Im Herbst denke ich oft daran, dass mein Opa mir mal erzählte, früher hätte ein Eichhörnchen von Kappeln nach Hamburg gelangen können, ohne je den Boden zu berühren. Ich weiß nicht, ob das stimmt. Und warum mein Gehirn gewisse Sätze wortgetreu konserviert, während ganze Jahre höchstens noch als blasse Erinnerungen existieren. Aber das ist ein anderes Thema. Jedenfalls: im Herbst denke ich oft an Eichhörnchen.
Und zwar nicht nur, weil Eichhörnchen klassische Herbsttiere sind. Sondern auch weil ich derzeit mehr Wälder als gewöhnlich zu Gesicht bekomme. Ich reise im Herbst nämlich traditionell extrem viel durchs Land. Meistens mit dem Zug. Und wenn mein Leben zu einer ewigen ICE-Fahrt wird, staune ich immer wieder, wie bunt der Herbst südlich der Elbe ist.
Der Wald und die Wildnis
Der Kulturhistoriker Wilhelm Heinrich Riehl setzte den Charakter der europäischen Nationen in Beziehung zu ihrer Umwelt. Engländern und Franzosen entsprachen seiner Meinung nach der gezähmte Park und das gerodete Feld. Den Charakter der Deutschen sah Riehl in der Wildnis des Waldes.
Riehl gilt als Begründer des Naturschutzes und forderte für Jeden das „Recht der Wildnis“, denn: „Das deutsche Volk bedarf des Waldes wie der Mensch des Weines.“ Eine Behauptung, bei der man als Norddeutsche schon mal denken kann: Häh?
Riehl war Hesse. Hessen ist die waldreichste Gegend Deutschlands und Deutschland eines der waldreichsten Länder Europas. Beinahe ein Drittel der Gesamtfläche nimmt der Wald ein – und er wächst. Nur ist er – wie alles – nicht besonders gerecht verteilt.
Der Herbst und der Norden
Hamburg ist zwar die grünste Stadt Deutschlands, wie ich gerade bei Simone gelesen habe, aber eines der waldärmsten Bundesländer. Gerade mal 12% der Hamburger Gesamtfläche sind Wald. Genau wie in Bremen. Was nicht weiter überrascht, weil Bremen und Hamburg nun mal Städte sind. Erstaunlich hingegen, dass sie von Schleswig-Holstein sogar noch untertroffen werden (11%).
Mecklenburg-Vorpommern und Niedersachsen können zwar mehr als doppelt so viel Wald vorweisen, liegen damit aber immer noch unter dem bundesdeutschen Durchschnitt. Waldgeister & Waldmeister müssen schon genau gucken, wo sie im Norden befriedigende Spaziergänge antreten können.
Vielleicht bin ich ja auch in Ermangelung des Deutschen Waldes nicht so eine Herbstfreundin wie erstaunlich viele Blogger. Man stolpert derzeit ständig über Beiträge mit X Gründen, warum der Herbst die tollste Jahreszeit sein soll. Ich muss mal drauf achten, ob die Verfasser aus wald- und weinreichen Gegenden kommen. Denn das würde ihre Vorliebe ansatzweise erklären. Leicht duhn unter fallenden, bunten Blättern könnte ich den Herbst wohl auch ganz gut ertragen.
Nein, ich kann nicht sagen, dass ich ihn so richtig gern habe, den deutschen Herbst. In der Phantasie vielleicht. Aber in der Realität scheint er mir als das Tor zur Scheußlichkeit (= Kälte) – mit einigen leuchtenden Ausnahmen.
Das Ithilien Norddeutschlands und der Hohe Mechtin
Die Bilder in diesem Beitrag zeigen den Hohen Mechtin im Naturpark Elbhöhen-Wendland. Eine tolle Gegend für den Herbst, wie wir vergangenes Jahr festgestellt haben. Was mich daran besonders aufheitert: Die Fotos sind im November entstanden. Das intensive Farbspiel der Bäume liegt demnach noch vor uns.
