Am Wochenende waren wir eingeladen, Hamburgs Ewigkeits-Baustelle zu besuchen. Und was soll ich sagen? Dieses Gebäude ist ein gewaltiges Kunstwerk – bis in die kleinste Schraube. Zudem ist es doch so: Treibt die Kunst einen in den Ruin, befindet man sich jedenfalls in guter Gesellschaft. Das scheint mir immer noch besser als wegen eines Flughafens oder eines Bahnhofs zugrunde zu gehen. (Fast) genug gejammert also, gemeckert und gehöhnt. Ab sofort freuen wir uns auf die Elbphilharmonie.
Das Herz der Elbphilharmonie ist der große Konzertsaal. 2.100 Menschen werden auf den geschwungen Rängen Platz finden. Ich fasse mal die sehr fachkundige Erklärung mit meinen laienhaften Worten zusammen: Der Konzertsaal ist eine dreistöckige, schalldichte, freischwebende Betonkugel, steiler als das Volksparkstaion, die mit Gummibändern an der Decke befestigt ist. Es ist nicht zu fassen.
Allein der trichterförmige Reflektor wiegt 50 Tonnen. Er verhindert Echos in dem überdimensionalen Raum und ist genau wie die Decke mit der „weißen Haut“ verkleidet. Sie sorgt für ein optimales Klangerlebnis von jedem Platz. Wie Milliarden kleiner Wellen wirkt sie. Wobei kein Milimeter dem Zufall überlassen ist.
Das kniffligste Puzzle der Welt
Die „weiße Haut“ besteht aus 10.000 Gipsplatten, von der keine der anderen gleicht. So was kann sich nur ein Japaner ausdenken. Der Akustiker Yashuhisa Toyota hat die Oberflächenstruktur der weißen Haut genau berechnet. Die größte Herausforderung besteht noch nicht einmal darin, die Platten richtig zusammenzufügen. Unter der Haut liegt ein Nervengeflecht von Stahlträgern, das sich der Haut exakt anpassen muss, damit sich die Gipsplatten milimetergenau aneinander schmiegen. Nix von der Stange also.
Und dann wäre da natürlich auch noch die Technik. Also Bühnentechnik, Beleuchtung, Belüftung, Sprinkleranlange, um nur mal einige Dinge zu nenen, für die hier Kabel gezogen werden. Auf dem Foto sieht man einen winzigen Ausschnitt des Gewirrs.
Wo wir flanieren werden
Gar nicht mehr lange und dann gehört sie der Allgemeinheit: Die Plaza im 10. Stock. Netterweise haben die Bauarbeiter Gucklöcher in die Knallerbsenfolie geschnitten.
Bisschen seltsam wirkt in all dem Durcheinander das Hotel – es ist schon fix und fertig.
(Übrigens ich glaube nur, dass sich die Plaza im 10. Stock befindet – kann das aber aufgrund der organischen Bausweise gar nicht 100%ig sagen. Die Etagen fließen irgendwie ineinander.) Jedenfalls ist die Außengaliere da, wo der Rotklinker endet. Angeblich wird sie rund um die Uhr geöffnet sein.
Fotofluten wären damit schon mal garantiert.
Wo wir nicht wohnen werden
In der 23., 24. oder 25. Etage (ich habe längst den Überblick verloren) befinden sich die größten und teuersten der knapp 50 Wohnungen in der Elbphilharmonie. Hier oben liegt der Phantasie-Kaufpreis bei 35.000 Euro pro Quadratmter.
Das läppert sich, falls man eine 380 qm große Wohnung kaufen möchte.
Vermutlich zuckt der spätere Eigentümer mit den Schulter und sagt: „13 Millionen; was soll´s? Das habe ich schon wieder drin, weil ich keinen Gerhard Richter für die Schlafzimmerwand benötige.“
Die Frage ist nur: Wird er (oder sie) den Ausblick so schätzen, wie ganz normale Hamburger es tun?
Ich will keine Neiddebatte lostreten. Aber bedeutet es den potentiellen Käufern überhaupt etwas, wenn sie nach vorn raus auf die Elbe schauen und nach hinten auf die Alster? Vermutlich nicht. Wohnungen dieser Preisklasse werden selten bewohnt. Sie werden gehandelt und gesammelt wie Kunstwerke.
Die 24. Etage stell ich mir später ungefähr so vor wie den Fernsehturm: Öde und verwaist. Der russische Oligarch kommt alle 2 Jahre, wenn sein Schiff in die Werkstatt muss. Der dänische Reeder von nebenan ist auch nur zur Aktionärsversammlung da. Und den Großindustriellen aus China hat noch keiner jemals gesehen.
Hätte man nicht wenigstens eine Wohnung für die Öffentlichkeit herrichten können? Ich meine, 13 Mio sind realtiv viel für eine Wohnung – aber eigentlich ziemlich wenig für einen Ort, der den Bürgern einer Stadt etwas bedeutet. (Die Summe entspricht in etwa den Kosten für 5 km Radweg; das weiß ich seit Eröffnung der Oberhafenconnection). Für den Spottpreis würde ich den besten Blick der Stadt nicht verscherbeln.
