Zu den Sachen, die ich noch nie gemacht habe, gehörte bis Sonntag eine Radtour entlang der Elbchaussee. Wer sie nicht kennt: Es handelt sich um die ziemlich laute und hoffnungslos überfüllte Hauptverkehrsader von Altona nach Blankenese. Die Radfahrer teilen sich viel zu schmale Spazier/Radwege mit viel zu vielen Spaziergängern. Und meistens ist sowieso alles zugeparkt. Besonders an Sonntagen schieben sich Horden von Ausflüglern wie ein einziger Strom zum Elbstrand hinunter.
Es spricht also eine Menge dagegen, mit dem Fahrrad die Elbchaussee runter zu gurken. Andererseits auch eine Menge dafür. Zum Beispiel: 8,5 km Elbblick am Stück. Villen und Herrenhäuser in parkähnliche Gartenanlagen. Und nicht zu vergessen, dieses innerliche „Hach„, während man sich stromabwärts bewegt. Das Gefühl liegt irgendwo zwischen Heimweh und Fernweh. Und wer es kennt, ist – ganz unabhängig vom Geburtsort – Hamburger. Würde ich mal so sagen.
Wir wollen aber schön hanseatisch bleiben und jetzt nicht von der schönsten Chaussee der Welt sprechen. (Darüber könnte man ansatzweise mal an einem Wochenvormittag nachdenken. Wenn man das Ganze mehr für sich hat.) An einem strahlenden Novembersonntag bei 19,7 Grad muss man sich eher darauf konzentrieren, nicht über den Haufen gefahren zu werden. Aber ich will nicht meckern.
Immerhin hat der Sonntag einen entscheidenden Vorteil: Das „Le Canard“ ist geschlossen, so dass wir mit einem Ausblick von Othmarschens schönster Lindenterrasse starten können. (Nicht zu verwechseln mit der Lindenterrasse, die von Max Liebermann verewigt wurde. Die liegt noch 5 km entfernt und gehört zum Hotel Jakob in Nienstedten).
Ich glaube, so gut wie jeder Hamburger hat seine Lieblingsvillen an der Elbchaussee. Was mich betrifft, fühlen sie sich wie alte Bekannte an. Ich freue mich immer, wenn ich sie mal wieder sehe. Beispielsweise diese Villa direkt an der Himmelsleiter, bei der ich immer überlege: Ist das jetzt architektonisch geschickt gelöst? Oder geht das gar nicht?
Nur falls es irgendeinen Menschen auf der Welt gibt, der noch nicht da war: Die Himmelsleiter führt direkt zur Strandperle. Der improvisierte Charme des Strandlokals ist zwar längst flöten. Doch die Elbe bleibt ja. Und falls man zu Besuch in Hamburg ist, gehört ein Bier im Sand wohl irgendwie dazu.
Vermutlich weniger bekannt – aber für uns immer wieder faszinierend – ist das Haus K in O im Reemtsmapark. Die Villa gilt als aufwändigstes Privathaus der Weimarer Republik und gehört seit 2003 – wie eigentlich fast alles in Hamburg – der Familie Tchibo Herz.
Der Eingang zum Reemtsma-Park liegt in der Holztwiete, einer Seitenstraße der Elbchaussee. Direkt auf der anderen Straßenseite befindet sich das Pförtnerhäuschen des Jenisch-Parks (das in seiner Winzigkeit in etwa meinem Traumhaus entspricht. Mal angenommen, es läge an einem Ostseestrand.) Es befindet sich übrigens im Privatbesitz und wird bewohnt.
Ich könnte mir auch vorstellen, im Flottbeker Jenisch-Park zu wohnen. Er ist so herrlich englisch. 1785 ließ der Kaufmann und Sozialreformer Caspar Voght ihn nach dem Vorbild englischer Landschaftsarchitektur errichten. Nicht als Park übrigens – sondern als Mustergut. Heute steht er komplett unter Denkmalschutz. Traumhaft romantisch. Besonders im Herbst.
Alles im Park scheint sich auf das Jenisch-Haus zu beziehen. Ein Teil des ehemaligen Landsitzes ist mit dem Mobiliar seiner Entstehungszeit eingerichtet. Da kann man sich mal in das Leben eines Senators um 1830 hineindenken. (Es fühlt sich sehr angemessen an. Wirklich: man sollte mal auf den breiten Fensterbänken sitzen und sich im Blick vom Hohen Elbufer zur Bucht von Teufelsbrück verlieren.)
Es ist gar keine schlechte Idee, sich gleich ein Kombi-Ticket zu gönnen, um auch das ebenfalls im Park liegende Barlach-Haus zu besuchen. Zwar sind wir leider Skulptur-Banausen. Wir können uns selten über einen längeren Zeitraum für Skulpturen begeistern. Aber im Ernst-Barlach-Haus ist´s echt 1a kuratiert, so dass selbst ich erreicht werde. Und die Sonderausstellungen sind meiner Erfahrung nach eh (in beiden Häusern) immer vom Feinsten.
