Kaum ein anderer Ort weckt in mir so intensive Urlaubsgefühle wie Hirtshals. Das ist so, seit ich eine (offenbar) ur-deutsche Eigenart an mir festgestellt habe. Eine nicht gerade sympathische Eigenart, zu der ich auf gar keinen Fall stehen möchte.
Das Ganze hat mit dem sogenannten »Bettenwechsel« zu tun. Der Begriff findet laut Wikipedia in der Tourismusbranche seit Mitte der 1990er Jahre Verwendung. Dänemark-Urlauber kennen ihn aber schon viel, viel länger. Ewig, möchte ich meinen.
»Bettenwechsel« bezeichnet den Tag, an dem Ferienunterkünfte vom abreisenden an den anreisenden Urlaubsgast übergeben werden. In Dänemark geschieht das seit ich denken kann sonnabends. Das führt in den Sommermonaten zu Ausnahmezuständen auf Straßen und in Ferienhausgebieten. Am schrecklichsten ist die Situation für alle, die durch den Elbtunnel müssen. Am zweitschrecklichsten für die, die sich um den fliegenden Wechsel der Ferienhäuser kümmern.
Die Sache mit den Staus war ein bisschen weniger schlimm während der glücklichen Jahre der offenen Grenze. Der Megastress für MitarbeiterInnen der Ferienhausvermietungen blieb aber immer gleich hoch. Einen reibungslosen Ablauf zu gewährleisten, ist geradezu unmöglich.
Bettenwechsel in Dänemark
Das liegt auch an den Urlaubern, die kurz vor Abreise oder gleich nach Anreise – im allergrößten Trubel also – Beschwerden loswerden möchten. Zu denen gehörte ich nie. Allerdings gehörte ich das ein oder andere Mal schon zu denen, die noch viel, viel mehr Druck in die Situation bringen. Nämlich zu denen, die zu früh anreisen.
Nicht viel zu früh. Nur eine Stunde. Maximal. Gar nicht so wenige Urlauber fragen aber auch zwei, drei oder vier Stunden vor der vereinbarten Zeit, ob das Haus zufällig schon fertig ist. Könnte ja sein. Es ist wohl kaum je fordernd gemeint. In der Masse sind die Nachfragen aber natürlich trotzdem zeitraubend für die MitarbeiterInnen der Ferienhausvermietungen. Nervig also. Das kennt man ja aus eigenem Erleben bei der Arbeit oder im Privaten. Steht der Besucher zu früh auf der Matte, sind die minutiös getakteten Planungen im Eimer.
Und seit ich mal in einer Doku gesehen habe, wie schwer diese (laut Dänen) sehr deutsche Eigenart ist, komme ich frühstens zur vereinbarten Zeit. Selbst im Winter reiße ich mich seither am Riemen. Obwohl die Ferienhausvermittlungen dann häufig gar nicht geöffnet haben – und die Schlüssel schon seit Stunden oder gar Tagen in einem Holzkasten rumliegen. Aber das ist wieder ein anderes Thema.
Das Bettenwechsel-Dilemma: in Hirtshals kann man gar nicht früh genug ankommen
Pünktlich zu kommen, stellt passionierte Dänemark-Urlauber allerdings vor ein Problem. Später zuhause aufzubrechen als irgend möglich ist keine Option. Erstens weil man – emotional gesehen – gar nicht früh genug in Dänemark ankommen kann. Zweitens will man Hamburg vor dem großen Verkehr hinter sich gelassen haben. Im besten Fall drittens die Rader Hochbrücke überqueren, wenn der Nord-Ost-Kanal noch im Morgennebel träumt (das ist ein wunderschöner Anblick!). Und dann erreicht man eben die dänische Grenze bereits vor dem Frühstück. Drei Stunden später hat man Jütland der Länge nach durchquert.
