Alle Jubeljahre hat man auf Sylt im Januar mal das Glück, dass es saukalt ist. Glück schreibe ich, die überhaupt nichts mit Kälte am Hut hat. Doch ich kann die Klarheit gut gebrauchen nach der zuckersüßen, gemütlichen Weihnachtszeit. Und Sylt ist geradezu schockierend schön, wenn sie die Eiskönigin gibt. Das fängt schon an, bevor man überhaupt da ist. Jedenfalls wenn man mit der Fähre von Rømø anreist.
Wir machen das grundsätzlich. Es dauert vielleicht eine halbe Stunde länger. Kostet dafür aber auch nur halb so viel wie der Autozug. Und ist ein Highlight für sich. Beginnend mit dem 10 km langen Damm durchs Wattenmeer, der Rømø mit dem Festland verbindet. (Wer noch nie auf Rømø war, sollte unbedingt ein bisschen Zeit einplanen, um sich den breitesten Strand des Nordens anzusehen.)
Die Fähre benötigt für die Strecke von Rømø nach Sylt 45 Min. Im Januar muss man auf gar keinen Fall vorbuchen. Manchmal hat man das Schiff sogar ganz für sich.
Ein besonderer Moment ist immer, wenn der Ellenbogen in Sicht kommt. Meinem Gefühl nach kommt die Fähre der Nordspitze Sylts Jahr für Jahr dichter. Und da kann man gut sehen, was den Januar auf der Insel ausmacht.
Wo im Sommer Völkerwanderung angesagt ist, kann man jetzt für sich sein. Sylt im Januar ist was für Experten. (Ganz Norddeutschland ist im Januar was für Experten.)
An Deck der Fähre dudelt grundsätzlich 70er Jahre Mucke. Leise nur. So dass man sie erst wahrnimmt, wenn man zur Ruhe kommt; vielleicht die Augen einen Moment schließt. (Erster Song, der mein Bewusstsein erreichte: Dr. Hook; when you´re in love with a beautiful woman). Wem das kein Lächeln aufs Gesicht zaubert, dem ist vermutlich nicht mehr zu helfen.
We ♥ Sylt im Januar
Einer der Gründe, warum wir Sylt im Januar so gern haben, ist das Licht. Besonders an klaren, kalten Tagen. Es ist ein wirklich nordisches Licht.
So nordisch wie bei unserer Ankunft haben wir die Insel aber noch nie erlebt. Fast arktisch kam uns das vor. Auch wenn es keinen Schnee gab.
In der Braderuper Heide Arktis war das Wattenmeer zu Eis erstarrt. Ultracooler, für alle Zeiten abgespeicherter Moment. Unwirklich eigentlich.
Zur Eiswüste muss man sich eine Totenstille vorstellen. Abgesehen vom Piepsen eines Strandläufers ab und zu, war das Knirschen des Schnees unter unseren Stiefeln das einzige Geräusch.
Auf dem Eis war es – na, klar – eisig. In den Dünen hatten wir es gar nicht so gemerkt. Aber über das Watt fegte so ein ganz hinterhältiger Ostwind – Frostwind. Wie ein gezackter Blitz drang der unter die Klamotten. Meine Hände schmerzten trotz Handschuhen schon nach Minuten vor Kälte. (Volko in seinem unzulänglichen Outfit fotografierte in aller Seelenruhe. Er ist schmerzfrei, was das angeht.)
Das Gute an der Irrsinns-Kälte: Wir hatten das Braderuper Watt fast ganz für uns allein. Nur ein andereres Paar hatte sich noch überwinden können. Das Schlechte: Ich hielt es (trotz Polarjacke) auch nicht lange aus. War aber hin- und hergerissen, weil es so wunderschön war.
Eiskalte Eiskönigin Sylt
Aus dem Auto sah es gar nicht so kalt aus. So dass wir es immer wieder versuchten, an anderer Stelle aufs Eis zu gehen. Wie hier in der Blidselbucht. Um auch dort relativ schnell wieder aufzugeben. Was auf einer gewissen Ebene ja sehr gut zum Jahresauftakt und den ewigen guten Vorsätzen passt.
Und das ist noch so ein Grund, warum ich Sylt im Januar liebe.
Nirgends & niemals glaube ich an mein besseres Ich so sehr wie hier & jetzt. Meistens habe ich meine Silvester-Vorsätze nämlich noch nicht über Bord geworfen, wenn wir auf die Insel fahren. Auch dieses Jahr bin ich noch gar nicht dazu gekommen, meine guten Vorhaben kleinlaut zu brechen. Noch glaube ich (fest), dass im neuen Jahr alles anders & besser wird.
