Nach Kiel würde ich unheimlich gern mal mit einer Zeitmaschine reisen. Die nördlichste Großstadt Deutschlands muss früher total schön gewesen sein, wurde aber im zweiten Weltkrieg zu mehr als 80% zerstört. Beim Wiederaufbau verzichtete man nicht nur weitgehend auf die Rekonstruktion historischer Gebäude sondern riss dazu noch so einiges ab, was zu retten gewesen wäre. Weg mit dem alten Kram, sagte man sich. Kiel sollte modern werden.
Mag sein, es gelang. Mag sein, es gab Zeiten, in denen alle riefen: Oh, wie ist es nur herrlich modern dieses Kiel. Nur war es offenbar die Art von Modernität, die sich schnell abnutzte. Denn seit ich (über so etwas nach-) denken kann, galt Kiel den Meisten als uncharmant, wenn nicht sogar unsäglich. Mal abgesehen vom Bundespräsidenten Gustav Heinemann, der 1972 anlässlich der Olympiade in (ausgerechnet) Schilksee gesagt haben soll: So was Schönes habe ich noch nie gesehen.
Also, architektonisch hab ich durchaus schon Schöneres gesehen als Kiel (vor allem als Schilksee). Aber wen interessiert die Architektur, wenn sich eine Stadt um eine Förde zieht, an deren Ufern sich Strände mit Werften wechseln, Promenaden mit bewaldeten Steilküsten, Kaianlagen mit Yachthäfen. Und ich vermute, dass Kieler ziemlich glückliche Menschen sein müssen.
Kiels Fab Four: Förde, Fähre, Friedrichsort, Falckenstein
Aber weiß man´s? Unter jedem Dach, ein Ach, heißt es – ich hatte darüber bereits in einem Beitrag über Falkenstein spekuliert. Hamburg Falkenstein wohlgemerkt. Der Vergleich mit dem Falckensteiner Strand in Kiel bringt die Unterschiede zwischen der schönen Hansestadt und der rauen Landeshauptstadt von Schleswig-Holstein ganz gut auf den Punkt.
Was Kiel Hamburg voraus hat
Nichts gegen die Elbe. Aber die Kieler Förde ist natürlich was Anderes als ein Fluss. Was Besseres (wenn man das Meer liebt). Denn hier fühlt man sich beim Morgenspaziergang wie eine verwegene Windsbraut.
Richtung Stadt grenzt der Falckensteiner Strand an ein Militär-Irgendwas. Aber nordwärts könnte man – die offene Ostsee immer im Blick – bis nach Dänemark laufen. Oder auch nur nach Schilksee, falls man einen ähnlichen Geschmack hat wie Gustav Heinemann.
Was uns gut gefällt: Die Gastro am Falckensteiner Strand schmückt sich mit Überzeugung. Kein Ort für Neonazis – Kiel gegen Rechtsextremismus, Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus steht auf gelben Blechschildern, mit denen sich 500 Kieler Institutionen und Betriebe politisch grademachen.
Wer vor 10 oder 20 Jahren die Hamburger Strandperle liebte, sollte sich mal die Kieler Deichperle im alten Leuchtturmwärterhäuschen ansehen. Auch toll: der Elefant am Strand. Leider fahren die Fähren den Falckensteiner Strand nur in den Sommermonaten an.
Schwimmende Öffis: die Schlepp- und Fährgesellschaft Kiel
Im Winter steuern Seeleute die Haltestelle Friedrichsort an. Sie liegt am Skagerrakufer. Dort siehts in etwa so aus, wie ich mir das Vorkriegs-Kiel vorstelle: schön und rau und inspirierend. Nicht umsonst hat sich der Club of Rome am Skagerrakufer mit einer Schule niedergelassen.
Wäre ich Bürgermeister in Kiel, würde ich die ansässige Industrie zwingen, einen öffentlichen Weg durch ihre Anlagen anzulegen. Denn dann wäre man in 1 min am Falckensteiner Strand. Weil ich nicht Bürgermeister von Kiel bin, muss man 1,8 mittelschöne Kilometer außenrum latschen. Lohnt sich aber.
