Bevor ich neulich das Altonaer Museum besuchte, saß ich eine Weile auf einer Bank beim monumentalen Stuhlmannbrunnen und beobachtete die Leute. Um 1900 galt die Brunnenanlage als progammfüllendes Sonntagsziel. Die Ausflügler kamen in Scharen, um sich am Kampf der Zentauren, den Wasserspielen von Nixe, Triton, Echsen und anderer Fabelwesen zu begeistern.
Heute ist der Springbrunnen auf dem Platz der Republik gerade mal gut für ein schnelles Smartphone-Foto. Aber immerhin. Die Fluktuation war draußen größer als drinnen im Museum. Dabei war Sonntag und das Wetter stand auf der Kippe. Beste Bedingungen eigentlich für Museen. Aber die Strahlkraft des Altonaer Museums ist vielleicht nicht groß genug. Allerdings genau meine Kragenweite.
Das Altonaer Museum gehört zu den Historischen Museen Hamburgs. Es befasst sich mit „der Kunst- und Kulturgeschichte des norddeutschen Raumes und präsentiert die kulturhistorische Entwicklung der Elbregion um Altona, von Schleswig Holstein und der Küstengebiete von Nord- und Ostsee.“
Die ganz großen Namen, wegen der sich die Massen etwa durch die Kunsthalle schieben, sucht man im Altonaer Museum vergebens. Dafür warten wechselnde Ausstellungen weniger bekannter Künstler und jede Menge Bezüge für Lokalpatrioten aus Hamburg, Schleswig-Holstein und Dänemark. Ich lasse mich alle Jubeljahre ganz gern durch die Säle treiben und stoße dabei immer wieder auf erstaunliche Wissenslücken. Man ändert ja im Laufe des Lebens seinen Fokus, interessiert sich mal für dieses oder jenes.
Dieses Mal fand ich besonders die Facetten der Stadtentwicklung spannend. Aktuell steht Altona einmal mehr vor gewaltigen Veränderungen – der Bahnhof kommt weg, Wohnungen für 10.000 Menschen entstehen, Eimsbüttel rückt näher – und zum ersten Mal seit langer, langer Zeit ändert Altona sein Gesicht nicht aus ultraüblen Gründen – sondern „nur“ aus übler Wohnungsnot. (Ich wünschte, Hasskomentatoren und Protestwähler würden sich den Unterschied einmal klarmachen.)
Den Nazis war Altona als Widerstandsnest stets ein Dorn im Auge. Daher schmiedeten sie Pläne, um die Stadtstruktur vollkommen zu zerschlagen. Eine Skyline wie New York sollte Hamburg hier erhalten, u.a. ein 260 m hohes „Gau Hochhaus“, monströse Plätze zum Aufmarschieren wie Nürnberg und eine Brücke wie San Francisco. Es lief dann ja mehr so wie im Märchen vom Fischer und seiner Frau. Daher auch all die Leerstellen und hastig hochgezogenen Scheußlichkeiten im Hamburger Stadtbild statt Metropolen-Feeling.
Neben ernsten Themen kann das Altonaer Museum nicht verhehlen, dass es in Ottensen liegt, also im Mekka der sogenannten Latte-Macciato-Mütter und -Väter, deren Kinder sich bei meinem Besuch übrigens megagut erzogen zeigten. Es wird auch eine ganze Menge geboten.
Der Kinder Olymp liegt im Altonaer Museum
Sonntagsmärchen, Sonntagskinder-Kurse, Kinderführungen, Kinderbuchhaus, Wolkentheater in der Optischen Wunderkammer, Kindergeburtstage in den Bauernstuben und die Ausstellungen im Kinder Olymp stehen für hervorragende Kinder- und Jugendarbeit. Die beste in Hamburg würde ich meinen. Noch dazu kostenfrei für alle unter 18 Jahren.
Ich hätte eigentlich ganz gern mitgemacht bei der ein oder anderen Sache. Dabei habe ich im Dufke-Laden entdeckt, dass ich mittlerweile selbst museal bin. Ich war ja auch schon im Kinder-Olymp-Alter als Magdalena Dufke ihren Landhandel in Altenwerder aufgab und er 1:1 im Altonaer Museum wieder aufgebaut wurde (inkl. Aschenbecher mit zerdrückten Kippen neben der Registrierkasse).
Es ist eigentlich witzig, dass es immer heißt, die Leute würden heutzutage nicht mehr so gut kochen können. Ich kann mich erinnern, dass in den frühen 80ern Instantsaucen und Dosenwaren sehr viel mehr Platz in den Supermarktregalen einnahmen als heute. Mit Majala-Traumcreme und Ananas aus der Dose braucht man jedenfalls den Ottensener Müttern und Vätern nicht kommen. Lieber verspeisen sie kleine Kunstwerke im instragram-tauglich aufgehübschten Museums-Café Schmidtchen.
Bei gutem Wetter wäre es meiner Meinung noch stimmungsvoller, den Kaffee am Altonaer Balkon einzunehmen. Der kleine Grünzug mit Ausblick liegt nur einige Schritte vom Altonaer Museum entfernt und begegnet dem Besucher beim Rundgang in verschiedenen Variationen. Nur stand das Wetter – wie eingangs erwähnt- bei meinem Besuch neulich auf der Kippe und als ich fertig war, war es längst hintenübergekippt. Aber das ist eben auch typisch Hamburg. Besonders an Sonntagen.
Für diese verhuschten Sonntage, solche mit denen man sonst gar nichts Richtiges anfangen würde, ist das Altonaer Museum wie gemacht. Und für Montage – an denen ja weltweit eigentlich alle Museen geschlossen haben – nicht aber die Historischen Museen in Hamburg. Alles Weitere findet sich hier: Altonaer Museum.
Soooo interessant kann ein Museumsbesuch sein?!
Toll erzählt und much neugierig gemacht ?
Ja, so ist das in der Großen Stadt!
Liebe Stefanie, wir haben offenbar dasselbe Schicksal – ich kenne die Produkte auch alle aus meiner Jugend. ? Müssen wir uns jetzt eigentlich Sorgen machen?
Das Altonaer Museum ist toll, vor allen Dingen, was dort für Kinder auf die Beine gestellt wird, ist wirklich vorbildlich. Einen Museums-Kindergeburtstag habe ich vor vielen Jahren einmal miterleben dürfen.Toll!
Liebe Grüße und einen schönen Sonntag für Euch zwei!
Martina ?
Liebe Martina – über old-school-Produkte wollen wir uns gar nicht sorgen! Es ist ja ein Glück, wenn man älter darf (auch wenn man das nicht ständig spürt).
[…] größte Sommersalon ist der Altonaer Balkon. Ich hatte ihn neulich schon im Beitrag über das Altonaer Museum erwähnt. Von dort aus (oder dem Bahnhof Altona) geht man einfach nur durch die Grünanlagen […]