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Der Zaunkönig vom Kellersee

Kellersee

Um die Jahrhundertwende, als die Holsteinische Schweiz schwer en vogue war, kamen die Reichen & Schönen und errichten Sommerhäuser an den Seen. Wer konnte, baute am Kellersee, denn das war der Schönste von allen. Unter ihnen war auch ein gewisser Herr Eggersdorf aus Berlin.

Eggersdorf hatte es als Kaufmann zu beträchtlichem Wohlstand gebracht und war sogar in den Adelsstand erhoben worden. Vielleicht schien ihm daher eine einfache Villa nicht recht standesgemäß. Vielleicht war er auch ein wenig exzentrisch. Jedenfalls fiel „Schloss Eggersdorf“ aus dem Rahmen. War noch mondäner als andere Refugien. Märchenhafter. Verschwenderischer.

 

 

Das Gebäude von 1907 verfällt seit vielen Jahrzehnten. Der Garten ist beinahe schon wieder zur Wildnis geworden. Aber es ist nicht schwer, sich die frühere Pracht vorzustellen. Die große Freitreppe und die Wasserspiele. Die Skulpturen, die den gesamten Park bevölkerten. Und weiß gekleidete Sommerfrischler, die zur Musik von Schelllackplatten Champagnerkorken knallen ließen.

 

 

Der Kellersee ist einer der Hausseen von Malente. Man erreicht ihn vom Bahnhof aus über die Janusalle, benannt nach jenem Johannes Janus, der 1890 das „Hotel Holsteinische Schweiz“ eröffnete. Die Wortschöpfung wurde bald zum Verkaufsargument und die gesamte Region zum Sehnsuchtsort illustrer Gäste. Künstler, Intellektuelle, Citoyens und andere Freigeister liebten die romantische Landschaft und den hell leuchtenden Kellersee mit seinen lichten Buchten und bewaldeten Ufern.

 

Am Anfang war der Kellersee

 

Wer sich auf eine Rundwanderung um den Kellersee macht, findet noch jede Menge Erinnerungen an bessere Zeiten. Dafür braucht es aber unbedingt einen ganzen Tag. Auf der 15 km langen Strecke warten allerhand spannende Abstecher, Einkehrmöglichkeiten und verschwiegene, romantische Plätzchen, an denen man ganz gern eine Weile bleiben mag. Wer nicht so gut zu Fuß ist, geht mit dem Ausflugsdampfer Luise auf Kellerseefahrt. Auch Teilstrecken sind per Schiff möglich. Oder man nimmt sich für den Anfang erst einmal nur die Kellerseepromenade vor.

 

Kellerseepromenade

 

Die Kellerseepromenade ist ein sandiger Uferpfad unter Bäumen. Wohl nicht viel länger als 1.000 Meter. Sie beginnt am Malenter Fährhaus, einem Gartenlokal, das für Waffeln in allen Variationen steht und  mit herrlicher Aussicht bis zum Bungsberg, dem höchsten „Berg“ von Schleswig-Holstein, punktet.

 

Malenter Faehrhaus

 

An ihrem Ende trifft die Kellerseepromande auf die Kellerseestraße. Auch sie ist nicht durchgehend asphaltiert und nur wenig befahren. Wer ihr folgt, erreicht die Seehütte am Kellersee. Dort lässt man es sich bei Fischbrötchen, Bio-Wein und Dinkelkuchen gut gehen. Falls nicht gerade Montag ist. Da hat das idyllische Café geschlossen. Auch in der Hochsaison. Da kennen Schleswig-Holsteiner ja nichts.

 

 

Doch auch montags bleibt der insgesamt 1,4 km lange Spaziergang vom Anleger Janus Allee empfehlenswert. Vielleicht sogar gerade. Denn dann trifft man nicht viele Leute auf dem Weg zur Seehütte, auf dem man auch Schloss Eggersdorf passiert.

