Schleswig-Holstein meerumschlungen! In der 4. Klasse beantwortete meine Mitschülerin Iris B. die Frage, von welchen Meere das Land denn umschlungen sei, mit: „Westsee und Ostsee“. Das war clever. Und für mich der entscheidende Tipp, mit dem ich mir endlich die Himmelsrichtungen merken konnte.
Schon immer träumten die Schleswig-Holsteiner davon, ihre zwei Meere miteinander zu verbinden. Damit man nicht ganz außenrum segeln muss. 800 km kann man sich sparen, seit die Kaiser Wilhelms I und II einen knapp 100 km langen Kanal von Brunsbüttel an der Westsee bis Kiel an der Ostsee bauen ließen.
Und den wollen wir jetzt mit dem Rad abfahren. Die offizielle Route macht Schlenker über Dörfer und summiert sich so zu 325 Kilomter. Wir wollen aber immer dicht am Wasser bleiben, so wie wir schon bei der Anreise auf dem Elberadeweg nach Brunsbüttel immer dicht am Wasser blieben. Jetzt geht es auf die alte NOK Expressroute.
NOK Expressroute: Los gehts in Brunsbüttel
Auf Anordnung Wilhelms II durfte für die Fähren keine Gebühr erhoben werden. Das ist bis heute so geblieben. Wir nehmen gleich die erste bei KM 0,5 direkt an der Schleusenanlage in Brunsbüttel.
Wie Kaiser Wilhelm es wohl schaffte, weder die geplante Bauzeit von 8 Jahren noch das Budget von 156.000 Goldmark zu überreißen, fragt der greisenhafte Fremdenführer seine kleine Truppe. Und ist´s zufrieden, dass keiner die Antwort parat hat.
„Immer das mittlere Angebot“, ruft er triumphierend. „In allen Gewerken. Nicht der billigste Anbieter wurde genommen und nicht der teuerste. Sondern immer der, der mit seinem Angebot in der Mitte lag.“
So einfach war das also bei Kaisers. „Reell“, hätte mein Opa gesagt. Und vermutlich würde sich das ebenso einfach auf die Elbphilharmonie übertragen lassen.
Noch ein Fischbrötchen und dann mal los. Es ist schon 15.00 Uhr, die Sonne knallt und wir müssen erst einmal einen Umweg machen; 6 km quer durch die Raffinerien des Brunsbüttler Ölhafens. Das fühlt sich an wie Texas.
Und gleich darauf wie Mississippi. Jetzt sind wir wirklich auf der NOK Expressroute. Bis nach Kiel können wir nun auf den Betriebswegen des Kanals bleiben. Sie verlaufen beidseitig, meist fernab von Straßen. So dass es einfach nur still und schön ist.
Wir bleiben heute auf der Nordseite, um jedenfalls ab und zu ein bisschen Schatten zu erwischen. Ansonsten wärs egal. Hüben wie drüben: Nichts und niemand, höchstens mal ein Angler.
„Schöne Ferien“, hat meine Nachbarin Rita heute morgen quer durchs Treppenhaus gerufen, als ich 4 Stockwerke weiter unten gerade aus der Haustür treten wollte. Und genau so kommt es mir jetzt vor: Als sei ich in den Sommerferien.
Auf meiner fünften Nahreise wird mir endlich klar: Die Welt ändert sich viel langsamer als ich. Nachdem ich nun jeden Monat an einen anderen Ort gelange, bei dem ich innerlich die Hände überm Kopf zusammenschlage und denke: „Hier siehts ja aus wie in meiner Kindheit!“, verstehe ich jetzt, dass es irgendwie anders herum ist. Was altmodisch scheint, ist nicht älter geworden, sondern geblieben, wie es schon vor 30 Jahren war. Während ich … naja …
Je später der Tag, desto romantischer wirds am Kanal. Langsam wird die Sonne sanft.
Bei Hohenhörn nehmen wir die Fähre ans Südufer. Die 13 Fähren am Kanal sind nicht nur umsonst. Sie fahren auch noch im Minutentakt und rund um die Uhr.
Fahrradherberge Bornholt
Unser Etappenziel Bornholt liegt auf einem Höhenzug etwa an Kanalkilometer 30. Bornholt ist super. Nicht so ein Durchgangsdorf mit Autolärm sondern einfach eine Ansammlung von Bauernhöfen. Und die höchstgelegene Gemeinde am Nord-Ostsee-Kanal. Darum müssen wir die Böschung hoch, wobei wir feststellen, dass wir ganz schön kaputt sind.
