Als wir zu bloggen begannen, glaubte ich noch, Ausflüge aufs Land würden generell in einem Landgasthof enden. Solche, über die man nach einem ausgedehnten Spaziergang ganz zufällig stolpert und wo einfaches, ehrliches, sauleckeres Essen serviert wird. Im besten Fall wären die Holztische mit rotkarierten Tüchern eingedeckt, dachte ich, es würde nach Rotkohl duften und ein Bullerjan-Ofen sorgte für heimelige Wärme. Aber das war – bis vergangenen Sonnabend – nur eine Phantasie.
In Wahrheit ist es nämlich so: überlässt man in Norddeutschland die Restaurantwahl dem Zufall, gerät man in der Regel in Touristenfallen und/oder pesthässliche Etablissements im 90er-Look und/ oder isst erstaunlich schlecht. Im Norden muss man einfach wissen, wo es gut ist. Besonders in Schleswig-Holstein. Und vor allem in Dithmarschen. Sonst fährt man an dem grünweißen Gebäude in Gudendorf vielleicht vorbei. Nur wenn man langsam genug ist, um die üppige, liebevolle Dekoration am Eingang der ehemaligen Eierverpackungsfabrik wahrzunehmen, erkennt man schon von Außen dass der Dithmarscher Gänsemarkt ein kleines Schmuckstück ist.
Gegessen wird um 12.00: der Dithmarscher Gänsemarkt
Wenn Hamburger um die Güte einer Lokalität wissen, wissen es die Dithmarscher natürlich schon lange. Eine Reservierung ist daher in jedem Fall angebracht. Ein typisches Telefonat liefe so, erzählt Stefan Anders, der den Familienbetrieb gemeinsam mit seiner Frau in vierter Generation führt:
„Gifft dat middachs noch´n Tisch?“
„Wann würden Sie denn gern kommen?“
„Naja, middachs, nech.“
Also, dann um 12.00 weiß Herr Anders. In Dithmarschen tickt man eben noch richtig. Und das ist für alle anderen natürlich super. Denn wer nicht aus Dithmarschen kommt und unter 90 Jahre alt ist, isst ja sowieso nicht um 12.00 Uhr, braucht also auch keinen Tisch zur Hightime.
Da kann man also schön ausschlafen, entspannt nach Dithmarschen eiern, eine Reservierung für 14.00 Uhr vornehmen und dann erst einmal einen ausgedehnten Spaziergang antreten, irgendwo am Deich, wo die Dithmarscher Gänse aufwachsen.
Dithmarscher Gänse werden nicht in Massen gehalten, sondern quasi als Kostgänger auf den umliegenden Bauernhöfen einquartiert. Lohnaufzucht nennt man so etwas. Und wer sich Gedanken um die Tiere macht, kann sich auf den Seiten des Dithmarscher Gänsemarktes über die Haltung informieren: https://www.gänsemarkt.de/unsere-marke/nachhaltigkeit-tierschutz; etwas, das so gut wie kein Bratwurststand auf den Weihnachtsmärkten bietet.
Es lohnt sich also, einen Ausflug nach Gudendorf zu machen. Das liegt im südlichen Dithmarschen, keine Stunde von Hamburg entfernt. Es ist eine ziemlich entlegene Gegend, umspielt von Nord-Ostsee-Kanal, Elbe und Nordsee und für mich persönlich die schnellste Art, vollkommen zu entstressen. Hier gibt es nämlich so gut wie gar nichts. Davon jedoch jede Menge.
Tagesausflug nach Dithmarschen: must-see Trischendamm
Wenn man sich auskennt im südlichen Dithmarschen, ist es eigentlich egal, wo man spazieren geht. Man hat dann ja alles, was Dithmarschen ausmacht, im Kopf und im Herzen und lässt sich mit diesen Bildern einfach in die weite, einsame Leere hineinfallen. Als Neuling muss man Dithmarschen erst einmal lieben lernen (jedenfalls ging es mir so) – und dafür eignet sich am allerbesten der Trischendamm. Den muss man sowieso mal gesehen – ach was, erlebt – haben. Warum steht hier. Und falls hier jemand mitliest, der sich vor Weihnachten noch einmal erden möchte: ab nach Friedrichskoog Spitze. Es ist nicht weit vom Gänsemarkt; etwa 20 km.
Genauso pünktlich wie die Dithmarscher ihr Mittagessen einnehmen, gehen sie auch wieder ihrer Wege. Um 14.00 Uhr wird es ruhig im Gänsemarkt. Aber es duftet noch immer intensiv nach Rotkohl und während die Auswärtigen jetzt in aller Seelenruhe speisen, trudeln die ersten Dithmarscher Kaffeegäste ein. Eine persönliche Beobachtung: Während zum Mittagessen viele größere Gruppen und Mehrgenerationen-Familien kommen, ist die Kaffeezeit eine typische Angelegenheit unter Freundinnen. Was sicherlich auch an Frau Anders Gespür für hygge liegt.
