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Ziemlich gute Bekannte: Hamburger und die Hamburger Kunsthalle

Kiesch

Alfred Lichtwark, der 1. Direktor der Hamburger Kunsthalle, bat regelmäßig Künstler aus dem In- und Ausland an die Elbe, um sich mit Hamburger Ansichten zu beschäftigen. Er wusste, dass die Hanseaten vertraute Motive aus ihrer Umgebung schätzten und hoffte auf diese Art, die Akzeptanz für moderne Kunst in der Stadt zu erhöhen. Ich fühle mich irgendwie ertappt, als ich das auf einer Handreichung lese. Sie hängt direkt neben Liebermanns Terrasse im Restaurant Jacob in Nienstedten an der Elbe. Ein Bild, bei dem mir das Herz ganz hell wird – genau wie es der große Mann der Kunsthalle vor über 100 Jahren seinen Hamburgern auf die Nasenspitze zusagte.

 

Liebermann

 

Liebermann im Jacob einzuquartieren, war ein ziemlich genialer Schachzug von Lichtwark, das muss ich sagen. Sicherlich bin ich nicht die einzige, für die Liebermanns Bild und die reale Lindenterrasse miteinander verwoben sind. Beim Elbspaziergang denkt man ganz automatisch an das Bild. Beim Betrachten des Bildes an den Elbspaziergang. Und gerade dass man an beides denkt, macht beides doppelt so schön.

 

Asgardstrand

 

Eigentlich bin ich heute gekommen, um endlich das Ergebnis der ewiglangen Renovierung zu bewundern. Doch nachdem ich mich vergewissert habe, dass die Holzböden noch genauso schön quietschen und knarren wie früher, tritt der (farbenfrohe, luftige, klare) Hintergrund schnell in den Hintergrund. Ich konzentriere mich auf meine Lieblinge, die mir wie gute alte Bekannte vorkommen. Denn selbst wenn man nur alle zwei Jahre die Kunsthalle besucht, ist man irgendwann zehn oder zwanzig Mal dagewesen und (Achtung, Wortwitz) ganz gut im Bilde.

 

Hamburger Kunsthalle

 

Manchmal irre ich mich auch. Ganz wie im richtigen Leben. Auch auf der Straße meine ich oftmals, Bekannte zu sehen und erkenne erst beim Grüßen, dass sie es nicht sind. Das ist mir z.B. öfter mit Dr. Brinkmann aka Klaus Jürgen Wussow passiert, der früher dort wohnte, wo ich arbeitete, weshalb ich ihn mehrmals für einen Arbeitskollegen hielt. (Er erwiederte meinen Gruß immer sehr freundlich). Ah, ein Kirchner, denke ich nun bei den Damen in den Dünen neunmalklug (dabei ist es ein Müller). Ich hätte ja schwören können, dass ich das Bild aus der Ausstellung zum Ernst-Ludwig-Kirchner-Weg auf Fehmarn kenne. (Als gäbe es auf Fehmarn Dünen; also bitte.)

 

 

Ist mein Blickwinkel eingeschränkt?, frage ich mich, als mir auffällt, dass ich mich vor allem auf das konzentriere, was ich eh schon in- und auswendig kenne. Ich spaziere von einer norddeutschen Landschaft zur anderen. Von der Heide ins Alstertal, an Elbstrände und über Holsteiner Wiesen bis an die Ostsee. Befinde ich mich also in einer Art musealer Filterblase? Und sollte Kunst den Blick nicht eher weiten?

 

Wanderer

 

Kommt drauf an, hätte Caspar David Friedrich vermutlich gesagt, denn:

 

„Der Mahler soll nicht bloß mahlen was er vor sich sieht, sondern auch was er in sich sieht. Sieht er aber nichts in sich so unterlasse er auch zu mahlen was er vor sich sieht. Sonst werden seine Bilder den Spanischen Wänden gleichen, hinter denen man nur Kranke und Tote erwartet.“

– Caspar David Friedrich –

 

Soll der Maler also „nicht bloß mahlen was er vor sich sieht, sondern auch was er in sich sieht“, gilt das wohl auch für die Betrachterin. Ich stelle fest: Bei alten Meistern sehe ich meistens gar nichts in mir. Dito, wenn´s zu göttlich bzw kirchlich wird. Ganz viel passiert aber, wenn ich Friedrichs Eismeer betrachte. Das hat er übrigens selbst nie „in echt“ gesehen. Die Inspiration erwischte ihn, als im Winter 1820/21 die Elbe zufror.