Wie ich irgendwo (ich vergaß, wo) las, braucht es für die großartige Blattfärbung erste Nachtfröste, denen i.d.R. (im Sinne von: hoffentlich) eine trockene und warme Wetterperiode mit strahlendblauem Himmel folgt. Man muss also noch gar nicht besonders nervös werden, falls man (wie ich) bisher nicht dazu kam, den Herbst zu genießen. Noch ist Zeit.
Aber man kann ja schon mal einen Ausflug ins Wendland ins Auge fassen. Denn das ist nicht nur extrem dünn besiedelt sondern auch extrem heftig bewaldet. U.a. findet sich dort mit der Göhrde das größte Mischwaldgebiet Norddeutschlands. Sowie die Forsthäuser Nadlitz & Schnadlitz. Über so was kann ich mich kaputtlachen wie ein kleines Kind und ich weiß jetzt schon, dass ich Nadlitz und Schnadlitz nie wieder aus dem Kopf kriegen werde. Genau wie das Eichhörnchen meines Opas.
Apropos Eichhörnchen: Volko wird seit einigen Monaten regelmäßig von einem Eichhörnchen geweckt. Es baut sich morgens vorm Fenster auf und klatscht in die winzigen Pfötchen. Was einen enormen Krach macht, behauptet Volko. Und da kann man mal sehen; zwar gibt´s keinen Deutschen Wald auf St. Pauli – aber Wildnis eben doch.
Guten Morgen, Stefanie.
Wenn ich die Seiten über den Wald von Dir mit denen des Nabu vergleiche,… nein, das kann ich nicht. Die des Nabu sind so trocken wissenschaftlich, Deine Zeilen berühren mich.
Eichhörnchen, die findet unser Retriever Leo auch so klasse. Da wird er ganz schnell, die Nagetierechen dann allerdings auch. Schwubs gehts den Baum hinauf und Leo will nach. Mit ausgestreckten Vorderpfoten am Baum klebend muss er sich eingestehen, doch nicht klettern zu können. Darüber, dass das Eichhörnchen dann doch schon über alle Berge bzw. Äste ist, beschwert er sich lautstark.
Ja, der Herbst, der kommt jedes Jahr ganz überraschend, zum Fotografieren werde ich fast hektisch, um so viele Motive einzufangen, wenn die Blätter noch am Baum hängen.
Bäume, die gibts tatsächlich in Schleswig-Holstein und ich glaube, Dein Opa hatte recht ,mit dem dichten Wald. Dichter, undurchdringlicher Urwald soll hier gewesen sein. Als Straßen im heutigen Sinne dienten kleine Kanäle und größere Flüsse. Dann schlugen Mönche oder Ritter tief darin runde Schneisen und fühlten sich in ihren Dörfern vor Feinden sicher versteckt geschützt. Und Angst vorm Wolf, die kannte man da wohl eher aus dem Märchen.
Heute gibt es ja immer mehr Walderlebnispfade, wobei ich persönlich als Kind schon mit dem puren Wald aufgewachsen bin und er mein Lieblingsspielplatz war. Aber ein Walderlebnispark ist dann doch hervorzuheben: Bei den Landesforsten in Trappenkamp.
Genießt die Bäume, die vor der Kälte durch ihre Farben noch Wärme bringen. Dann sind sie erst einmal ein halbes Jahr kahl. Aber auch das hat wieder seinen ganz besonderen Reiz.
Lieber Kai, bei Euch in der Holsteinischen Schweiz muss es ja gerade auch großartig sein. Ist der Aussichtsturm in Malente noch gesperrt. Den Ausblick stelle ich mir toll vor. Und wie siehts in Eutin nach der Landesgartenschau aus? Nach Trappenkamp wollte ich als Kind auch immer. Aber nur weil da ein Riesenrad auf dem Spielplatz stand. Jedenfalls: Vielen Dank für Deinen Kommentar und ich freue mich auf viele, viele Herbstfotos auf Eurer Seite. Komm gut in die Woche, Stefanie
Liebe Stefanie, gerade ist es grau und kalt hier. Aber der Herbst steckt noch in den Anfängen. Habe so viele Bilder eingepflegt, aktuell aber stammen die von Malente, dem Kellersee und Kiel aus diesem Oktober, die anderen zum Teil noch aus dem Sommer.