Frau Anders Deko-Laden, die Daunenstube, erinnert an ein begehbares dänischen Interieur-Magazin. Und selbst ich – als konsumuntüchtige Person – habe mich in einiges verliebt. U.a. in die Betten-Manufaktur. Die EU-Ökoprüfstelle hat Kissen und Decken der Familie Anders mit dem Bio-Siegel versehen; d.h. sie bestehen zu 100% aus Biodaunen, Biofedern und Biobaumwolle.
Apropos Schlafen, hygge und Dänen. Der Dithmarscher Gänsemarkt ist ein echtes Smuttur. Wer hätte das denn gedacht? Wer hätte überhaupt gedacht, dass es ein Smuttur gibt! Aber so ist es. Die Deutsche Zentrale für Tourismus betreibt im Auftrag der Bundesregierung sogar eine offizielle Smuttur-Seite. Und eben dort wird der Gänsemarkt als „hyggeliger udflug“ angepiesen – in dänisch. Smuttur nennen die Dänen nämlich ihre Kurztrips, die sie offenbar gern und häufig unternehmen.
Hyggeliger Udflug: ein Smuttur in Dithmarschen
Ich stehe ja total auf Smutturs. Im Grunde könnte man diesen Blog einen Smuttur-Blog nennen. Darum schnell noch mal zwei weitere Tipps, falls Ihr Lust habt, einen Kurztrip ins südliche Dithmarschen zu unternehmen.
Übernachten: im Burger Fährhaus habe ich mich mal wie in einem Gedicht von Mathias Claudius gefühlt. Es liegt direkt am Nord-Ostsee-Kanal. Und wenn Ihr schon mal da seid, unternehmt bloß einen kleinen Spaziergang in den Luftkurort selbst, um im Lütten Café einzukehren. Mehr darüber findet Ihr bei Wera von Kultur und Kunst.
Erleben: Wenn Euch der bereits erwähnte Trischendamm gefällt, dann werdet Ihr sicher auch Helmsand lieben. Die ehemalig Hallig ist nur ein Highlight in der unbedingt sehenswerten Meldorfer Bucht. Wobei ich jetzt ins Grübeln komme. Denn eigentlich ist es dort zwischen April und Oktober schöner. Also, verschiebenen wir dieses Smuttur lieber auf den Frühling oder Herbst oder im allerbesten Fall auf einen knallheißen Hochsommertag.
In dunklen Wintertagen eignet sich das Smuttur-Mutterland besser. (Anscheinend kann ich mich ja gar nicht wieder einkriegen, ein neues Wort gelernt zu haben). Und ich finde es irgendwie strange, dass Dänen ein eigenes Wort für Kurtzrip kennen, aber selbst gar nicht so richtig darauf vorbereitet sind. Es ist nämlich gar nicht so leicht, in Dänemark eine gute Unterkunft für ein, zwei, drei Nächte zu finden. Die wunderschönen, alte Badehotels sind ganz schön hochpreisig, die bezahlbaren Hotels oft furchtbar deprimiernd. Und Ferienhäuser – die klassische Variante des DK-Urlaubs – kosten in der Regel für ein Wochenende genauso viel wie für eine ganze Woche.
Wobei ich überhaupt nichts gegen eine ganze Woche in einem dänischen Ferienhaus gesagt haben möchte. Ganz im Gegenteil. Und weil das so ist, machen wir uns morgen auf den Weg und melden uns – so das W-Lan will – nächstes Mal aus dem vorweihnachtlichen Dänemark. Bis dahin: einen schönen dritten Advent.
Ich wünsche Euch eine tolle Zeit in Dänemark. Dieses Jahr ist es seit langem, dass wir mal nicht Weihnachten dort sind.Leider 🙁 Wo geht es dort hin? Ich hoffe, es verpessten nicht zuviele der Holzkamine die herrliche Luft.
Ach ja, die Gänse, ich finde sie einfach zu toll, um sie zu essen. Obwohl sie wirklich gut schmecken. Aber da gibt es so eine tolle Weihnachstgeschichte um die Gans Auguste, die auch gegessen werden sollte. Man hat sie sogar schon gerupft. Aber dann, anstatt sie zu schlachten, einen Pullover gestrickt…..