 

Dieser Lost Place ist ein Gewinn

 

Als das Spukhaus noch in Privatbesitz war, hätte man nicht auf geradem Wege zur Seehütte flanieren können. Der Park reichte damals bis an den Kellersee. Die alte Allee zum Seeufer gibt es sogar noch immer. Sie ist heute nur durch die Kellerseestraße vom Anwesen getrennt.

 

 

Es ist nun auch schon wieder Ewigkeiten her, erzählte uns ein Herr, der schon als kleiner Junge in der Nachbarschaft lebte, dass ein Hamburger Investor das Anwesen kaufte. Die Villa war damals bereits auf den Hund gekommen, schien aber noch zu retten. Und es hieß, der Investor habe große Pläne. Er ließ auch gleich das gesamte Gelände einzäunen. Weiter geschah jedoch nichts. Viele, viele Jahre lang.

 

Brunnen

 

Einmal, es war in einer Silversternacht, kamen welche mit dröhnenden Motoren und stahlen die letzten griechischen Skulpturen aus dem Park. Einen Diskuswerfer und einen Athleten in Sandalen. Dann wurde es wieder still. Schloss Eggersdorf verfiel. Der Park wurde zur Wildnis. Der Besitzer verstarb. Von Erben hat man nie etwas gehört. Und weil von dem Mann aus Hamburg am Ende nichts geblieben ist als ein nutzloser, schadhafter Bauzaun um eine Ruine, nennt man ihn in der Gegend den Zaunkönig.

 

Schloss Eggersdorf

27 Comments

  1. Das ist ja eine tolle Geschichte. Den hatte ich gar nicht auf dem Schirm, Malente hingegen natürlich schon, das war ja mein Hausrevier aus Kind, so quasi… liebe Grüße gen Norden und ich schau mich noch mal ein wenig bei dir um. Das ist so inspirierend schön

    • Vielen Dank, liebe Andrea. Und wenn es Deine Zeit mal zulässt, kann ich Dir einen Vororttermin in der Kindheit empfehlen. (Mich erwischt das Gefühl da jedenfalls verlässlich.)

      • Das habe ich immer mal wieder vor. Aber dann würde ich mich tatsächlich vorher mal bei dir melden und wir gehen dann mal zusammen mit den Kameras los, oder? Lieeb Grüße

  2. Ich muss der Holsteinischen Schweiz dringend mehr Aufmerksamkeit schenken. Scheint eine sehr schöne Ecke zu sein, die ich leider kaum kenne. So schade, dass das schöne alte Haus verfällt. Gleichzeitig aber auch interessant, wie die Natur den Raum zurückgewinnt. Dennoch wünschte ich, dass es stärkere Bestimmungen für den Erhalt bzw. Abriss von alten Gebäuden gäbe.

    • Ja, das geht mir auch so. Es tut einem in der Seele weh. Ich weiß allerdings auch nicht, wie die Alternativen aussehen könnten. Es wäre ja auch nichts gewonnen, wenn alles in Hand vermögender Privatpersonen wäre… zwar dann in Schuss, aber der Öffentlichkeit entzogen. Echt eine schwierige Kiste…

  3. Eine interessante Wendung in deiner Geschichte! Den Kellersee kenne ich, wir sind früher jedes Jahr zu Pfingsten oder Himmelfahrt dorthin gefahren. Wie geht es dem Drehort von Immenhof-Filmen?
    Viele Grüße
    Karin

    • Liebe Karin, dem Immenhof geht´s super. Gut Rothensande wird nun schon seit Jahren aufwändig renoviert. 2020 soll endlich das (Pony)-Hotel eröffnet werden. Es ist auch Gastronomie und ein Konzertsaal geplant. Ich könnte mir gut vorstellen, dass Malente mit dem Haus endlich den entscheidenen Kick kriegt, um sich in die Zukunft (oder jedenfalls schon mal Gegenwart) aufzumachen. Ich würde es der Stadt jedenfalls gönnen. Liebe Grüße, Stefanie

  4. Sehr interessant. Bist du dir sicher, dass du da nicht eine lange verschollene Mayastadt im holsteinischen Dschungel gefunden hast?

