Mein erster Frühlingsspaziergang in diesem Jahr fiel kurz aus. Zum einen weil ich noch am Tag zuvor (und am Tag davor und am Tag davor und am Tag davor) mit einer lästigen Erkältung auf der Nase gelegen hatte. Und zum anderen hatte ich nur einen sehr kleinen See zur Verfügung.
Also ging ich ausgesprochen langsam. Eigentlich blieb ich mehr stehen, als dass ich ging. Blickte über den – zwar nur kleinen, aber perfekten See, mit seinem rundherum baumbestandenen Ufer. Hörte Vögel zwitschern. Atmete tief durch die Nase ein. Diese Sachen.
Der Himmel war von einem diffusen Mittelblau. Die Luft sanft. Ich fühlte mich leicht in meiner offenen Jacke und ohne fetten Strickpullunder. In einem Land ohne Jahreszeiten wäre ich verloren.
Frühlingsspaziergang: Es läuft der Frühlingswind durch kahle Alleen, seltsame Dinge sind in seinem Wehen (Hugo von Hofmannsthal)
Der Frühling stößt mich mit der Nase darauf, worum es im Leben wirklich geht. (Es ist nicht so, dass ich das nicht sowieso wüßte. Aber eben doch so, dass ich die Erkenntnis jeden Frühling wieder als überwältigend empfinde).
Wohl wissend, dass die beiden Schmetterlinge, die mir da über den Weg torkelten, längst keinen verlässlichen Frühling bedeuteten, schickte ich den Winter (der gar nicht besonders hart gewesen, mir aber auf den letzten Metern doch noch lang geworden war) ins Imperfekt.
Gleich darauf hatte ich den kleinen See bereits umrundet und stand wieder vor der Bokel-Mühle. Im Pavillon dekorierten einige junge Frauen die eingedeckten Tische mit Frühlingssträußen und -gestecken. Eine Hochzeit, vermutete ich.
Ich hätte weiter laufen mögen. Querfeldein. Oder V mit einem Weißwein überraschen. Ich ahnte, dass er oben auf dem Balkon mit dem schmiedeisernen Geländer saß, die Nachmittagssone im Gesicht. Und ich wäre auch gern gleich noch einmal um den See spaziert, der schon wieder ganz anders aussah als noch 20 min zuvor. Denn das ist es ja, was man auf dem ersten Frühlingsspaziergang spürt: Das Leben besteht nun nicht mehr bloß aus Hell & Dunkel. Sondern aus eintausend erstrebenswerten Optionen, Nuancen und Facetten.
Ich entschied mich für den Weißwein.
Danke, dass Du uns mitnimmst auf Deinem Frühlingsspaziergang um den Bokeler See.
SCHÖN! Weiter gute Besserung und Ostfrieslandgrüße,
Margot
Schön und sehr persönlich.
Ein stimmungsvoller Bericht und die Entscheidung pro Weißwein war hoffentlich richtig. 😉
Gute Besserung weiterhin!
Fred
Vielen Dank der Nachfrage – ich traf schon schlechtere Entscheidungen 🙂
Wunderwunderschön!
Sooo schön geschrieben und bebildert. You made my Sunday! ?
Liebe Frühlingsgrüße, Martina
Ach ja, endlich Frühling… jede Blume, jedes kleine, frische Blattchen, jeder Vogelgesang wieder ein Geschenk…
Liebe Alle, vielen Dank für Eure Kommentare. Da freut sich Verfasserin und Fotograf 🙂
Poetischer Text … schöne Bilder…!