Meine (voll deutsche, höchst enervierende) Eigenart zu drängeln und zu quängeln, bis wir extrem früh aufbrechen, hat bisher noch immer dazu geführt, dass wir etliche Stunden vor Schlüsselübergabe unser Ziel erreicht haben. Während ich überhaupt keine Schwierigkeit damit zu haben scheine, meine Ungeduld dem Mann an meiner Seite zuzumuten, ist sie mir vor den dänischen Gastgebern unangenehm. Da will ich lieber skandinavisch lässig wirken. Und deswegen fahren wir traditionell nicht sofort in unseren Lieblingsort. Sondern zunächst nach Hirtshals. Und es ist mir ein Fest! Über die Jahre ist Hirtshals so für mich zum Synonym für den Urlaubsbeginn geworden.
Als nun am vergangenen Montag die ersten Touristen nach den Corona-Grenzschließungen wieder nach Dänemark einreisen durften, ließ sich in den sozialen Medien der Empfang in den Ferienhausgebieten verfolgen. Er fiel königlich aus. Es gab ein großes Hallo, Kaffee, Kuchen und Bonbons – ein Ferienhausvermittler hatte sogar den roten Teppich ausgerollt. Mitten in der Nacht. Ausnahmsweise waren Bettenwechsel und Schlüsselübergabe in keinster Weise zeitgebunden.
Das höchste der Gefühle – Hirtshals, Toppen af Denmark
Aber ich brauchte gar nicht dabei gewesen zu sein, um zu wissen, wie es sich angefühlt hat. Ich habe mich nämlich so intensiv mitgefreut, dass es mich gedanklich nach Hirtshals katapultierte. Es war fast, als sei ich selber dort. Und die ersten Stunden in Hirtshals fühlen sich für mich grundsätzlich so an, als würde mir das Leben den roten Teppich ausrollen.
PS.: Ich habe noch etwas anderes verstanden, als die ersten Dänemark-Reisenden auf facebook ihr Glück mittels Filmchen und Fotos und Worten verbreiteten. Hinter dem Pathos der Europäischen Hymne liegt eine wunderbare Wahrheit. Ich werde die Ode an die Freude summen, wenn ich das nächste Mal nach Hirtshals reise. Freude, schöner Götterfunken, Tochter aus Elisium. Wir betreten feuertrunken Himmlische, dein Heiligthum.
Mein Tip,um „Bettenwechsel“ zu vermeiden:
An-und Abreise von Mo-Do – wenn die Vermieter da mitspielen.
Auf „meiner“ Hallig Lüttmoor funktioniert das.
Die Züge sind an Wochentagen auch nicht so voll,also gleich entspannt den Urlaub starten.
ich versuche,mein Leben so bequem und angenehm wie möglich zu gestalten-dazu gehört für mich eine große Portion Eigenwilligkeit-also nix mit Mainstream oder so.
Bin persönlich mit dieser Einstellung immer gut gefahren-und vor allem streßfrei.
viele Grüße aus Duisburg und bleibt bitte gesund
Ralf
Lieber Ralf, das ist grundsätzlich natürlich eine gute Idee. In Dänemark gibt es aber extrem viele Anbieter, die im Sommer ausschließlich von Sonnabend bis Sonnabend vermieten. Andere berechnen ein derben Zuschlag, wenn man einen abweichenden Anreisetag wählt. Außerhalb der Hochsaison siehts besser aus. Da wären wir wieder bei Dir 🙂 Liebe Grüße, Stefanie
Liebe Stefanie. Ja, endlich dürfen wir wieder rüber. Einige Tage zuvor war ich einmal illegal über der Grenze, es fühlte sich toll an:-) Und tatsächlich, was niemand wohl außer mir bemerkt hat: Es gab einen inoffiziellen Grenzübergang, der nie geschlossen und nie kontrolliert wurde.
Und als die Grenze dann offen war und ich den Stau kommen sah, erinnerte ich mich an all die kleinen Ausweichmöglichkeiten, kam in einer Minute durch den Übergang und wurde zwei Minuten später gestoppt: Von zwei Mädels ,it einem Begrüßungsgeschenk. Ich hätte sie umarmen können- aber meine kleine Tochter hätte zuhause gepetzt. Also beließ ich es bei der innerlichen Umarmung.