Neulich fasste ein Philosoph im Radio die Lage des unauflösbaren Dilemmas der guten Vorsätze zusammen. Der Mensch nimmt sich immer wieder Dinge vor, die er zu 99,99 Prozent nicht erreichen wird. Was frustrierend ist, weil man es „eigentlich“ von vornherein weiß. Man ist in der Regel ja schon 1.000 Mal am selben Vorhaben gescheitert. Dem gesunden Geist scheint es aber keine Option, das Ganze aus Frustschutzgründen gleich sein zu lassen. Denn das käme der inneren Aufgabe gleich. Also versucht man es einfach wieder und wieder.
Und in gewissen Moment (zum Beispiel: auf Sylt im Januar) glaubt man fest, dass es dieses Mal klappen wird. Dass endlich die 00,01%ige Wahrscheinlichkeit eintritt. Wichtig dabei: Die Momente, in denen man (an) sich glaubt, sind kein Selbstbetrug. Sondern wunderbarer Einklang mit sich und der Welt.
Wer im Januar verreist, genießt diesen Einklang ein bisschen länger.
In manchen Jahren habe ich zum Beispiel noch nicht mal angefangen, meine guten Vorsätze umzusetzen, wenn wir nach Sylt kommen. Dann bin ich den ganzen Urlaub fest davon überzeugt, dass ich damit beginne, wenn das „echte Leben“ in Hamburg wieder losgeht.
Und falls ich meine guten Vorsätze auf Sylt breche, denke ich mir, naja, ist ne Ausnahme. Nach dem Urlaub wird definitiv ernst gemacht.
Und wenn ich ahne, dass es in Hamburg nichts mehr mit meinen großartigen Vorsätzen wird, sage ich mir: Gut, schön, Du bist nicht perfekt, aber wer wird sich davon diese kostbaren Tage vermiesen lassen?!
Unterm Strich ist Urlaub im Januar einfach total super. Denn wie man´s macht, macht mans richtig. Auf Sylt sowieso.
Inzwischen ist es übrigens etwas wärmer geworden. Gerade so viel wärmer, dass es gestern für dicke, fette Schneeflocken reichte. Und auf der Nordsee treiben jetzt kleine Eisberge und Schollen umher. Das zeigen wir dann demnächst mal.
Da kann man nur neidisch werden. Alles Gute für das neue Jahr ,und sind Vorsätze nicht dazu da, dass man sie bricht?Weiterhin schöne Tage auf der Insel. Erika
Frohes Neues, Erika. Und auch Dir alles Gute in jeder Beziehung. Im Moment sind meine Vorsätze noch dafür da, dass ich mich unerhört frisch und aktiv fühle. Mal sehen, wie das sich im Laufe des Urlaubs noch entwickelt. Ganz liebe Grüße, Stefanie
Das mit den guten Vorsätzen kommt mir ziemlich bekannt vor. Deshalb brauche ich auch schon seit einigen Jahren kein Silvester mehr, um mir irgendwas vorzunehmen. Vor 6 1/2 Jahren habe ich mitten im Sommer mit dem Rauchen aufgehört, und das hat gut geklappt.
Wunderschöne Fotos von Volko und wieder mal ein wunderschöner Bericht von Dir, liebe Stefanie. Genießt die Zeit!
