Heiligenhafen nennt sich „die Warderstadt“ aufgrund der zwei vorgelagerten Halbinseln Steinwarder und Graswarder. Einmal rundrumgewandert hat man 10 km auf dem Schrittzähler und einen guten Überblick über 100 Jahre Tourismus. Geradezu exemplarisch für die Schleswig-Holsteinische Ostseeküste.
Für Karten-Freaks (wie mich): Der grüne Nehrungshaken im Osten ist der Graswarder. Der Steinwarder ist der orangene Teil der Halbinsel oberhalb des Binnensees. Die Verbindung nach Heiligenhafen entstand erst im Laufe der Jahrhunderte durch angegespülten Sand.
Das Beste was hier je passiert ist: Der Graswarder
1895 gründete die „Deutsche Badegesellschaft Heiligenhafen“ auf dem Graswarder eine erste Ferienkolonie. Damals war er noch eine Insel; erreichbar nur über eine Holzbrücke.
Heute ist der Graswarder zwar über einen Damm zu erreichen, aber immer noch so etwas wie eine Insel der Glückseligen. Denn die Jungs von der Badegesellschaft machten alles, aber auch alles, richtig.
Es gibt keine Cafés, keinen Kiosk, nicht einmal eine geteerte Straße. Da sind nur zwei Handvoll Traumhäuser, zwei Jugendherbergen, der NABU und zwei Kühe.
In den Dünen beim Jugendheim hocken zerknitterte Kinder in Schlafsäcken vor den Zelten. Die Betreuer sitzen beim Frühstück. Es ist ja auch erst 10.00 Uhr, die Sonne lacht und ansonsten reget sich auf dem Graswarder nichts. Kein Grund hektisch zu werden.
Genauso muss es sich die „Deutsche Badegesellschaft Heiligenhafen“ gewünscht haben. Ihr Prospekt von 1901 liest sich wie die Vision einer besseren Welt:
„… eine Reihe niedlicher Privatvillen, deren Zahl sich voraussichtlich von Jahr zu Jahr noch vergrößern wird, geben dem Landschaftsbild eine willkommene Abwechslung. Um solche Strandvillen bestens zu fördern hat die Stadt … bei Nichtspekulanten für einen Quadratmeter Baugrund nur einen Pfennig berechnet.“
Heute gehören die Badevillen von Graswarder zu den teuersten Immobilien Schleswig-Holsteins. Mithalten können da nur noch einige ausgesuchte Anwesen auf Sylt. Ist ja auch kein Wunder. Mit der Ostsee vor der Nase und einem Naturschutzgebiet im Rücken.
Rund 220 Vogelarten steuern den Graswardern auf ihren Zügen an. Für 40 Arten sind die Salzwiesen Brutgebiet. Der Star-Wars-artige Vogelbeobachtungsturm des NABU befindet sich am Ende der Häuserreihe. Geöffnet ist von 11.00 bis 15.00 Uhr.
Wer mal auf dem Graswarder übernachten möchte, kann z.B. im Haus Nr. 9 eine Ferienwohnung mieten. Die Preise würden einem gern telefonisch mitgeteilt, verrät die Internetseite. (Das ist typisch für Schleswig-Holstein. Selbst in ihren Hochglanz-Flyern geben die Vermieter ihre Preise niemals preis. Ich frage mich, was das soll. Es hat nichts mit dem Preis an sich zu tun. Denn es gilt für einfache wie luxuriöse Unterkünfte gleichermaßen.)
(Liebe Vermieter in Schleswig-Holstein, was ich Euch schon lange mal sagen wollte: Euer Übernachtungspreis interessiert mich sehr. Er ist beinahe das Wichtigste für mich. Er interessiert mich aber nicht genug, als dass ich einen Flyer mit nachhause nehmen würde, um dann ins Internet zu gehen oder Euch anzurufen. Nennt Ihr keinen Preis, lege ich den Flyer wieder zurück. Und ich denke, das machen sehr viele Normalverdiener so.)
