Sonntags in Malente, einem kleinen Kurort gelegen zwischen Kellersee und Dieksee. Es hat sich nichts verändert, seit unserem letzten Besuch vor zwei Jahren. Genau genommen scheint sich seit 50, 60 Jahren nichts zu verändern. Einerseits ist uns das schleierhaft. Andererseits gerade Recht. Malente wirkt ein wenig müde, aus der Zeit gefallen, einen Tick zu leer. Und eben das löst eine bestimmte Unbeschwertheit in uns aus. So als wäre die echte, die ernste Welt weit weg. Alles ist sanft. Selbst der Landregen.
11.00 Uhr: Holsteiner Schinken statt Hamburger Brunch
Im Räucherofen vor Petersens Schlachterei in der Bahnhofsstraße räuchert irgendwas extrem Leckeres vor sich hin. Gut, dass wir uns heute das Frühstück geschenkt haben. Jeder Ausflug, der was auf sich hält, beginnt mit einer landestypischen Speise. In Petersens historischer Kate baumeln die berühmten Holsteiner Schinken zu Hunderten unter der Balkendecke.
Das Brot zum Schinken wird in einem historischen Ofen gebacken; beheizt mit Buchenholz. Seit 100 Jahren stehen die Petersens für Katenrauchspezialitäten und „Eingewecktem nach Oma Ernas Rezepten.“ Alles selbstgemacht, alles aus der Region, versteht sich.
12.30 Uhr Die Holsteinische Schweiz: Überblick
Vor 10.000 Jahren schoben Gletscher aus Skandinavien tonnenschwere Eismassen in den Osten Schleswig-Holsteins. Die Kräfte des Eises zermalmten Felsbrocken, stapelten Gesteinsbrocken zu hohen Kuppen und gruben tiefe Senken. So entstand die Holsteinische Schweiz, eine hügelige Landschaft mit mehr als 200 Seen; schön wie das Auenland.
Kaum sind wir zurück beim Auto, fegt der Wind die Wolken davon. Das ist eine Art kosmisches Gesetz in Norddeutschland. Man sollte es nicht bedauern, sondern sich wie die Einheimischen über die feuchten, smaragdgrünen Weiden freuen…
…und den Blick vom Seeufer auf den Holzbergturm genießen.
14.00 Uhr Uhr: Einchecken im Fährhaus
Das Fährhaus Niederkleveez liegt direkt am Dieksee; einen Waldspaziergang von Malente entfernt. Die Zimmer sind nicht wirklich der Rede wert. Der Aufpreis für den Seeblick in unserem Fall nur bedingt berechtigt, weil minimal. Aber die Lage ist ein Kracher.
Im Garten warten Sonnenliegen, Strandkörbe, ein Pavillon für Regen oder Hitze, Bootsstege und sogar ein kleiner Sandstrand. Durch Rosenhecken kann man sich zum Diekseefischer Johannes Schmidt durchschlängeln.
Das Fährhaus Niederkleveez ist bekannt für wunderbaren Kuchen. (Hat man allerdings ein Schinkenbrot bei Petersen gegessen, geht höchstens ein Kaffee.) Nähert sich ein Ausflugsschiff der weißen Flotte, bleibt genügend Zeit, um die Rechnung zu begleichen und entspannt zum Anleger zu schlendern.
15.30 Uhr: Ein echter Klassiker – die 5-Seen-Fahrt
2 Stunden taucht man in die höchst unterschiedlichen Wasserwelten von Dieksee, Langensee, Behlersee, Höftsee und Edebergsee ein. Vom Sonnendeck träumt man sich an jedes Ufer, vor jedes Badehäuschen, auf jede Insel. Wir konkretisieren das demnächst noch mal in aller Ausführlichkeit.
18.00 Uhr: Vom Suchen und Finden
Sommerabende haben ja die Eigenschaft, längst Vergangenes in uns anzuticken. Leichter als ein gutes Abendessen findet man in und um Malente das Gefühl von großen Ferien und andere Kindheitsträume.