Ganz Profi-Radfahrer haben wir uns eine Fahradherberge zur Übernachtung ausgesucht. Vorgestellt haben wir uns darunter etwas wie die Independent Hostels, die man aus dem Rest der Welt kennt. Aber es ist dann doch etwas anders. Nämlich mal wieder wie in meiner Kindheit. (Volko sagt: Wie bei brand 1).
Die Zimmer der Fahrradherberge befinden sich übrigens in einem Blockhausartigen-Neubau und sind mit neuen Möbeln ausgestattet. 24,– kostet die Übernachtung. Inklusive Frühstück. Dass die Bäder auf dem Gang sind, ist bei dem Preis natürlich klar.
Die Bäder machen aber den zweiten Unterschied zu unseren Independent-Hostel-Erfahrungen: Sie sind neu, vom feinsten und so blitzsauber wie es sich für eine Landfrau aus Mittelholstein gehört. Es macht uns auch gar nichts aus, sie zu teilen, denn die anderen Gäste (zwei Frauen, die original so aussehen wie Renate Künast und Beate Uhse sowie ein gnaddeliger, alleinreisender Herr) trudeln erst ein, als wir schon frisch geduscht und glücklich auf der geschützten Terrasse sitzen.
Einen herrlich weiten Blick hat man über sanft geschwungene Felder. Die Abendsonne scheint uns ins Gesicht. Und dann noch das (echt jetzt) weltbeste Schnitzel mit weltbesten Bratkartoffeln von Herbergsmutter Frau Maßen mit selbstgezogenem Salat von Herrn Maßen. (Das Ganze für 8,50). Das Leben kann ja wunderbar sein.
Während Renate Künast (Tagespensum 92,5 km) ihr Knie kühlt und der gnaddelige Herr (96 km) vor sich hingnaddelt, gehen wir noch mal ans Wasser.
Meinem ersten Eindruck nach ist das Schnellste an der NOK Expressroute der dynamische Name. Das Leben ist hier ganz, ganz langsam.
Jetzt kommt die blaue Stunde. Und um Punkt 21.30 Uhr werden die Gaslaternen angeknipst.
Auch die Schiffe fahren nachts mit Beleuchtung. Das sieht sicher toll aus. Die Sache ist nur die: Wir sind einfach zu müde, um noch auf eins zu warten. Wir müssen zu Bett.
Da geht noch was – Aktualisierung: Bei unserer Tour haben wir das Burger Fährhaus bei km 14 zwar bewundert, aber links liegen lassen. Schwerer Fehler, wie wir zwei Jahre später endlich festgestellt haben. Unbedingt Einkehren!
Weiterrollen:
Hey Stephanie, hey Volko,
ich habe Euren Blog für den Liebster Award nominiert und Euch 11 Fragen gestellt. Ich würde mich freuen, wenn Ihr mitmachen würdet. Schaut doch mal hier vorbei:
http://suzy-bis-zum-horizont.de/liebster-award-02
Ein schönes Wochenende, weiterhin viel Spaß beim Bloggen und liebe Grüße,
Suzy
Oh, wie schön. Ich freu mich. Und sause gleich mal zu Euch rüber. Liebe Grüße zurück, Stefanie
Witzig, da wildert jemand in unserem Fahrradrevier. Hätte ich es früher gewusst, hätte ich Euch noch den Dückerstieg an Herz gelegt: http://www.dueckerstieg.de/
Sieht Old-school aus, hat aber eine vielfach prämierte grandiose Küche. Und wenn man will, auch eine Currywurst oder das Schnitzel Wiener Art.
Jetzt, wo wir ein kleines Stück weiter weg wohnen, ist das ein lieb gewordenes Ritual: Mittagessen im Dückerstieg, dann Fahrradtour am Unterlauf des Kanals. Übersetzen je nach Sonnenstand.
Wahrscheinlich fahren wir uns irgendwann einfach mal über den Weg
🙂
Stefan
Cooler Tipp. Danke Dir. Und wenn ich Dich mal am Kanal sehe, gebe ich mich zu erkennen (ein Deichlamm auf dem Fahrrad fällt ja sofort auf). Schönes Wochenende, Stefanie
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