Heute müssen wir aber leider draußen bleiben. Das Tageslicht im November ist begrenzt. Die Schatten werden schon länger. Bis mindestens Februar muss man soviel Helligkeit greifen, wie es nur irgend geht. Also schnell die Wiese herunter nach Teufelsbrück zu meinem aller-aller-allerliebsten Lieblingshaus. Wo Nienstedten beginnt, steht die Villa mit dem schwarzen Panther. Sie wurde 1890 im Stil des Historismus erbaut. Und ich will sie ja gar nicht ganz. Nur irgendein kleines Turmzimmer.
Man kann den Panther rechts unten im Bild gar nicht so richtig erkennen. Das macht aber nichts, weil es sowieso nicht der Original-Panther ist. Das Original des Tierbildhauers Ruwoldt befindet sich mittlerweile in Privatbesitz. Es gibt aber noch einen zweiten Abguss. Er steht bei Planten & Blomen, so dass ich ihn öfter mal sehe.
Themenwechsel: Derzeit kommt schon gegen 16.45 Uhr Abendstimmung auf, insoweit dass das Licht noch goldener wird. Und dann – das haben wir an der Elbchaussee mal wieder so richtig gemerkt – müssen wir einfach ans Wasser. Zurück haben wir also den Elberadweg genommen. Der völlig überfüllt und gräßlich war. Und großartig.
Kurz vor Övelgönne muss man dann sogar absteigen und schieben. Aber zwischen den Kapitänshäuschen auf der linken und den Vorgärten auf der rechten Seite des Weges mag man ja sowieso am liebsten ganz, ganz langsam gehen. (Immer wenn mir klar wird, dass ich nie, nie, nie hier wohnen werde, rufe ich mir einen Zettel in Erinnerung, der mal eine zeitlang in einem Fenster lag. Darauf stand: „Die Elbe ist auf der anderen Seite“. Dann bin ich getröstet. In meine Wohnung kann jedenfalls niemand reinschauen.)
Bei allem was vielleicht auch nicht perfekt ist in Hamburg – oder langweilig. Wir haben schon echt Schwein – die Stadt ist wirklich wunderschön. Dass wir nun ausgerechnet auch noch das Bundesland mit dem besten Wetter sind, scheint mir manchmal fast zu viel des Glücks. Aber es ist so. Hamburg ist Wetter-Meister 2014. Ich las es neulich in der Süddeutschen. Und da fällt mir ein, dass ich nächste Woche nach München muss. Dann werde ich – vielleicht einen Tick von oben herab – sagen: „München ist ja auch eine sehr schöne Stadt. Aber Euer Wetter wäre mir ein bisschen zu mies.“
Hach. HACH!! Danke für ein Lächeln an einem grauen Rhein-Main-Morgen!
Lg Merle
Sie bringe ich ja am liebsten zum Lächeln, Frau Masulzke.
Fein.:-)
Heute schreibe ich mal nicht, dass ich das noch nicht kenne.
Denn ich habe diesen Ausflug neulich zu Fuß gemacht (bis in die Innenstadt rein …..am Schluss konnte ich kaum noch laufen ;-)) und habe ganz viele fast identische Fotos zu euren. 🙂 (leider hatte ich noch keine Zeit zum aufarbeiten und in den Blog stellen)
Am Strandabschnitt gab es in der letzten Oktoberhälfte sogar noch FKK-Anhänger – so schön war das Wetter da auch.
Vergangenen Sonnabend war ich nochmals dort….allerdings nur auf einem kurzen Stück zu Fuß und es war wahrlich zu voll.
Mit dem Fahrrad sind wir die Tour auch schon gefahren = wunderschön!
Was das herrliche Haus mit dem Panther anbelangt, da bin ich auch ganz bei dir. 🙂
Also, ehrlich gesagt, das Wetter könnte noch viel, viel, viel schöner sein und ich fände den Elbstrand dennoch nicht ideal für FKK. Aber jeder wie er mag, nä?!
wir sind uns wieder einig = ich fand es auch unmöglich, zumal es Leute im recht gehobenen Alter waren.
Aber manche brauchen es wohl oder merken gar nichts mehr 😉
[…] die einzige, für die Liebermanns Bild und die reale Linderterrasse miteinander verwoben sind. Beim Elbspaziergang denkt man ganz automatisch an das Bild. Beim Betrachten des Bildes an den Elbspaziergang. Und […]
[…] Jenisch-Park ist perfekt in jeder Hinsicht. Das Wichtigste: An- und Abreise in den englischen Landschaftsgarten […]
[…] Oben: Die Elbchaussee. (Der Herbst steht ihr sehr gut). […]