Schon als kleiner Junge interessierte sich Volko für die Sportschule Malente. Er verortete sie irgendwo zwischen Mallorca und Marbella. Erstens aus auditiven Gründen und zweitens schien es logisch, dass die Nationalmannschaft ihr Trainingslager in Spanien absolviert. Der Geist von Malente wirkt bis heute (besonders bei meinem Freund – und ganz besonders auf sein Humorzentrum). Sogar Beckmanns EM-Sendung (und ganz besonders Tim Wiese) findet er (als Einziger auf der Welt) urkomisch. Und dass man durch den Uwe Seeler Park streunern darf… einfach großartig.
Vom Uwe-Seeler-Park hat man einen tollen Blick auf den zweiten See Malentes; den Kellersee. Dort liegt der Immenhof von Dick & Dalli. Jochens Reiterparadies, das Dodauer Forsthaus, findet sich – nahezu unverändert – nur einige Alleen entfernt.
Die große Attraktion im Dodauer Forst ist die Bräutigamseiche. Sie funktioniert in etwa wie Tinder. Bloß nicht so brutal. Seit 1927 senden Beziehungswillige ihre Kontaktgesuche zur Bräutigamseiche. Der Postbote deponiert sie in einem Astloch. Oder man kommt persönlich vorbei. Das Postgeheimnis gilt hier nicht. Jeder darf die Briefe lesen und/oder mitnehmen. Über 100 Ehen hat die Bräutigamseiche schon auf dem Kerbholz. Anschrift: Bräutigamseiche, Dodauer Forst, 23701 Eutin.
21.00 Uhr: Sundowner
Abends geht nicht mehr viel rund um den Dieksee. Aber ein Sundowner ist natürlich noch drin. Am besten auf einer Bank am Anleger; da hat man am längsten Sonne. Zum Beispiel im Fährhaus Niederkleveez.
06.00 Uhr: Wanderung um den Dieksee
Die Sonne geht auf. Und ich um den See. 12, 13 oder 14 km lang ist der Rundweg um den Dieksee (es streiten sich die Quellen). Aber das ist ja auch nicht das Wichtigste. Das Wichtigste ist das unglaubliche Gepiepse und Geschnatter am Seeufer. Und das Licht, dass sich minütlich ändert. Und das Wiedererkennen – ich kann kaum glauben, was wir gestern alles gesehen und gemacht haben. War das wirklich nur ein Tag?
Als junges Mädchen entdeckte Astrid Lindgren an der Haustür der Autorin Ellen Key ein Zitat, das sie über Jahre beschäftigte. Es stammt aus der Feder des Schriftstellers Thomas Thorild. Lindgren legte die Worte später auf Saltkrokan in Melchersons Mund: „Dieser Tag ein Leben. Ja, aber das ist ganz ausgezeichnet.“
Und so ist das am Dieksee auch.
Ein sehr schöner Bericht, liebe Stefanie! Und wieder habe ich so einiges dazugelernt. Dass es in der holsteinischen Schweiz so viele Seen gibt zum Beispiel. Herrlich fand ich Volkos Vermutung zur geografischen Lage von Malente. Hört sich aber eigentlich ganz logisch an!
Schönes Wochenende! Martina
🙂 Süddeutscher halt!
Hi,
Welch‘ schöne Bilder von der schönen norddeutschen Landschaft! Heimatgefühle werden erweckt…
Viele Grüße aus England von Marianne
alleinereisenjetzt.wordpress.com
Kleiner Lake-District 🙂
Zauberhafter Bericht und wundervolle Bilder. Danke. Für mich ein Grund auch Malente noch einmal auf meine Liste zu setzen. Ich habe vor vielen Jahren die Fünf-Seen-Fahrt geliebt. Man ist immer so sehr im Alltagstrott, dass man die Schönheit um sich herum gar nicht sieht. Aber durch eure Augen wird man wieder dorthin zurückgeführt. Danke. <3
Freut uns, freut uns, Ilona. Wir finden, Malente ist ein toller Rückzugsort – gerade jetzt, wo´s an den Stränden krachend voll wird… Liebe Grüße, Stefanie
[…] es mit der Bräutigamseiche auf sich hat, habe ich vor Jahren schon einmal erzählt. Damals logierten wir im Fährhaus in Niederkleveez, dessen Gartenrestaurant mit beinahe […]