Rømø. Insel, auf die ich nie scharf war. Nicht mal als Jugendliche. Obwohl damals quasi alle zum Feiern auf Dänemarks südlichste Nordseeinsel gefahren sind. Bzw.: gerade deshalb. Der Ballermann der Westküste, hab ich gedacht. Schlimmer kann nur noch Løkken sein. Autostrand. Furchtbar. Und dass in den letzten Jahren mehr und mehr Massenunterkünfte (Reihenhäuser!) rund um Havneby entstanden sind, hat mich nun auch nicht gerade neugierig auf Rømø gemacht.
Rømø ist für mich nie so richtig Dänemark gewesen. Eine Transit-Insel bloß. So gut wie jeden Winter rattern wir über den beinahe 10 km langen Damm, dem Rømødæmningen, durchs Wattenmeer (der zugegeben wahnsinnig schön ist), um im Hafen die Fähre nach Sylt zu nehmen.
Aber heute ist alles anders. Heute ist Sommer. Heute ist der Damm nicht leer. Heute kommen uns Kolonnen von Porsches entgegen. Sylturlauber. Aber dazu gehören wir heute nicht. Wir fahren nach Rømø. Heute biegen wir nicht an der ersten (einzigen) Kreuzung links zum Hafen ab. Sondern steuern geradeaus. Mitten ins Auge des Touristen-Taifuns. An den Strand von Lakolk.
Und sind vom ersten Augenblick: hingerissen!
Der Strand von Lakolk
Ja, Lakolk besteht aus einem Campingplatz und einem Einkaufzentrum. Ja, hier ist richtig Trubel. Und ja, am Strand fahren ungefähr so viele Autos wie auf einer Autobahn. Aber diese Autobahn ist 4 km breit. Nicht lang. Sondern breit. Das ist gigantisch. Das muss man erst mal in den Kopf kriegen.
Falls das Burning Man Festival mal einen neuen Austragungsort sucht: bitte sehr, hier wäre es richtig. Strand, Strand, Strand. Man braucht eine Weile, um sich zu orientieren. Der Wasserlinie darf man sich auf 30 m nähern. Das tun die meisten. Linker Hand sieht es in der Ferne so aus, als wäre dort Schluß mit Straßenverkehr. Gleich bei den Dünen beginnt eine Ruhezone.
Dort ist es ist wie fast überall am Meer: Sobald man ein paar Meter gehen muss, gehen die Massen nicht mit. Und ohne unsere persönliche Durchnittsreisen-Challenge, wären wir ebenfalls nicht hier. Was hätten wir verpasst!
Der Strand zieht sich über die gesamte Westseite Rømøs. Beinahe 20 km. Längst nicht überall sind Autos erlaubt. Und nicht einmal überall dort, wo Autos erlaubt sind, ist viel los. Genau genommen konzentrieren sich die Autos in Lakolk und am Sønderstrand.
Dazwischen ist Platz. Unendlich viel Platz für mein Schönstes auf der Welt: Am Meeressaum spazierengehen. Volko kuschelt sich in die Dünen (sein Schönstes auf der Welt). Und ich laufe los.
Flach ist die Nordsee bei ablandigem Wind. Kristallklar. Warm. Und ich kann nicht glauben, kann einfach nicht glauben, wie schön es ist. Je weiter ich gehe, desto einsamer wird es. Bald sind kaum noch Spaziergänger unterwegs. Ab und zu traben Reiter auf kräftigen Pferden an mir vorbei. Hin und wieder kommt mir ein Radfahrer entgegen. Ich wate auf Sandbänken. Tauche ins Wasser. Lasse mich von der Sonne trocknen. Einmal werde ich von einer Robbe beobachtet. Sie schwimmt eine zeitlang neben mir her. Im sicheren Abstand von ungefähr 30 Metern, versteht sich. Einmal trete ich fast auf einen Stein. Der einzige, den ich in 2 Stunden sehe. Und der gar kein Stein ist. Sondern ein ziemlich großer Krebs, der wieselflink Reißaus nimmt.
Derweil findet Volko in den Dünen keine Ruhe. Es ist seltsam. Von Amts- und Respektspersonen wird Volko gern für einen mindestens linksradikalen Terroristen gehalten. Kinder aber zieht er an wie ein Magnet. Wo ist denn Deine Freundin? Wie heißt denn Deine Freundin? Wann kommt sie wieder? Welche Farbe hat Steffis Rucksack? Wo wohnt ihr? Und weißt Du, Volko, was der nackte Mann dahinten gesagt hat? Usw. Usf. Als ich vollkommen entspannt zurückkomme, ist Volko vollkommen erschöpft. Und umringt von neuen, äußerst wissbegierigen Freunden zwischen 4 und 11.