 

Eismeer

 

Das Eismeer hängt neuerdings zu meinem großen Vergnügen so, dass ich es zeitgleich mit einem weiteren Lieblingsbild anschauen kann – Carl Blechens Innenansicht des ehemaligen Palmenhauses auf der Pfaueninsel bei Potsdam. Auch so ein Sehnsuchtsort, den ich schon seit Urzeiten besuchen möchte. Meine in-der-naehe-bleiben-Bucket-List wächst und wächst, während ich eine zweite Runde durch die Räume drehe. Am Ende ist sogar was Süddeutsches dabei; konkret ein Schwarzwälder. Das hat eine gewisse Logik, denn ich mag Schwarzwälder (bin ja auch immerhin mit einem verbandelt) und außerdem trifft Hans Thomas Waldwiese ziemlich genau das, was ich derzeit hauptsächlich in mir sehe: die Sehnsucht nach dem Frühling.

 

Schwarzwald

 

Ach, nee, nu guck doch mal wie schön, sächselt eine Frau ihrem Mann ins Ohr. Die 2 stehen vor einem Bild des Nymphenbades im Dresdner Zwinger. Ganz versunken. Offenbar ist es keine Hamburger Spezialität, so gern im Bild wiederzufinden, was einem gut bekannt ist. Die Kunsthalle ist nämlich nicht nur ein Heimspiel für Hamburger sondern es ist so gut wie für jeden Europäer etwas dabei – insofern und überhaupt ist der Besuch einfach jedem zum empfehlen.

 

Nolde

 

Hier gehts zur Hamburger Kunsthalle.

7 Kommentare

  1. Liebe Stefanie,
    manchmal reist man in Gedanken, bleibt dabei ganz in der Nähe und ist doch im Moment so weit weg, dass man für andere unerreichbar ist. Wenn man dann zurück kommt, erst zu sich selbst, dann zu den anderen, gibt es Neues zu erzählen.
    Ich glaube, in diesem Moment hat man seine Blase verlassen und man hat neue Sichtweisen, wenn auch vielleicht auf das gleiche Motiv, kennen gelernt.
    Für meine Fotografie habe ich irgendwann den Leitspruch gefunden: „Der lauten Töne sind genug, es sind die leisen, die Klänge der Bilder, die unsere Seele öffnen“.
    Lass den Tag gut zu Dir sein.

    Lieber Gruß

    Kai

    • Das lag vermutlich immer am zu schönen Wetter, was? Aber FALLS Du mal an einem Regentag in Hamburg bist, ist die Kunsthalle einen Besuch wert Auch wenn Ihr in Frankfurt grundsätzlich besser aufgestellt seid, was Kunst angeht, sind in der Sammlung doch einige Kracher dabei. Und die dazu gehörige Galerie der Gegenwart macht immer richtig Spaß. So wie ich Deinen Blog lese, möchte ich Dir auch unbedingt ein Werk in dem Bereich empfehlen, der sich „Transparentes Museum“ nennt. Dort gibt es u.a. eine Station mit O-Tönen, wo die unterschiedlichsten Gruppen/ Menschen ein bestimmtes Gemälde beschreiben. Etwa eine Kindergartenklasse, ein Englischkurs oder ein stadtbekannter Rapper. Ich glaube, das wird Dir gefallen. Liebe Grüße, Stefanie

  2. Wie schön zu lesen, ich fühle mit: Wenngleich ich seit vielen Jahren südlich von HH lebe, ist die Kunsthalle mein Ur-Museum, Kindheitsmuseum oder wie auch immer Du es nennen magst, und die alten Bekannten sind immer wieder eine Wonne. Nach Deinem Artikel weiß ich jetzt, dass ich wieder hinmuss – auf dass meine alten Bekannten irgendwann auch die alten Bekannten meiner nicht-hanseatischen Töchter werden.
    Liebe Grüße,
    Maria

    • Liebe Maria,

      Hanseatentum ist ja auch mehr eine Geisteshaltung als eine Frage des Lebensmittelpunkts.
      Danke für Deinen Kommentar und liebe Grüße zurück, Stefanie

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