburg erreichen. Die ist nämlich toll auf den schnellen Blick.  Auch wenn gefühlt jedes 3. Geschäft leer steht. Wir machen die Bekanntschaft mit einer Frau von den Kammerspielen.  Es ist ihre erste Spielzeit in Rendsburg. Ihr Eindruck der Stadt: Schön. Lebenswert. Etwas, regt sich, meint sie. Außerdem sind die Altbauwohnungen günstig und X-Strände in der Nähe. Wer stört sich da schon an Tumbleweeds.  (Der Spielplan der Kammerspiele klingt übrigens nicht schlecht. Und die Preise können Hamburgern nur die Tränen in die Augen treiben.)

Das Beste im Norden: Die NordArt im Kunstwerk Carlshütte

Da wir ohnehin dieses Jahr wieder zur NordArt wollen, werden wir vielleicht mal reinschauen. Die NordArt empfehlen wir wärmstens jedem. Selbst wer sonst nicht so viel mit Kunst am Hut hat, wird die jährliche Ausstellung im Kunstwerk Carlshütte garantiert toll finden.

Heute schaffen wir das aber zeitlich nicht. Wir wenden uns Rendsburgs Touri-Attraktion Nr. 1 zu:

Die Schwebefähre in Rendsbug

 

Schwebefähre in Rendsburg

Schwebefähre in Rensburg

 

Die Rendsburger Schwebefähre ist eine der letzten zwei, die weltweit noch im „nicht-musealen Betrieb“ sind. Also wirklich genutzt werden. Die andere schwebt in Bilbao. Deswegen ist auch schon König Juan Carlos nach Rendsburg gekommen. Ich muss lachen, wenn ich ihn mir da so kerzengerade über den Nord-Ost-Kanal schwebend vorstelle. Zumal in der Schiffsbegrüßungsanlage unter der Brücke in diesem Moment eine Combo Hochbetagter mit zitterigen Stimmen „Kein schöner Land“ anstimmt.

Schwebefähre in Rendsburg

Selbst der spanische König schwebte mit der Schwebefähre

Aktualisierung: 2016 krachte ein Frachter in die Schwebefähre. Seitdem hofft man, dass irgendwann wieder eine über den Kanal schweben wird. Vielleicht 2020. Dann aber ein neues Exemplar. Was mit der alten, denkmalgeschützten Fähre wird, weiß niemand.

Kein schöner Land als zwischen Nordsee und Ostsee

Aber irgendwie – bei aller Skurilität – berührt es mich. Hinter der Brücke wartet nämlich für mich wirklich „kein schöner Land“. Die Hochbrücke in Rendsburg markiert für mich Heimat. Überall nord-östlich davon fühle ich mich zuhause.

Für ein paar Kilometer müssen wir noch mal vom Kanal weg, um die Lürsen-Werft zu umrunden. Dann geht es über einen Waldweg wieder ans Wasser. Danach beginnt der schönste Abschnitt der Tour.

Von Rendsburg nach Sehestedt
Schacht-Audorf

Radweg bei Schacht-Audorf

 

NOK Rade

Nord-Ostsee-Kanal bei Rade

 

Hochbrücke Rendsburg

Hochbrücke Rendsburg

 

 

Hinter Rendsburg

Hinter Rendsburg fängt der Norden an

Die Betriebswege sind von Rendsburg bis Kiel allerdings schlechter in Schuss. Zeitweise rumpelts ganz gewaltig. Aber wir müssen heute ja auch gar nicht mehr ganz bis nach Kiel. Wir müssen nur bis Sehestedt.

Fähre Sehestedt

Durch die Mitte fließt der Kanal: Sehestedt

 

Das Vorzeige-Dörfchen liegt auf beiden Seiten des Kanals. Und hat als kulinarischen Höhepunkt einen Bratwurst-Stand zu bieten. Aber egal. 1. mögen wir Bratwurst und 2. gibts zur Bratwurst Abendsonne mit Traumblick.

Schiffe gucken in Sehestedt

Kreuzung in Sehestedt

 

 

Weiterlesen

Tag 1 auf der NOK-Expressroute – Start in Brunsbüttel

Tipp für Tag 2 – Zeit für Rendsburg und die NordArt in Büdelsdorf einplanen

Tag 3 auf der NOK-Expressroute – Ziel in Kiel

7 Comments

  1. toller Blog, sehr lesenswerte Berichte….warum lerne ich diesen Blog jetzt erst kennen ?!

    aber bitte nichts gegen e-Bikes: mein Partner hatte vor 10 Jahren einen Schlaganfall und ist immer noch leicht eingeschränkt, vor allem zu Fuß geht sehr wenig. Letztes Jahr entschlossen wir uns zu e-Bikes und seitdem können wir wieder zu zweit die Natur erkunden…..für manche Menschen sind die Dinger Gold wert und erweitern ihren Bewegungsradius sehr.

    • Liebe Eva,

      freut mich, freut mich, dass Dir der Blog gefällt. Und gegen e-Bikes habe ich wirklich überhaupt nichts. Im Gegenteil: Ich finde es klasse, dass den Menschen, auch wenn sie nicht ganz fit sind, ihre Mobilität erhalten bleibt. Gerade am NOK gibts ja auch Stellen, an die man nicht mit dem Auto rankommt. Die wären ohne e-Bikes für manche Leute nicht erreichbar. (Ab und zu waren wir auf der NOK-Route allerdings neidisch; immer dann, wenn es echt heiß oder echt anstrengend wurde und die e-Biker ganz easy-peasy an uns vorbeizischten.)

      Danke für Deinen Kommentar und alles Gute für Deinen Partner
      Stefanie

  2. Liebe Stefanie,
    das sollte mehr spaßhaft rüberkommen mit den e-Bikes! Ich hatte es in deinem Bericht nicht so aufgefasst, dass du was gegen die hast.
    Ich fahre meist ohne Unterstützung, aber bei manchen Steigungen in der Heide bin ich schon froh, wenn ich mal kurz zuschalten kann und früher auf Touren nach Friedrichskoog oder anders wohin in Dithmarschen wäre ich wegen des oft heftigen Gegenwindes froh gewesen, wenn ich da schon so ein Teil gehabt hätte. 😉

    Liebe Grüße Eva

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