  5. Liebe Stefanie, das ist ja eine traurige Geschichte. Wie schade um das schöne Gebäude, das ist doch ein richtiger Schatz und man könnte ganz bestimmt viel daraus machen und es evtl. auch für kulturelle Zwecke nutzen.

    Liebe Grüße, Martina

    • Ich fürchte, das Gebäude ist gar nicht mehr zu retten. Es gibt rund um Malente recht viele Lost Places. Ich verfolge die Pläne für einige in der örtlichen Presse. Immer mal wieder soll mit der ein oder anderen Schönheit was passieren. Und dann geschieht wieder nichts. Oder Sachen, die einen auch nicht fröhlicher machen. Ist schon echt schade. Liebe Grüße an Dich, Martina!

  6. Das war ja wieder eine spannende und hochinteressante Geschichte rund um das Schloss Eggersdorf. Schade, dass es nun im Laufe der vielen vergangenen Jahre wohl wirklich zur baufälligen Ruine verkommen ist, die sich nicht mehr retten lässt. Das hatte sich der „Zaunkönig“ wohl anfangs auch mal anders gedacht.
    Eine schöne Gegend rund um Malente! Auch dahin sollte man mal wieder einen Ausflug unternehmen, so weit ist es schließlich gar nicht entfernt. Danke für die Anregung, Stefanie!

    LG Michèle

    • Liebe Michèle, es ist wirklich nicht weit nach Malente für Hamburger. Gerade mal 100 km. Und sogar die Bahnverbindung ist gut. Das gilt auch für Eutin, Plön und Preetz. Darum kann man sich so schön durch die Holsteinische Schweiz treiben lassen. Egal, wonach einem der Sinn steht oder wie sich das Wetter entwickelt – man findet alles immer gleich um die Ecke. Wenn Du länger nicht dort warst, wirst Du staunen. Abgesehen von Malente haben sich alle Orte schon richtig hübsch gemacht. Malente… sucht noch seinen Weg, würde ich sagen. Liebe Grüße, Stefanie

  7. Liebe Stefanie,

    das sieht so idyllisch und romantisch dort aus. Die Geschichte ist sehr spannend. Danke fürs recherchieren. Schade, wenn sowas verfällt.

    Liebe Grüße
    Liane

  8. Liebe Stefanie, wie schön, dass ich jetzt um die Geschichte dieses verwunschenen Ortes nahe meines Lieblingsplatzes, dem Fischer, weiß. Ich umrunde den See, der Teil meiner Kindheit ist, des Öfteren und stand vor dem Zaun und fragte mich: was soll der hier?

    • Lieber Michael, jetzt schließt sich natürlich die nächste Frage an: Was wird mit dem Zaun? Und dem Dahinter?

  9. Oh, da werden Erinnerungen wach. Wie oft bin ich hier vorbei gelaufen. Hab mich leider nie über den Zaun getraut, obwohl ich früher solche Bauruinen bevorzugt in schwarz-weiß fotografiert habe.
    Meine Frau hat bis vor drei Jahren an der Promenade gearbeitet- wie die Zeit doch vergeht…..

    Vielleicht sollte ich doch mal einen Schwarz-weiß Film einpacken und mal rüber machen:-)

    Vielen Dank für die Bilder aus unserer vorigen Heimat.

    Lieber Gruß

    Kai

    • Lieber Kai, mach das mal! Du musst nicht einmal über den Zaun klettern. Das Tor steht offen. Liebe Grüße, Stefanie PS.: Da hat Deine Frau ja einen sehr netten Ort zum Arbeiten gehabt!