Die Landesgartenschau wird nun fleißig bewacht, Ende Oktober soll es wohl die ersten Durchgänge wieder geben. Wird auch nach einem Jahr Zeit. Der Turm in Malente hat Schimmel. Und wenn man sich anschaut, wie leer die Kassen sind, stellt sich schon die Frage nach dem Sinn. Zumal auch ein weiterer Turm zwischen Malente und Fissau zunehmend verfällt. Echt Sünde. an dem Platz ein Ausflugslokal und die Bäume gestutzt, das würde Sinn machen. Ich fand Euren Artikel über Malente klasse. Meinen muss ich noch ergänzen. Aber Ihr wisst ja, wenn Ihr hier seid, kommt vorbei. Und ich hab immer noch einen Umschlag für Euch liegen, der muss jetzt mal auf Reise gehen 🙂
Lieber Gruß
Kai
Hallo Stefanie, ohne pingelig sein zu wollen: Nach der Satellitenauswertung ist Hamburg die grünste Stadt der Republik bei Städten über 500.000 Einwohnern. Es liegt mit an dem vielen Grün im Alten Land. Bei kleineren Städten führt Siegen vor Göttingen.
Ich glaube auch, dass die Liebe zum Herbst viel mit dem Wald zu tun hat. Heißt ja nicht umsonst Goldener Oktober“ 😉 Wobei ich auch feststelle: So richtig bunt wird es eigentlich immer mehr im November. Und dann ist der „zweite Frühling“ wirklich unschlagbar. Es lohnt z.B
ein Besuch im Harz. Jedenfalls machst du es richtig, viel in der Republik rumzudüsen auf der Suche nach Wald! 🙂 Und Danke für Deinen Link! LG Simone
Ach, Ansammlung unter 500.000 dürfen sich auch Städte nennen? 🙂 Kleiner Scherz. Im Ernst, man kann ja bei Deinem Link sehr schön sehen, dass die kleinere Städte grüner sind. Und meine Schrebergarten-Theorie stimmt also auch nicht. Den Harz stelle ich mir jetzt auch toll vor. Wir haben immer noch die Brocken-Wanderung auf der Liste. Aber der Norden ist einfach zu groß. Man kommt ja zu nix. Heute gehts jedenfalls erst mal für einen Kurz-Kurz-Trip an die Ostsee. Liebe Grüße, Stefanie
200 km nördlicher von Hannover würde ich mich auch im noch höheren Norden verlieren. 🙂
Im Gästebuch am Hohen Mechtin fand ich Ihre Eintragung und blogadredde,liebe Stefanie, fand ich toll, dass sich noch mehr Leute für dieses Ziel begeistern konnten und freue mich heute über die Fotos vom letzten Jahr- eine schöne Zeit liegt noch vor uns, wie man sieht! Danke für die tollen inspirierenden Berichte! (Ger)Heidelinde
Liebe Heidelinde, diese Nachricht freut uns ganz besonders. Genießen Sie die schöne Zeit und ganz liebe Grüße aus Hamburg!
[…] den Wäldern von Niedersachsen darf man berechtigter Weise auf einen Indian Summer hoffen, etwa im Wendland. Aber auch die November-Stürme auf den nordfriesischen Inseln in Schleswig-Holstein, z.B. auf Sylt […]
[…] zu bieten. Wenn man also überhaupt irgendwo echte Waldeinsamkeit im Norden findet, dann im Wendland. Und das trotz Anschluss an den Hamburger Verkehrs Verbund. Die Gegend ist außerdem topographisch […]