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Der Magma Geopark: Mondlandschaft und wilde Bewohner

Eigeröya

Er starrt mich an. Ganz eindeutig starrt er mich an. Man muss gar nicht mal an Telepathie glauben, um seine Gedanken zu verstehen. »Ich habe Dich im Blick«, sagt er. Ich glaube, sogar V. hat das gehört. Denn er bleibt stehen und dreht sich um. Aber er ist sehr, sehr weit weg. Ein Pünktchen nur. Und auf einmal begeistert mich die Mondeinsamkeit an der Inselpitze von Eigerøya gar nicht mehr so sehr.

 

 

Meine Windjacke scheint mir geradezu aufreizend pink. »Es ist ja kein Stier«, versuche ich mich zu beruhigen. »Bloß ein Schaf«. Und mit denen kenne ich mich doch eigentlich aus. Aber dann klackern die Hufe eines zweiten Gehörnten über Felsen. Und wie er da so auf mich herunterschaut, hat er rein optisch wirklich gar nichts gemein mit den lammfrommen Deichbewohnern von Norddeutschland.

 

Egersund

 

Bei einem Widderangriff, habe ich mal gelesen, soll man seinen Schäferstab mit dominanter Geste vor sich auf den Boden donnern. Hat man keinen Schäferstab zur Hand, bleibt nur noch, den Widder bei den Hörnern zu packen und blitzschnell auf den Rücken zu werfen. Die Tiere können dann nicht mehr aufstehen, weil die dichte Wolle zu schwer ist. Sie können dabei allerdings ersticken. Also wäre das selbst dann keine supergute Möglichkeit, wenn ich der Typ dafür wäre.

 

Magma Geopark: die Erfahrung der eigenen Winzigkeit

 

Ich bin aber gerade nicht der Typ, der Widder bei den Hörnern packt. Ich bin der Typ, der macht, dass er wegkommt. Das Gefühl, lieber kleine Brötchen zu backen, überkam mich in den letzten 18 Stunden schon häufig. Konkret seit wir in den 2.300 Quadratkilometer großen Magma Geopark eintauchten. Er ist kein Park in dem Sinne. Sondern ein Gebiet an der Südwestküste Norwegens. Es erstreckt sich etwa von Flekkefjord bis Egersund bzw. der vorgelagerten Insel Eigerøya und hat so ungefähr alles an steinigen Landschaften zu bieten, was man sich vorstellen kann.

 

Leuchtturm Eigeroeya

 

Eigentlich sind es eher Landschaften, die man sich nicht vorstellen kann. Jedenfalls nicht, wenn man aus Norddeutschland kommt. Dafür ist der Magma Geopark zu vielfältig und gewaltig. Die Naturgebiete scheinen für Riesen gemacht. Mir gefällt das. Es stutzt den Mensch auf´s rechte Maß zurück. »So groß bist Du gar nicht«, sagen die Landschaften. Häuser, ganze Dörfer wirken hier wie Spielzeug.

 

 

Am krassesten illustrieren das die Helleren-Häuser am Jøssingfjord. Wir haben sie am Vorabend leider verpasst und wollten auch nicht extra wieder umkehren. Die Landschaft war an sich grandios genug. Doch ein Besuch auf dem Nordland-Blog von Conny und Sirko lohnt sich: die winzigen Hütten unter Felsen gehören zu den Top-Fotomotiven Norwegens.

 

 

Auch ohne die Helleren-Häuser gesehen zu haben, war die Fahrt durch die düstere Felsenlandschaft, schmale Tunnel, steile Serpentinen und weite Ebenen ein Erlebnis. So nachdrücklich, dass wir auf gar keinen Fall zivilisiert übernachten wollten, sondern wild campten. Dass man sich im Magma Geopark wie in einer anderen Welt fühlt, ist kein Zufall. Er besteht zum größten Teil aus Anothorsit. Das Gestein kommt auf der Erde sehr selten vor. Ist aber Hauptbestandteil des Mondes.

 

Schaeren

 

Aber zurück zu meinem irdischen Problem. In Zeitlupe ziehe ich meine Jacke aus und knülle sie zu einer Kugel zusammen. Auf links. Damit nichts Farbiges mehr die Schafe belästigt, von denen mehr und mehr über die Felsen kraxeln. Betont selbstverständlich setze ich mich in Bewegung. Lasse mir nicht einmal anmerken, dass ich wie ein Schneider friere so ohne Jacke. Ein bisschen Respekt hat noch niemandem geschadet, wenn die Natur mal für einen kurzen Moment ihre Überlegenheit demonstriert. Und als würde ihnen das gefallen, gucken die Norweger auf einmal genauso lieb wie ihre Kollegen in Dithmarschen.