      • oh ja. Das hat sie. Ich bin oft mit dem Hund um den Kellersee gelaufen, da konnte er noch :-(. Aber auf jeden Fall sind auch die Waffeln ein echter Genuss. Der Kellersee ist auf jeden Fall einer der schönsten Seen, die es in Schleswig-Holstein gibt und insgesamt hat Malente viel Potential, ein richtig toller Ort zu sein.
        Für Dich war das ja wieder ein wenig Heimspiel, oder ? 🙂

  10. Und wieder ein neues Reiseziel für meinen nächsten Aufenthalt „da oben“. Ich mag die Holsteinische Schweiz sehr. Am Kellersee war ich aber noch nicht. Die Runde ist vorgemerkt und das Schloss Eggersdorf auch. In der Gegend habe ich ja bereits die Blomenburg, das Schloss Salzau und das Herrenhaus in Waterneverstorf (was für ein Name), die ja auch verlassen sind, besucht. Über diesen Orten weht immer so ein sehnsuchtsvoller Hauch und ich liebe es, gerade in den alten Gärten herumzustromern. Danke für diese Geschichte und die Inspiration! Liebe Grüße von Andrea

  11. Lovis says

    Hallo,
    gibt es irgendwelche Anhaltspunkte wie der Investor zu erreich ist. Wie, als Kollektiv, möchtem dem Ort gerne wieder Leben einhauchen.
    LG

    • Liebe Lovis, versuche es mal beim Malente Tourismus – da arbeiten sehr engagierte Leute.

      LG zurück, Stefanie

  12. […] Seen Schleswig-Holsteins. Seine schönste Badestelle liegt in Niederkleveez; etwa mittig zwischen Malente und Plön. Der Besuch ist eher bezaubernd als spektakulär. Nichts, wo man extra hinfährt. Sondern […]

  13. Joachim S says

    Ich kann da noch etwas beitragen, da ich als Kind dort gespielt habe. Zu dem Anwesen gehörte zu der Zeit (über 50 Jahre her) auch ein grosser Wald. Mein Vater war mit den Besitzern befreundet und mein Grossvater, der ein berúmter Architekt war, wie auch mein Vater, war mit einem Wassergrundstück am Kellersee, Nachbar. Die Besitzer waren zu der Zeit Freifrau von Halmeln und Ihre Tochter die sehr viel reiste weil sie mit dem Schauspieler Alain Delon befreundet war. Freifrau con Hameln mochte sehr gerne Katzen und hatte wohl über 30-40 im Haus. Es war auch eine vernachlässigte Apfelplantage da wo wir mit den Besitzern immer nach dem Essen spazierengegangen sind. Ich kann mit auch noch an die griechischen Skulpturen errinnern, die waren aus Bronze und hatten eine tolle Patina. Wir waren oft über Ostern da, das Geschirr war sehr alt und kostbar und auch gab es eine Bibliothek mir hunderten von alten Büchern in Leder eingefasst. Da die Freifrau aus einem nordischen Land stammte war das Ostersymbol kein Osterhase sondern ein Huhn, sie hatten etliche aus Porzellan. Auch kann ich mich an eine Ritterrüstung, die im zweiten Stock war, errinnern. Ihm Haupteingang war eine mechanische Klingelanlage für jedes Zimmer. Wenn ich suche finde ich bestimmt noch Fotos von damals, ich lebe seit 30 Jahren in Südamerika. Schade das das „Schloss“ jetzt so verkommen ist.

    • Na, das sind ja Geschichten, lieber Joachim. Klingt wie ein Märchen. Vielen Dank für´s Teilen und liebe Grüße, Stefanie

  14. Volker Cornils says

    Ich (Jg. 1951) bin in Malente aufgewachsen und kenne noch eine Meierei, die „Milchbar“ an der Dieksee-Bucht, „Seifensievers“, habe meine „Wiking“-Autos bei Spielzeug-Dose gekaufr und bin mit dem „Hein-Lütjenburg“ nach Eutin zur Voss-Schule gefahren. Ich kenne die Holst. Schweiz und beanworte Fragen zum Thema Malente gern!
    Volker aus der Lindenallee

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