Aber mich fragt ja mal wieder keiner. Schade eigentlich. Denn ich hätte den sachverständigen Entscheidern aus Politik und Wirtschaft gleich sagen können, dass die gewaltige, besondere, wirklich fazsinierende Elphilharmonie nicht für 70 Mio zu bauen ist. Jedes Kind hätte das gewusst.
Doch ich wollte nicht mehr meckern. Denn ehrlich, ich bin schwer beeindruckt von der Elbphilharmonie und den neuen Ausblicken auf unsere Stadt. Und seis auch nur aus dem 10. Stock.
Wow! Das ist wirklich sehr beeindruckend! Wenn ich die 13 Mio. locker hätte… ich würde vermutlich so ein paar Besuchertage einrichten. Der Ausblick ist phänomenal! Das wird unser Berliner BER nie zu bieten haben… falls er denn je fertig wird 😉
Ich bin begeistert von der Architektur! Dieses Gipsplatten-Puzzle! Spektakulär! Vielen Dank für diese Einblicke!
Dafür bekommt Ihr ein weiteres Schloß. Das finde ich auch nicht schlecht.
Eine Wohnung in den obersten Etagen, das hätte schon was… wie gut, dass wir uns darüber keine Sorgen machen müssen:-).
Es bleibt weiterhin spannend…unsere ewige Baustelle:-)!! Tolle und spannende Fotos, da bleibt zu hoffen, dass es irgendwann einmal richtig grandios wird und die Hoffnung stirbt ja bekanntlich zum Schluss. Liebe Grüße
Die Sorgen bleiben uns erspart. Da haben wir echt Schwein. 🙂
Ich bin eigentlich nie neidisch, aber um diesen Rundgang beneide ich dich doch ein wenig! 😉
Aber da du uns alle ja daran teilhaben lässt, ist das klitzekleine bisschen Neid auch schon wieder verschwunden. 🙂
Danke für den tollen Bericht und die eindrucksvollen Fotos.
Liebe Grüße
Eva
Ja, es war wirklich ein total interessanter Baustellenbesuch. Wir haben uns auch sehr darüber gefreut. Angeblich können wir ja alle schon in einem guten Jahr die ersten Probekonzerte dort genießen. Man darf gespannt sein. Einen schönen Tag wünsche ich Dir, Stefanie
Oha, da habt ihr im Nachgang aber noch ordentlich recherchiert.
Sehr schöner Blog mit klasse Fotos!
Die Plaza befindet sich übrigens im 8.OG ;=)
Vielen Dank, Tom. So insgesamt und für alles. War echt toll.
Die Elbphilharmonie (oh Gott, das Wort habe ich noch nie geschrieben, das ist ja ein Buchstabengewurschtel…) war für mich bisher nur „die Baustelle des Grauens“. Aber euer Beitrag zeigt eine andere Seite. Das ist ja innen wunderschön, so filigran und zart.
Das erste Foto vom Konzertsaal erinnert mich irgendwie an Harry Potter Filme.
Das ist ja eine schöne Assoziation, Natalie. Ich habe übrigens sofort an den Herrn der Ringe gedacht. Dieses Labyrinth unter der Festung von Orthanc. Ganz liebe Grüße, Stefanie
Was für schöne Bilder! Ic bin ganz zufällig auf diese Seite gestoßen, aber eure Beitrage sind ja wirkich richtig, richtig gut. Es hat seinen Scharm, schießlich sind Arikel und Bider persönlich, und man kriegt jetzt nicht einfach nur Werbung für das nächste Hotel.
Großes Lob, ich werde den Blogg weiterempfehlen;).
Hier haben sich eine guter Fotograf, und eine gute Schreiberin anscheinend zusammen gesetzt!
Schöne Güße
Liebe Manon, vielen Dank für diesen besonders netten Kommentar. Wir hatten wirklich Glück mit der monstermäßig fachkundigen Führung durch die Elbphilharmonie. Und freuen uns sehr, dass Dir das Ergebnis gefällt. Ahoi, Stefanie & Volko
Hallo Stefanie, eine sehr schöne Erläuterung hast du für die Elphie geschrieben. Das weiß man als Außenstehender nicht und sieht bzw. hört nur die Kosten 🙂 Ob er oder sie das später wirklich zu schätzen weiß … keine Ahnung, aber mir würde eine Wohnung dort sehr gut gefallen ! Leider hapert es mit den 13 Mill. €. Du hast sehr schöne Fotos gemacht. Vielen Dank fürs zeigen. LG Iris
Ja, ja, die 13 Mio. Die fehlen mir auch immer wieder 🙂
[…] etwa einem Jahr begeisterte uns Tom für die Elbphilharmonie. Mittlerweile kommt kaum einer mehr rein, der dort nichts Wichtiges zu erledigen hat. Umso mehr […]
[…] Und geschliffen, gesägt und auch geschweißt wird mindestens in den sich noch im Bau befindlichen Wohnungen an der Nordspitze des Gebäudes noch eine ganze […]