Rømø ist ein Kinderparadies. Das bringt natürlich ein bisschen Tam-Tam und Lärm mit sich. Und ist gleichzeitg eine superschöne Sache. Eine besondere Stimmung. Tipp für ruhebedürftige Eltern: Nie haben wir so müde und stille kleine Gestalten gesehen, wie die, die gerade eine Wattwanderung hinter sich haben.
In den 80ern hätte man mit dem Auto immer an der Wasserlinie vom Strand in Lakolk zum Sønderstrand fahren können. Mittlerweile haben Naturschutz und die Natur selbst dafür gesorgt, dass es nicht mehr geht. Es sind einfach zu viele Dünen am Strand entstanden. Aus Sylter Sand. Was dort abbricht, wird hier angespült.
Und so muss man inzwischen einen wunderbaren Umweg über das Inselinneren machen. Die kleine Straße führt durch die Dünenheide. Und da stehen sie doch noch – die typisch hyggeligen alten Ferienhäuser. Das mit den Massenunterkünften beginnt erst kurz vor Havneby.
Havneby ist mit knapp 300 Einwohnern, die Hauptstadt der Insel. Sie hat sich in den letzten Jahren ziemlich verändert. Durch Einkaufsmeile, Golfplatz, Wellnesscenter und weitere schreckliche Dinge mehr. Nur da, wo hart gearbeitet wird, im Fischereihafen, ist alles richtig schön schrabbelig. Doch wer weiß, wie lange man noch bei Otto & Ani Fisk essen kann. Gerade wird über eine Anglegemöglichkeit für Kreuzfahrtschiffe nachgedacht. Ich nehmen an, das wird den Mini-Hafen massiv verändern.
Von Havneby ist es nur ein Katzensprung zum zweiten großen Strandzugang, dem
Sønderstrand
Mit seinen (gewaltigen, gewaltigen) Sandbänken gefällt er unser noch besser als Lakolk. Zumal er etwas Besonderes für uns bereit hält.
Es ist nachmittags um vier, als sich die Welt aufeinmal verdüstert. Die Luft bleibt warm. Es ist nicht einmal windig. Dennoch bezieht sich der Himmel rasend schnell. Da liegt ein Knistern in der Luft. Alles kommt einem auf einmal ganz wesentlich vor.
In solchen Momenten kann alles passieren. Und man denkt, es wäre wohl schlauer, zum (Kilometer weit entfernten) Auto zu laufen. Aber andererseits zieht es einen ans Wasser. Nur für den Fall, dass Hattifnatten am Horizont auftauchen.
Aber Hattifnaten sind da nicht am Horizont. Das ist nur unser Lieblingsplatz auf der Welt: der Sylter Ellenbogen. Fast zum Greifen nah. Und genauso menschenleer wie wir ihn von unseren Winterspaziergängen kennen. Denn da drüben tobt ein Unwetter. Während wir irgendwie noch immer in der Sonne stehen.
Krass. Abgefahren. Unwirklich. Ein echtes Himmelsgeschenk. Und kurz darauf schon wieder vorbei. Als wäre nie was gewesen. Auch drüben auf Sylt. Wenn ich das nächste Mal um den Ellenbogen wandere, werde ich wissen, wie es auf der anderen Seite aussieht. Der Gedanke gefällt mir.
Und was mir auch richtig gut gefällt, ist Rømø. Das ist nämlich eine ganz wunderbare Insel.
Liebe Stefanie,
mit euch zu reisen (virtuell) ist das Schönste, was mir derzeit passieren kann.
Irgendwie scheinen wir das Gleiche schön zu finden.:-)
Eines steht für mich heute auf alle Fälle fest: ich will/muss mal nach Römö!!
Liebe Grüße
Eva
Das halte ich für eine sehr gute Idee 🙂 Danke, für das Kompliment, Eva.
Liebe Stefanie, vielen Dank für den wundervollen Beitrag über Rømø, die Fotos sind großartig, als wäre man dabei gewesen. Wir haben es auch noch nie auf diese Insel geschafft, der Reiz war, wie du es beschrieben hast, einfach nicht da, aber das wird sich ändern;-), liebe Grüße Andrea
Lustig, Euch gings also auch so?! Die Insel ist übrigens „nur“ 100 km weiter von St. Pauli entfernt als St. Peter Ording. Und da es in Dänemark ja keine Park- oder Strandgebühren gibt, ist die Anfahrt beinahe kostenneutral (falls Ihr keinen Mega-SUV habt). Schönen Sonntag und vielen Dank für den netten Kommentar, Stefanie
Nach dem Urlaub ist vor dem Urlaub: Nur noch 6 Wochen, dann bin ich auch da – also gegenüber 😉
Und Vorfreude ist ja die schönste Freude. Außer man reist an die Nordsee. Da ist die Nordsee die Schönste.