Keine Stadt im Land fühlt sich so nach Skandinavien an wie Kiel. Nicht auf die Bullerbü-Art versteht sich. Sondern mehr in Richtung nordic-noir. Und ich bin schon ein bisschen aufgeregt, wenn ich daran denke, dass wir in ein paar Wochen wieder nach Kiel kommen, um auf große Fahrt zu gehen. Seetüchtig bin ich nämlich eigentlich nicht. Aber was macht man nicht alles für einen Blick aufs Meer.
also der hirschfeldblick ist auch nicht schlecht … https://www.kiel.de/kultur/kulturspuren/KulturSpuren_Duesternbrook/Christian_C._L._Hirschfeld.php 😉
Wo ist der Smiley mit den Herzchenaugen, wenn man ihn mal braucht.
[…] 1a-Aussichten auf die See, das gegenseitige Ufer und Ozeanriesen. „Drüben“ liegt der Strand Falckenstein. Absolut auch einen Besuch […]
[…] 1a-Aussichten auf die See, das gegenseitige Ufer und Ozeanriesen. „Drüben“ liegt der Strand Falckenstein. Absolut auch einen Besuch […]
Nach deinen einleitenden Sätzen mit der Zeitreise ins historische Kiel musste ich sofort an eine kürzlich gezeigte Ausstellung im Kieler Stadtmuseum denken. Dort wurden Aufnahmen der Stadt aus dem späten 19. und frühen 20. Jahrhundert sowie ein alter Stadtplan aus früher Zeit ausgestellt. Du hast Recht – Kiel war eine richtige Perle! Da ist Kiel heutzutage optisch zwar nicht mehr, ich kenne dennoch niemanden, der es eilig hatte hier wegzuziehen. Überall in der Stadt findet man grüne Oasen (Schrevenpark, die botanischen Gärten), das Meer ist immer in der Nähe und sobald man die Stadt verlässt, ist man an Orten wo andere Urlaub machen.
Nur die grauen Winter können hier echt ans Gemüt gehen.
Anyway, ein schöner Artikel über Kiel!
Ja, mmh, der graue Winter… Aber der ist ja zum Glück nur noch 6 Monate lang 😉 Als Hamburger denkt man ja, die Kieler laufen bestimmt alle wie Wallander am Strand umher und sind auf eine melancholische Art doch irgendwie vergnügt. Liebe Grüße an die Förde, Stefanie
Liebe Stefanie,
ein ehrlicher Beitrag. Für mich ist Kiel Liebe auf den zweiten Blick. Da gibt es Stadtteile, die sind architektonisch ein Traum, sozial aber herunter gekommen, andere sind wieder begehrte Wohnviertel mit schonen Altstadtgebäuden. Ich selbst habe ich Friedrichsort eine Zeit gewohnt und mag diesen Ort- er ist ehrlich, hat wunderschöne Industriegebäude und eine dörfliche Struktur. Aber in der Innenstadt ist der Charme einer Hafenstadt verloren gegangen, da fast alle Industrie heraus getrieben wurde, Alles ist sauber, geradlinig und betoniert. Schade eigentlich. Ich mag die Mischung und ziehe immer wieder den Hut vor den Hausbesetzern in der Hafenstraße in Hamburg.
Kiel ist dabei, noch mehr zu zerstören, Hinterhöfe werden gnadenlos zugebaut, historische Gebäude abgerissen. eine der ältesten Gartenkolonien musste gegen erheblichem Widerstand für den aggressiven Möbelgiganten Höffner weichen, unser MP hat sich persönlich dafür stark gemacht. Das gleiche wie bei IKEA, die so gut wie keine Steuern an Kiel überweisen.
Kiel hat die Förde, sonst wäre Kiel ein Nichts. Bei allem, ich liebe Kiel und wenn wir mehrfach in der Woche die Förde entlang fahren, wir würden glatt wieder dicht heran ziehen.
So skandinavisch Kiel wirklich ist, würde ich sagen, Flensburg topt es noch.
