Als ich gestern zur Blauen Stunde quer durch Planten un Blomen Richtung Hamburgische Staatsoper stiefelte, kreuzten zwei Ratten meinen Weg. Ich bin keine Expertin, was das betrifft, doch ich nahm an, es wären Wasserratten. Wie sie sich da nämlich direkt vor meinen Füßen in das Bassin gleiten ließen, sah es ganz so aus, als würden sie zum reinen Vergnügen auf die weite Fläche hinauspaddeln. Die Lichter der Schlittschuhbahn spiegelten sich auf dem Wasser wie bunte Monde. Der Schneeregen fiel dicht. Und ich kann jeden verstehen, der die Vorstellung nicht besonders romantisch findet. Aber ich … ja … ich fühlte mich ungeheuer „zuhause“. Etwas, das ich immer dann besonders genieße, wenn ich es eine Weile nicht hatte.
Ich mag meine Stadt. Auch wenn in Hamburg – das habe ich mal gelesen – mehr Ratten leben als Menschen. Bei uns gelten sie als eklige Schädlinge, aber in Indien und China stehen Ratten für Kreativität und Ehrlichkeit. Zwei Eigenschaften, die recht gut zum Hafen passen – genau wie Offenheit und Toleranz. Die Bandbreite akzeptierter Lebensformen zieht sich bei uns ja noch in die gediegensten Institutionen.
Die Hamburgische Staatsoper: abendliche Atempause
In der altehrwürdigen Hamburgischen Staatsoper etwa debütierte Plàcido Domingo ebenso wie Anneliese Rothenberger. Das ist genauso „volle Kanne Hamburg“ wie der welttreueste (wunderschöne, phantastische) Ballettdirektor John Neumeier und der attraktivste Musikdirektor des Universums, Kent Nagano, der ganz nebenbei ein international gefeierter Star ist und dieses Jahr als Dirigent des Jahres ausgezeichnet wurde.
Wer was für Klassik übrig hat (oder mal reinschnuppern möchte) kann noch bis Weihnachten jeden Abend – kostenfrei – den wunderbaren lebendigen Adventskalender besuchen. Täglich um fünf (sonntags um 12.00 Uhr) nehmen Hamburger und Besucher auf Stufen und Fensterbänken des Foyers Platz, um sich eine halbe Stunde gedanklich entführen zu lassen. Dann darf ein Kind aus dem Publikum das jeweilige Türchen öffnen. Dahinter kann sich Tanz verstecken, Literatur oder Musik. Es wird besinnlich, anspruchsvoll oder fröhlich. Gestern z.B. trug Sopranistin Qiong Wu Lieder der Romantik von Brahms, Strauss u.a. vor, begleitet von Oliver Stapel am Piano.
Das war eine wunderbare halbe Stunde. Eine Atempause. Ein Freudenfeuerchen. Gerade übrigens in Kombination mit einem Spaziergang durch den stillen Park zuvor bzw hinterher. Und man sollte sich keinesfalls durch Ratten davon abschrecken lassen, denn:
„Durch Fragen, die die Künste aufwerfen, und durch Antworten, die sie herausfordern, erleben wir eine Schönheit, die mit schönem Aussehen nichts zu tun hat. Auch Schwäche, Tragisches oder Abstoßendes kann unglaublich schön sein. Denn schön ist jede Erfahrung, die uns dem Wesenskern der Dinge, dem Urgrund allen Daseins näherbringt. (Kent Nagano)
Der literarisch-musikalische Adventskalender der Hamburgischen Staatsoper findet noch bis zum 23. Dezember täglich um 17.00 Uhr statt (sonntags 12.00 Uhr) statt. Wie es sich für das Bundesland mit den meisten Stiftungen in Deutschland gehört, wird eine Spende gern gesehen. Sie kommt der Regenbogenstiftung zugute.
Höchstwahrscheinlich waren es Wanderratten – die müssen Dir doch schon wegen ihres Namens sympathisch sein 😉 Wanderratten gibt es fast überall, jedenfalls da, wo Menschen wohnen. Und Wikipedia sagt „Die Tiere schwimmen, tauchen und klettern gut“ – nehmen also sicher gern mal ein Bad im Bassin im Park.
Ja, tatsächlich, die waren mir wirklich sympathisch. Die Kleinere konnte schneller schwimmen, die doppelt so große schneller laufen. Süß fand ich sie irgendwie beide. Was aber auch am gedämpften, dunkelblauen Licht liegen kann. 🙂
Liebe Steffi,
Ein schönes Angebot, und manchmal sind es die kleinen Begegnungen, die hängen bleiben und berühren. Wenn man offen für sie ist:-)
Ich erinnere mich an ein klassisches Konzert, in dem ich die Augen schloss und innerlich abtauchte. Als ich kurz vor Schluss wieder zu mir kam, habe ich wohl nur im Unterbewusstsein die Klänge wahr genommen, aber ich war innerlich anschließend so befreit, so entspannt, dass die Musik mir hätte gar nicht mehr geben können.
Habt noch eine schöne Adventszeit.
Liebe Grüße
Kai
Lieber Kai, für mich ist so eine „Vorführung“ gerade nach arbeitsreicher Zeit fast eine Geduldsprobe. Ich werde da ja gezwungen, 30 Minuten nichts zu machen. Und darüber wird mir erst klar, dass es ok ist. Ich hoffe, in Flensburg vergeht die Zeit auch hübsch langsam. Einen schönen zweiten Advent und liebe Grüße, Stefanie
Was für eine wunderschöne Idee… in der ganzen Hektik der vollen Städte zur Weihnachtszeit ein innehalten…toll.
Wenn Ratten Puschelschwânze hätten, hätten sie es wohl leichter…
Dabei sind Puschel ja auch so eine Sache, die nicht jeder tragen kann.
Was für eine nette Überraschung, trotz angekündigter Blogpause etwas von Euch zu lesen. Der lebendige Adventskalender der Hamburgischen Staatsoper ist ja eine wunderbare Idee. Wieder was dazugelernt – und ich habe immer gedacht, ich kenne Hamburg…!
Mein chinesisches Sternzeichen ist übrigens die Ratte, deshalb kann (und darf) sie mir gar nicht unsympathisch sein. ?
Schönen zweiten Advent und liebe Abendgrüße, Martina
So von Affe zu Ratte: Unsympathische Tiere gibt es ja eigentlich auch gar nicht. Selbst Spinnen scheinen netter als so manchen Menschen. Einen schönen Tag im Schnee wünsche ich Dir. Stefanie
Eine wunderbare Idee – nur schade, daß Nicht-Hamburger das nicht erleben können. Aber man kann ja nicht alles haben … Es erinnert mich ein bißchen an die dienstäglichen Lunchkonzerte der Berliner Philharmoniker, von denen sicher auch nicht alle wissen: https://www.berliner-philharmoniker.de/konzerte/lunchkonzerte/
Übrigens ein sehr schönes Nagano-Zitat!
Was ist das denn für eine Schlittschuhbahn? Und warum ist sie so leer???
Das ist die Schlittschuhbahn von Planten un Blomen. Möglicherweise ist noch nicht bei allen angekommen, dass die Renovierung abgeschlossen ist. Und vielen Dank für den Link zu den Philharmonikern. Das klingt super (und typisch Berlin natürlich größer als in Hamburg). Vielleicht schaffe ich das mal bis zum Sommer, wenn ich in der Hauptstadt arbeite. Ganz liebe Grüße dahin, Stefanie