Hej Stefanie! Dein Blog ist klasse und die Fotos sind wieder ausgesprochen schön. Gerade heute zurück aus DK, möchte ich am liebsten gleich wieder los nach Romø… ??
Liebe Grüße
Martina
Oh. Danke, Martina. (Ich möchte auch am liebsten gleich wieder los). Komm gut wieder rein. Oder ist das Ende Deiner Auszeit noch nicht gekommen? Schönen Sonntag, Stefanie
Wunderschöne Bilder-„Fernweh“-machender Text-woher kommt bloß unser Faible für Dänemark?Übrigens,wenn Euch Röm so gut gefällt, solltet Ihr Fanö,die Nachbarinse,l im Auge behalten-von Esbjerg aus mit der Fähre in 10 Minuten zu erreichen- einfach traumhaft!Ganz liebe Grüße von Erika
Ich hab schon überlegt, ob wir da z.T. herkommen?! Hieß Oma Alma nicht Schack? Das ist ja rund um Tondern so was wie Müller. Fanö ist im Geiste notiert. Grüße an die Ostsee, Steffi
Nein, sie hieß Staak,war aber eine geborene Hartwigsen- aber unsere Urgroßmutter großväterlicherseits kam aus Schweden-vielleicht ja daher der Drang nach Norden-aber das ist doch wohl eher spekulativ-dennoch immer wieder in den Norden.Erika
Mmh. Dann ist der Grund wohl doch ganz schlicht: Weil es da so schön ist!
Auch auf die Gefahr hin, mich zu wiederholen: Schööön!
Solche Wiederholungen hört man ja gern 🙂 Vielen Dank. Aber ich was Neues entdeckt: Schönes Foto, Maren. Komm gut in die Woche!
Danke dir. Du auch!
Vielen Dank für diesen (wie immer) hinreißenden Bericht.
Wenn ich im Oktober (ebenso wie Frau Masulzke) gegenüber von Römö bin, werde ich meine Angst vorm Schifffahren wohl überwinden müssen, denn nie wird die Gelegenheit günstiger sein, mir das von Euch Beschriebene mal live anzugucken. Toll! So viel Sand, so viel Weite und soooo vieeeel Himmel! Mit Verlaub: Geil!
Herzlichst,
Nicole
Ja, schön – Du kannst dann ja schon langsam mal anfangen, Dich halb tot zu freuen 🙂 Wenn wir gegenüber sind, planen wir auch immer locker, dass man vielleicht mal rüber nach Dänemark fährt. Und dann wird das nie was, weil man ja soooo viel auf Sylt machen muss. Bin gespannt, ob´s bei Euch hinhaut. Freue mich schon auf die Berichte und Fotos. Liebe Grüße, Stefanie
Hallo Stefanie, zu meiner Schande muss ich gestehen, dass ich noch nie von Rømø gehört habe! Der Strand ist ja phänomenal. Kein Wunder, dass die Krebse so groß werden: Sie haben ja viel Platz, um zu wachsen : ) Ich hätte den Pfundskerl gerne im Bild gesehen. Aber die „Nackedeis“… die sind nichts für mich : ) Sonnige Grüße, Jutta
Hej Jutta, das ist total interessant, dass Du Römö nicht kennst. Man geht so oft von sich selbst aus und für Hamburger ist die Insel irgendwie Allgemeingut. Wie bei Euch Texel vielleicht. 🙂 Römö liegt nur 4 km von Sylt (List) entfernt. Da Du die Nordsee ja magst, wäre das sicher mal ein schönes Doppelpack für Dich. Liebe Grüße, Stefanie (und – huch – ja, auch sonnige – heute blauer Himmel bei uns).
[…] zum Ellenbogen unternehmen. Möchte man lieber ins Ausland, nimmt man (5.) die Fähre nach Rømø. Im Sommer bitten schon mal Chill-Out-Maestros und andere DJs auf´s […]
[…] verbindet. (Wer noch nie auf Rømø war, sollte unbedingt ein bisschen Zeit einplanen, um sich den breitesten Strand des Nordens […]
Hallo Stefanie,
Sehr schöne Bilder von Römö hast du gemacht.
Nur habe ich mich gefragt, warum du nie auf Römö Urlaub machen wolltest und die Insel nur zur Überfahren nach Sylt genutzt hast. Abgeschreckt wegen den paar Reihenhäuser in
Havneby? Na, da frag ich mich, wie kann man Sylt weniger schrecklich bebaut empfinden. Schön ist es dort doch nur bei den Reichen und Schönen “ gesehen und gesehen werden “
Trotzdem hast du die Insel Römö toll beschrieben. Wobei Römö und Sylt , zwei sehr verschiedene Urlaubsinseln sind. Nur eins haben sie gemeinsam, viel Wasser und Sand.