Liebe Grüße
Kai
Hallo Kai, dass die Gentrifizierung auch Kiel erfasst hat, haben wir gesehen. Aber das scheint ja irgendwie alles noch sehr moderat, wenn man es mit Hamburger Augen betrachtet. Noch gar nicht so glattgebügelt, kommt uns Kiel vor. Interessant, dass Du Flensburg „skandinavischer“ findest. Wie Ulrike drei Kommentare weiter unten auch. Wahrscheinlich hat man einfach unterschiedliche Bilder von Skandinavien im Kopf. Ich finde Flensburg nämlich nur dänisch; also niedlich. Denke bei Skandinavien aber immer an raue Häfen und herrlich gottverlassene Gegenden. Freu mich immer über Deinen ausführlichen Gedanken. Danke; Stefanie
Ich weiß nicht, ob Kieler glückliche Menschen sind. In den Jahren, als ich dort lebte, gingen wir raus, sobald die Sonne schien. Das Wetter konnte sich jederzeit ändern. Mir scheint, du hast einen Blick für Orte…
Danke, Maren, freut mich. Dann grenze ich meine Meinung über das Glück der Kieler mal ein. Es gehört den Freiberuflern, Studenten und Hausleuten 😉
Und von Strande nach Bülk immer am Wasser entlang hat auch was und das sogar an
diesen grauen,nebligen Tagen.Die Zeit bleibt irgendwie stehen.Wie so oft:schöne Bilder-Anregungen.LG Erika
Aaaah, Du bist wieder zurück von der Sonnenseite des Lebens 😉 Schönes Wochenende, Erika und liebe Grüße (PS.: Kein Wunder, dass Kubicki ganz witzig ist, trotz FDP – hab ich gedacht, als ich in Strande war.)
Liebe Stephanie, Du machst mir Lust auf Kiel wobei auch ich eher zu den Leuten gehöre, die Kiel wenig abgewinnen können. Aber das ist eher nur so ein Gefühl, bei dem Ich wohl die Förde ausblende. Und was das Skandinavien-feeling angeht, muss ich Kai Recht geben. Das wird von Flensburg getoppt. Liebe Grüße, Ulrike
Moin Moin, Ulrike, dann warte, warte noch ein bisschen (im Sinne von: ein halbes Jahr). Dann fahren die Fähren wieder den vollen Fahrplan. Ich erinnere Dich rechtzeitig 🙂 Stefanie
Ich war eigentlich nur einmal in Kiel (auf ner Konferenz, wo ich von der Stadt nicht viel mitbekommen habe) und nein, wirklich schön fand ich’s nicht. Wirklich skandinavisch auch nicht. Aber allein schon die Tatsache, dass es Fährverbindungen nach Göteborg und Oslo gibt, macht aus Kiel irgendie eine kleine nordische Metropole 🙂 . Bin sehr gespannt, wohin ihr auf große Fahrt geht. Wir wollten eigentlich auch diesen November auf Kurztrip nach Göteborg, aber so wie es momentan aussieht, wird wohl doch nix draus.
[…] und zufrieden mit dem Fähranleger im Blick. Nähert sich die Fähre vom gegenüberliegenden Falckensteiner Strand, bleibt genügend Zeit, um zu zahlen und sich auf den Weg zu machen. Bis das Schiff anlegt, hat man […]
[…] Ab dem wunderbaren Schiffahrtsmuseum aber ist Wasserkante angesagt – der Hauptgrund, warum ich Kiel liebe. Und gegen eine zehminütige Schiffsreise auf dem Sonnedeck der Schwentinelinie ist auch nicht viel […]
[…] zu suchen, kann in Kiel eine stressige Sache sein. Mal mindestens sollte man Heikendorf, Laboe, Falckenstein und Strande in die engere Auswahl nehmen. Aber da wären ja auch noch so viele andere. Und wenn man […]
Der Beitrag ist ja schon etwas älter, ich bin gerade drüber gestolpert. Und ich habe bei jedem Satz genickt. Ich bin Kielerin, hier geboren und nie weggezogen. Glückliche Kielerin :). Sehr, sehr schön und ehrlich beschrieben, meine Heimatstadt und das, was sie ausmacht. Danke!
Danke für Deinen Kommentar, liebe Annette. Ich freue mich darüber (auch, dass Du meine Vermutung über die glücklichen Kieler bestätigtst.) Liebe Grüße von der Elbe an die Förde, Stefanie
[…] Inzwischen habe ich Kiel längst lieben gelernt. Und dass sich die Welt hier schon wieder fast ganz normal anfühlt, ist natürlich auch nichts Schlechtes. Sogar die ersten Berliner sind schon wieder da – und fragen mich nach dem Weg zum Fähranleger. […]