 

Merinoschaf

 

Link-Service

Geologie, Archäologie, Industriekultur oder einfach nur Klettern, Hiken, Kajakfahren – im Magma Geopark geht so gut wie alles. Und zur Seite geht es hier.

Ein schöner Spot zum Übernachten (oder für einen Zwischenstopp) ist Sognalstrand. Der kleine Ort kann als einziger in Norwgen mit Holzhäusern aus dem 18. und 19. Jahrhundert glänzen. In den entzückenden Gebäuden finden sich einige Geschäfte, Galerien, Cafés und das Sogndalstrand Kulturhotell.

 

14 Comments

  1. Ich hätte in dieser Situation eine aufreizende Jacke auch ausgezogen und lieber gefroren als aufgespießt zu werden. Wobei das Aufspießen mit so stark gebogenen Hörnern für die Böcke sicher nicht leicht gewesen wäre. 😉
    Danke für den interessanten Bericht und für die tollen Fotos!
    Gruß
    Fred

    • Gern, Fred. Vermutlich hast Du Recht: Aufspießen wäre wohl nicht die größte Gefahr gewesen. Eher Rammen! (Aber vielleicht kämen die auch nie auf so einen Gedanken).

  2. Memories:-)
    Zum Glück sind die Häuser im Helleren nicht durch den Waldbrand im April beschädigt worden. Aber über viele Kilometer wurde viel Landschaft zwei Wochen lang durch das Feuer zerstört.
    Eigeroy ist ein wunderbarer Spaziergang, Und, man kann es sich kaum vorstellen, am Leuchtturm kann man im Sommer sogar an den Wochenenden eine Pause im kleinen Café genießen.
    Ich freu mich auf mehr:-)
    Lieber Gruß
    Kai

    • Kommt noch was, kommt noch was 🙂 Obwohl Du vermutlich sowieso schon alles kennst (Ich kenne das aber von mir selbst. Ich lese auch gern wie andere Orte empfinden, die ich sehr mag.)

    • Das ist schon irre in Norwegen. Eine Landschaft schöner als die andere und so unterschiedlich wie man sich nur denken kann.

      • Das ist ja das faszinierende. Und darum finde ich Euren Blog ja so spannend. Ich kann die Orte noch einmal aus einer ganz anderen Perspektive entdecken und will dann unbedingt noch mal hin und Eure Pfade beschreiten:-)
        Aber ich habe ja auch lange noch nicht fertig 🙂

  3. Hallo Stefanie, was bin ich gerade hin- und hergerissen zwischen ehrfürchtigem Staunen angesichts der Weite und Größe der Landschaft (die Fotos oben unterstreichen das schon recht eindrucksvoll), und nur mühsam unterdrücktem Lachen, herausgekitzelt durch die wahnsinning schöne Beschreibung des Stefanie-trifft-auf-Widder-Erlebnisses. Toll, wie lässig-bibbernd du dich aus dem Dunstkreis der potentiellen Rammer entfernt hast! 🙂
    Und – neben der grandiosen Eigenart des Magma-Geoparkes und seinen Gesteinsbestandteilen – habe ich das mit dem dominanten Hinwurf des Schäferstabes für mich natürlich auf immer und ewig abgespeichert. Ach, ich lerne hier so gerne mit …. ^^

    Danke fürs Vorstellen dieser sehr ungewöhnlichen Gegend mit ihrer eigenen Schroffheit, die schon fast wieder verletztlich wirkt (oben beim Leuchtturm)!

    Lieber Gruß hinüber!
    Michèle

    • Liebe Michèle, ja, ja, der Schäferstab – der fällt mir auch sicherlich wieder ein, wenn ich das nächste Mal in einer ähnlichen Situation bin. (Aus der Kategorie: unnützes Wissen). Vielen Dank für Deinen Kommentar und einen guten Wochenstart, Stefanie

  4. Sehr beeindruckende Bilder vom Widder. Da das mein Sternzeichen ist, musste ich natürlich gleich reinlesen. Wie immer schreibst du mit viel Herzblut und ich konnte gar nicht aufhören zu lesen. Danke dafür.

    LG Liane

  5. […] Perfekt wird der Look von Sandvesanden durch die Landschaft im Rücken. Auf mich (Unwissende) wirkte sie lieblich wie die Schweiz. Wermutstropfen: den kleinen Pfad, der sich  über hügelige Wiesen zum südlicheren Mjøllesanden schlängelt, konnte ich nicht bis zu seinem Ende folgen. Dabei hätte ich die noch kleinere Bucht zu gern gesehen. Doch eine Herde Schafe hinderte mich an einer bestimmten Stelle am Weitergehen.  (Vor norwegischen Schafen habe ich mördermäßigen Respekt. Das hab ich ja schon mal erzählt). […]

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