Liebe Grüße Tatjana
Liebe Tatjana – da ist ne gute Frage 🙂 Ich sag mal so: Ich liebe die Nordseeküste von Dänemark und habe eine ganze Menge Lieblingsstrände dort, die ich immer schöner fand als Römö, weil sie leerer und ursprünglicher sind – und die Dünen auch höher. Also wenn Strandurlaub, dann lieber woanders in Dänemark. Nach Sylt wiederum fahren wir, wenn uns nach anderen Sachen als „nur“ Strand ist. Wie Du auch selber sagst, Sylt und Römö sind ganz unterschiedliche Urlaubsinseln. Und beide wundervoll. Liebe Grüße zurück, Stefanie
[…] wo all der Sand abgeblieben ist, der auf Sylt Jahr für Jahr verschwindet, nimmt die Fähre nach Rømø. Dort wird der Strand immer breiter. Unfassbare 40 Quadratkilometer aktuell. Das Fahrrad muss also […]
[…] Gefühlt eigentlich schon Dänemark. Zumal man auf den ersten Kilometer direkt auf die Insel Rømø zuläuft. D.h. es kann „frisch“ werden. So ist eine Mütze unbedingt eine gute Idee. […]
[…] an. Je nördlicher sie liegen, desto schwieriger sind sie zu erreichen. Auf die Familieninsel Rømø gelangt man noch bequem über einen Damm. Auf die Gezeiteninsel Mandø zwar auch – aber nur […]
…in den 80er waren wir mal auf eine „Schnupperstunde“ auf Romo, die breiten Strände fanden wir faszinierend. Vor jungefähr 8 Jahren, nach USA und Mallorca, suchten wir etwas strandiges fiel uns wieder Romo ein. Unsere Bekannten, es gibt nur Sylt, da geht man hin. Wir aber im Herbst (September) und Frühjahr (März) nach Romo, nach Havneby. Zuerst Häuschen, dann in den modernen Bau im Zentrum. Auf Romo haben wir alle, Natur, Ruhe und etwas Betriebsamkeit im Zentrum und den Hafen (Gruss an Otto und Anis).
Wir haben uns wohlgefühlt.
Dann war unsere Enkelin mit und die wollte Schiff fahren. Also rüber nach List (Woche vor Ostern). Einmal und nicht wieder in Gosch-City.
Und das mit den Porsche stimmt, bei der Rückfahrt wurde ein Autotransporter entladen, nur Porsche in den höheren Preislagen.
Auf Sylt haben wir uns nicht wohlgefühlt und der Fisch schmeckte bei Otto danach nochmal besser.
PS: Vor einigen Wochen waren wir in Sondervig und auf der Rückfahrt auf Romo. Da haben wir doch spontan für September gebucht, es gibt doch nichts besseres.
Juni 2021
[…] als in Dänemark, darf man am Strand von Ording nicht cruisen. Liegt er doch mitten im Nationalpark […]
[…] ruhige Ecke ist Mandø. Dabei liegt die Insel etwa mittig zwischen den beliebten Ferienparadiesen Rømø und Fanø. Eben deshalb wollten die 33 Insulaner:innen auch nie einen gezeitenunabhängigen […]
Hej,
Bin begeistert von der Schilderung. Ich war dieses Jahr zufällig auch auf Rømø. Vor meinem Urlaub in Ribe hatte ich ein paar Stunden Zeit und bin auch mal hingefahren. Nächstes Jahr geht es wieder hin und dann werde ich mir mehr Zeit nehmen und einen ausgiebigen Spaziergang zu machen. Seid meiner Kindheit steht mindestens einmal Skagen auf der Urlaubsliste und von Dänemark kann man nicht genug bekommen.
Liebe Grüße Astrid aus der schönen Eifelgegend
Liebe Astrid – danke für Deinen Kommentar. Skagen ist auch (immer wieder) auf meiner Bucket-List und es gibt nur ganz wenige Jahre in meinem Leben, in denen ich nicht in Dänemark war. Grad letzte Woche habe ich wieder den Spätsommer in der Tondernmarsch genossen. Einfach nur herrlich. Liebe Grüße zurück, Stefanie
Guten Tag, Sie schreiben ja recht nett und ausführlich.
Ergänzend würde natürlich noch etwas Verkehrswende die Ausführungen würzen – Sylt und auch Röm haben Autos genug.
Ach ja: Wie viele Orte Dänemarks hat auch Röm einen deutschen Namen. Das verschont empfindliche Ohren dann auch vor dem neudeutschen „Röhmöh“, das ohnehin niemand deuten kann.
Also: Deutsch Röm ( kurzer Umlaut), friesisch Rem ( kurzes E), dänisch Rømø ( kurzer und dann langer Umlaut) die Insel aus einer Rimme, einer länglichen Untiefe.