Vielen Dank Kai – das Gute an Flensburg ist ja: wenn Eure Sehnsucht zu groß wird, geht Ihr eben einfach rüber nach Dänemark 🙂
Liebe Stefanie, da hätten wir uns ja fast schon wieder fast getroffen. Denn ich war auf meinem Weg nach Bullerbü auch noch kurz in Gudendorf, unser Weihnachtessen besorgen. Der Gänsemarkt dort ist wirklich einmalig und ich verliebe mich jedes Jahr in die zwei Schreihälse im Eingang. Die machen es richtig, Besucher belustigen ist viel schlauer als als Weihnachtsbraten zu enden… Ich wünsch Dir eine entspannte Zeit in Dänemark. Wenn alles klappt, werde ich im Januar eine dänische Auszeit nehmen. Liebe Grüße, Ulrike
Danke, Ulrike – ich freu mich schon total. Und drücke die Daumen, dass es bei Dir im Januar klappt.
Wie immer ein sehr schön geschriebener Beitrag. Zu den Links möchte ich anmerken , das es für mich als Hard Core Tierschützer und sich vegan ernährenden Menschen, immer zynisch klingt, wenn Bauern den Begriff „ Tierschutz „ verwenden . Letztlich haben diese Leute keinerlei Skrupel, ihren Tieren den Hals umzudrehen , oder sie sonst wie zu töten. Vermutlich wird dieser Kommentar nicht angenommen werden. Schreiben wollte ich es gleichwohl.
Ja, das Wort „alle“ in dem Satz „Wir verstehen Nachhaltigkeit und Tierschutz als gesellschaftliche Verantwortung damit wir auch zukünftig alle ein gutes Leben führen können“ bezieht sich eindeutig nur auf die Menschen, die Tiere halten, und auf die, die sie essen, nicht aber auf die Tiere, die ja künftig gerade kein gutes Leben führen, sondern gegessen werden.
Gänse könn(t)en nämlich 35-40 Jahre alt werden,
http://www.vegetarische-initiative.de/lebenserwartung_der_tiere.htm
werden aber i.d.R. schon im Alter von nur wenigen Monaten geschlachtet:
http://www.tagesspiegel.de/verbraucher/enten-und-gaense-23-wochen-dann-ist-schluss/5947104.html
Die Anschauung dieser selbsternannten Tierfreunde ist keine Ausnahme; die Verblendung ist gerade unter Ökos beliebt, die gern andere belehren, aber nicht auf ihr Steak und ihr Hähnchen verzichten wollen.
https://textundsinn.wordpress.com/2017/11/18/bruderhahn/
Doch, doch Rolf, klar, wird das freigeschaltet. Ich finde unterschiedliche Meinungen gut. Danke also für Deinen Beitrag. Und liebe Grüße.
Ditjhmarschen ist ja so garnicht meine Gegend – aber als ich den ersten Absatz Deines Berichtes las, da seufzte ich innerlich „OHJA!!“
Als ich Ende der 80er hierher (nach Angeln) zog, war’s allerdings noch schlimmer – inzwischen kann man wenigstens an sehr vielen Stellen lecker Torte kriegen. Und man kann im Sommer draußen sitzen. Daß man das wollen könnte, war dem gemeinen angeliter Gastwirt damals völlig unbekannt. Und wenn man weiß wo, dann kann man auch gut essen. Wenn auch immer wieder an denselben Stellen, sehr viel Auswahl gibts hier nach wie vor nicht….
*SEUFZ*
Also, falls Du mal hier in die Gegend kommst und Tipps für gutes Essen brauchst, darfst Du Dich gern vertruaensvoll an mich wenden 😉
Herzlichen Dank, Fjonka (ich bin übrigens in Angeln geboren, in mindestens vierter Generation – also ich weiß, wovon Du sprichst 🙂
Oh! Na, dann wirst Du genug Tippgeber haben *g*
Tippgeber kann man ja nie genug haben!
Ich wünsche euch eine schöne Zeit in Dänemark mit viel Entspannung und Gemütlichkeit und bestimmt bekommen wir von dort wieder ein paar schöne Bilder mitgebracht 😉 <3
Ein toller Blogbeitrag!
Und herzlichen Dank für die Erwähnung!
Ich wünsche eine schöne Weihnachtszeit.
Liebe Grüße
Wera
Oh, Ihr fahrt nach Dänemark, das ist ja prima! ♥️??Wir fahren über die Feiertage nach Kopenhagen und besuchen Thues Familie, aber das ist ja ein ganz anderer Schnack, als es sich für ein paar Tage in einem Ferienhaus hyggelig zu machen. Du hast absolut recht mit Deinem Statement zu den dänischen Hotels und die Preise für die Ferienhäuser, der größte Schocker ist am Ende dann immer die Abrechnung der Strom- und Heizkosten – Wucher ist gar kein Ausdruck. ? Tja, sogar in meinem Lieblingsland ist eben nicht alles perfekt. Und trotzdem fährt man immer wieder gerne hin. ?
Macht es Euch schön! ???
Liebe Grüße, Martina