Hirtshals, da waren wir ja mal wieder im letzten Jahr fast zur selben Zeit. Und auch wir nehmen uns immer wieder noch Zeit für diesen kleinen Fährort. Er ist vielleicht nicht das klassische Postkartenidyll, aber ich mag den Ort wie Du. Und so habe ich schon zwei mal dort übernachtet.
Und am schönsten ist Hirtshals und das übrige Dänemark eh, wenn niemand dorthin will:-)
Lieber Gruß
Kai
Hirtshals mag ich auch sehr, gerade weil es noch ein richtiger Fischereihafen ist. Unser Lieblingsfischgeschäft ist allerdings in Tværsted (Tannisbucht). Der Strand auf der anderen Seite von HIrtshals, der ohne Leuchtturm, ist übrigens auch sehr schön, und da sind nicht viele Leute (kein Kiosk und keine Toiletten … 😉 )
Tornby ist für mich einer der schönsten Strände, allerdings erst ab dort, wo keine Autos mehr hinkönnen wegen des Wasserlaufs, also am südlichsten Ende von Tornby. (Ich mag keine Autos am Strand, das ist für mich wie Autos im Park oder Autos mitten im Wald.)
Dort ist auch das Wikingerdorf Yxengaard, das immer schöner wird.
Moin liebe Stefanie, ich freue mich immer wieder morgens einen neuen Beitrag von dir zu lesen. Auf der Landkarte zu schauen, wo der Ort liegt……
Von Hirtshals habe ich vorher noch nichts gehört, muss ich gestehen.
Bei mir geht es in den nächsten Tagen mit dem Rad an die Deutsch-Dänische Grenze entlang.
vg, kokkinos vrachos
Oh, liebe Stefanie, fast peinlich für mich alten DK-Fahrer – in Hirtshals bin ich nie gewesen. Da habe ich glatt unter anderem das Ozeanarium verpasst. https://nordsoenoceanarium.dk – Danke für den Tipp! Immerhin kann ich über meine Internet-Recherche kleine Verwandtschaft mit einem Ausmalbuch beglücken.
Herzlich grüßt
Ludwig
Moin, liebe Stephanie,
ich möchte mich auf diesem Wege einfach mal ganz allgemein für deineTipps und den newsletter bedanken! Da noch relativ neu in HH, freue ich mich umso mehr über solche wundervollen Anregungen und Ideen, auch wenn ich bisher noch nicht so vielen nachgehen/fahren konnte, es aber unbedingt vorhabe……
Allein schon deine Idee, auf der Lotseninsel / Schleimünde erst das 2. Boot zu nehmen, hat uns einen unglaublich schönen „langen“ Tag beschert:wir haben dabei die wunderbare Erfahrung der „Entschleunigung“ erlebt und konnten dadurch schöne Beobachtungen/Dinge machen wie z.B. ein aberteuerlustiges Möwenküken zwischen den Steinen am Steg entdecken (so flauschig wie von „Sigikid“ – ich weiß gar nicht, ob es diese „Plüschtiere“ noch gibt?), dessen Eltern uns im Sturzflug verjagt haben , wir dadurch aber erst auf das Küken aufmerksam wurden oder
der reinrassige Wasserrattenhund, mit dem ich dann eine Runde geschwommen bin…..
Ich freue mich schon auf alles andere, was du bisher vorgeschlagen hast! Und schon das Lesen bereitet mir schon große Freude/Vorfreude, auch weil mir die Art,wie du schreibst, sehr gut gefällt!
Ganz herzlichen Dank und Grüße an deinen Begleiter und dich!
Corina
Liebe Corina,
vielen Dank für Deinen ausführlichen Kommentar. Besonders dass Ihr einen so schönen Tag auf der Lotseninsel erwischt habt, freut mich total! (Und ich könnte sofort auch aufbrechen! Zu gern würde ich auch mal dort schlafen :-)). Gut, dass der Sommer noch lang ist. Ganz liebe Grüße, Stefanie