Also keine Preisauskunft. Dafür aber eine Insider-Info über den Graswarder 9. Volko kennt das Haus von Fotoproduktionen und hat hier auch schon übernachtet. Er weiß: Das ist nichts für schwache Nerven. Es kann schon mal sein, dass man nachts davon aufwacht, dass die Ostsee über die Veranda schwappt. Deswegen will er so ein Haus auch nicht haben. (Aber mich überzeugt er damit nicht.)
Schade, dass die Deutsche Badegesellschaft Heiligenhafen nicht lange existierte. 1914 war Schluss mit lustig. Zwei Weltkriege lang. Und danach hatte Heiligenhafen andere Häuser zu bauen. Die Einwohnerzahl schnellte durch Flüchtlinge aus den ehemaligen Ostgebieten sprunghaft von 3.500 auf 10.000 an. Es dauerte vier Jahrzehnte, bis man sich wieder dem Tourismus zuwenden konnte. Übel nur: Inzwischen waren die 60er Jahre angebrochen.
Der Steinwarder
In zehn Jahren sind das hier Slums, titelte der Spiegel 1972. Gemeint waren die Betongebirge, die überall entlang der westdeutschen Ostseeküste auf die grüne Wiese geklotzt wurden. So auch in Heiligenhafen.
1.700 Appartements wurden ab 1969 auf dem Steinwarder gebaut. Ich weiß, dass es Menschen gibt, die gern in Marzahn, Steilshoop oder dem Kölnberg leben. Und die finden vielleicht ein Appartement auf dem Steinwarder nicht schlecht.
Doch es handelt sich dabei wohl eher um eine klassische special interest group. Jedenfalls hängen im Schaufenster des Maklerbüros mehrere Verkaufsangebote unter 40.000,– Euro. Und im Kiki-Club scheinen die Geschäfte nicht bestens zu laufen.
Mit meinem Massengeschmack würde ich sagen: Am besten ist der Steinwarder da, wo er aufhört. Zur Ostsee hin. Und am Steilufer. Dort folgen 20 km Küste ganz ohne Ortschaften oder öffentliche Strände. Es ist ein bisschen schmerzhaft, weil man sich vorstellen kann, wie der Steinwarder mal war.
Was uns wundert: Man macht immer weiter. Am Hauptstrand, der noch nicht ganz so furchtbar zugeklotzt ist wie das westliche Ufer des Binnensees, wachsen gerade neue Appartement-Häuser in die Höhe. Dieses Mal in Hafen-City-Style. Was die Sache ja auch nicht besser macht.
Doch noch gibt es Hoffnung. Das wusste schon Gandalf. In Heiligenhafen wird rund um den Yachthafen an der Zukunft gezimmert. 1.000 Segelboote können an der Marina festmachen. Streicht der Wind durch Segel, Taue, Flaggen, klingt es wie Musik.
Zukunftsmusik im Yachthafen
Der Yachthafen liegt wunderbar zwischen Innenstadt und Strand. Alles ist nigelnagelneu und piccobello sauber, ohne dabei allzu steril zu wirken. Das liegt an den Seglern. Denn Segler sind so schön entspannt. Und Boote gucken ist immer ein Vergnügen. (Ich bin baff, wie viele, viele Menschen sich ein fettes Segelboot leisten können.)
Gut gefällt mir auch der Plan eines Beach Motels nach SPO-Vorbild. In direkter Nähe zur Seebrücke soll es stehen.
Weniger überzeugt mich das halb fertige Resort; eine Ansammlung von Ferienwohnungen und Ferienhäusern. Sie sind nicht über die Maßen abscheulich, für mein Empfinden allerdings viel zu eng aneinandergeklatscht.
Und ich muss wieder an die Badegesellschaft denken. 1 Pfennig pro Quadratmeter berechneten sie Nichtspekulanten…
Im Resort kostet ein Haus mit Handtuchgrundstück 500.000 Euro. In Ferienvermietung. Der Bebauungsplan sieht nämlich rein gewerbliche Nutzung vor. Und d.h. man darf sein Haus nur ausnahmsweise bewohnen und muss es ansonsten vermieten.