Alles Liebe, Martina
Danke Martina, machen wir (sich die Dinge nicht (nur) zu Silvester vornehmen, ist natürlich auch eine gute Möglichkeit, um im Januar nicht zu scheitern 🙂 Liebe Grüße, Stefanie
Ich kann sehr gut nachvollziehen, dass Eis, nordisches Licht und die Weite der Landschaft euch in diese Stimmung der Januar- Meditation versetzt haben. Ein sehr gelungener Blog Artikel. Lg, Sabine
Vielen Dank, Sabine. Es ist nicht ganz Island. Aber das isländischste, was wir in Norddeutschland haben, würde ich sagen. Lieben Gruß zurück, Stefanie
Jaaaaa, Dr. Hook! : ) Aaaalso, wir waren am vergangenen Wochenende in der Lüneburger Heide, im Pietzmoor. Eher ungeplant, denn eigentlich waren wir auf dem Heimweg von Bremen und ich hatte zufällig Wahnsinnsbilder vom Pietzmoor gesehen: von Holzstegen, die kilometerweit übers Wasser führen, von tollen Spiegelungen, phänomenalem Licht. Das wollte ich natürlich unbedingt hin und noch phänomenalERE Fotos schießen. Kaum waren wir ausgestiegen, wurde mir schlagartig klar, dass ich NICHT für einen Spaziergang übers Moor bei scharfem Wind und Minusgraden ausgestattet war… Ich, die bei Reisen in den Norden immer Thermounterwäsche & Co. trägt. Ein, zwei Kilometer sind wir bis ins Moor marschiert, dann war Schluss, der Traum von den phänomenalen Bildern ausgeträumt. Es war einfach so a….kalt! Fazit: Hab immer Thermounterwäsche im Kofferraum (oder im Handtäschchen), dann kann man auch bei Minusgraden ins Pietzmoor ODER so eine WAHNSINNSLANDSCHAFT wie auf dem winterlichen Sylt in vollen Zügen und auf leeren Fähren genießen : ) Ich glaube, meine Vorurteile gegen Sylt sind dahin geschmolzen: Sieht einfach nur klasse aus. Und hört sich klasse an! Sonnige Grüße, Jutta
Hej Jutta,
wie ärgerlich, dass Du die falsche Unterwäsche fürs Pietzmoor getragen hast. (Ich kenn das Pietzmoor nur im Sommer, aber jetzt muss es auch toll aussehen.) Da ich ja Deine Vorliebe für SPO kenne, bin ich ziemlich sicher, dass Dir Sylt gefallen würde. Das ist hier eine ähnliche Weite. Plus Inselcharakter. Und viel, viel, viel mehr Dünen. Am besten würde es Dir sicher zwischen November und Februar gefallen. Dann hast Du die Landschaft mehr für Dich. Liebe Grüße, Stefanie
Einfach wunderschön. 😉
Danke 🙂
Liebe Stefanie,
Erstmal euch Zwei ein wunderschönes und frohes neues Jahr.
Deine Texte sind wie immer sehr schön verfasst da kommt man direkt ins schwärmen…..die Fotos sind der Hammer und eine Wohltat für meine Augen, aber mir wäre es auch kalt wenn ich das Eis sehe.
Schöne Grüße aus dem Süden
Anita
Dir und Deiner Familie auch ein gutes neues Jahr, liebe Anita.
Sieht so aus, als müssten die Schwarzwälder mittlerweile nach
Schleswig-Holstein kommen, um mal einen Winter zu erleben.
Alles Liebe, Stefanie
Moin Stefanie, auf den schönen Bildern kann man die Eiseskälte geradezu spüren. Großartig! Ostwind im Winter ist immer klirrend kalt, er kommt aber meist ohne Wolken und das macht ihn so schön (im Gegensatz zum Westwind, der oft Regen bringt). Ich liebe diese Wetterlage, die „fegt“ die Strände leer, für die Experten und die Einheimischen 🙂 auch wenn man es nicht lange draußen aushält. LG Ulrike
Einheimische sind natürlich die Oberprofis!
Moin Stefanie,
dann geht es Euch ja genau so gut wie mir hier an der Nordsee. Eisschollen im Meer, ist schon sehr beeindruckend. Herzlichen Gruß rüber nach Sylt, den Hörnumer Leuchtturm habe ich von hier aus ja im Blick.
Schönen Gruß
Helmut
Lieber Helmut, die Eisschollen waren bei Euch auf den Halligen ja offenbar noch heftiger. Auf Deinen Fotos sehen sie wie richtige EisBERGE aus. Toll. Liebe Grüße, Stefanie
Die Bilder sind der absolute Hammer! So schön und ich habe beim Betrachten wieder Lust bekommen nach Sylt zu reisen:-). Habe es bisher, neben den üblichen Saisonzeiten (Sommer + Herbst oder Ostern), „nur“ im Februar“ auf die Insel geschafft. Das war leider etwas grau, aber das ist ja auf Sylt eigentlich auch egal… LG, Steffi
Stimmt, Stephanie. Bei uns war´s übrigens auch meistens grau. Selten so schlechtes Wetter gehabt. Ich schreib dazu noch mal einen längeren Beitrag. Liebe Grüße, Stefanie
Tolle Sylt-im-Winter-Fotos. Sehnsucht!!
Vielen Dank, Petra. Aber das war´s wohl für dieses Jahr; der Winter scheint sich ja erledigt zu haben…