Ich habe keine Ahnung von solchen Dingen… aber für mich klingt das, als wolle man in Heligenhafen inzwischen unbedingt Spekulanten. Ich bin mal gespannt, ob das Konzept langfristig aufgeht.
PS.: Wer weder vermögend ist noch Segler oder Liebhaber von Bettenburgen, findet vielleicht an einer Unterkunft im Fischereihafen Gefallen. Wir finden den supergut. Aber ich zeige ihn besser erst im nächsten Beitrag (weil dieser eh schon zu lang ist).
Mich würde ja das Haus mit den schwarzen Säcken vor der hellblauen Tür locken. Bleiben die auch, wenn man den vollen Preis zahlt? Dienen die als Abschreckung für ZU VIELE spendierfreudige Übernachtungsgäste? Stecken gar leere Schampusflaschen vom letzten Gast drin? Was hinter der Sache mit dem Anruf steckt ist klar: Der Besitzer ist einsam und sucht Konversationspartner! Das „Haus am See“ könnte irgendwann einmal wieder schick werden: So schön kubisch und reduziert. Hat was.
Schon schön dort … Wenn auch nur EINSEITIG : )
Sonnige Grüße, Jutta
Liebe Jutta, da hast Du genau die zwei Häuser ausgewählt, die uns auch am besten gefielen. Da Haus mit der hellblauen Tür wird aber meines Wissens nur an Filmproduktionen vermietet. Sogar Cate Blanchet hat da schon gedreht. Wegen der Champagner-Flaschen könnte man ja mal nachschauen…. Und dann mit einer „Buddel“ rüber zum einsamen Nachbarn. Vielleicht bietet er im Gegenzug einen Schlafplatz an?! Liebe Grüße, Stefanie
Ja, so könnte es aufgehen! Hm, Cate Blanchet… Ich finde die Frau ja toll! Und oha, die geben sich also nicht mit Kleingeld ab : ) Tse… Wünsche euch ein sonniges Wochenende, Jutta
Fand ich auch stimmig: Traumfrau im Traumhaus. Euch auch ein schönes Wochenende!
Liebe Stefanie,
deine Meinung zum Steinwarder teile ich nur zu gern. Ich finde diese Betonbauten einfach nur schrecklich, um so entzückender ist der Graswarder, den wir nur zu gern selber besuchen. Mein Favorit ist allerdings seit Jahren das blaue Haus. 😉 Was bedeutet, sollten wir mal groß und stark sein, kommen wir uns nicht ins Gehege.
Liebe Grüße,
Claudia
Das blaue Haus ist auch so niedlich. Es sei Dir aber von Herzen gegönnt!!! Liebe Grüße zurück, Stefanie
Was Ihr immer so alles entdeckt, ganz toller Fleck.
Im Yachthafen von Heiligenhafen waren wir schon, auf einem dieser großen
Segelboote. Leider hat der Besitzer dann doch verkauft, da er keine Zeit zum Segeln fand. Schade, dass wir damals noch nichts von Graswerder wußten.
Das ist ja ein ganz besonders reizvolles Plätzchen.
Ihr habt schon wieder solchen Appetit gemacht!
Wo wir noch überall hin müssen!
Gottseidank alles in der Nähe.
Liebe Grüße
Mari
Das ist wirklich in der Nähe. Und immer nur gerade aus. Da könnt Ihr echt mal nachmittags zum Spaziergang hin. Schönen Gruß an die Nordsee, Steffi
[…] auch Heiligenhafen, das mich zwar nie gereizt, aber dafür umso mehr überrascht hat. Besonders die Halbinsel Graswarder ist fast zu schön um wahr zu […]
[…] Halbe Stunde kein Regen – jetzt gilt es den Graswarder zu erkunden. Die zweitexklusivste Adresse Schleswig-Holsteins (getoppt nur von Top-Lagen auf Sylt). […]
Hallo an alle!
Das Blaue Haus steht gerade (10/2020) zum Verkauf! Natürlich wird der Preis nur auf Nachfrage genannt, Stefanie ?.