Das Museum für Kunst und Gewerbe bietet aktuell mal wieder außerordentlich trifftige Gründe, den Hintern hochzukriegen. Und sei´s nur, um den Februar zu überleben, der Norddeutschen ja einiges abverlangt. Selbst überzeugte Nordlichter verlieren allmählich die Lust am öden Einerlei da draußen.
Geht man also besser rein; in eines der führenden Museen für angewandte Kunst in Europa, wo es zur Zeit schön bunt, schön laut und ganz schön witzig zugeht. Also, so ähnlich wie im Karneval, bloß etwas feinsinniger.
Ein Museum für fast alles
Das Museum für Kunst und Gewerbe gibt sich ganz den Spitzenleistungen menschlicher Kreativität und Erfindungsgabe hin.
Die erste Inventarnummer bezeichnete 1872 eine Bouillontasse. Es folgten 499.000 Werke aus den Bereichen Grafikdesin, Plakatkunst, Fotografie, Medien, Mode, Textil, Möbel, Musikinstrumente, Keramik und den vier Weltreligionen.
Im Prinzip ist das Museum für Kunst und Gewerbe also ein Museum für fast alles. Und weil „alles aufeinmal“ irgendwie 90er ist, begrenzen wir uns beispielhaft auf drei feine Ausstellungen.
Jugendstil – die Große Utopie
Geahnt hat man es ja immer: Körperertüchtigung, Vegetarismus und Wander(vogel)bewegung wurden gar nicht letztens in Berlin Mitte erfunden. Sondern waren schon vor über hundert Jahren Trend in Europa. Als Künstler gegen die negativen Auswirkungen der Industrialisierung aufbegehrten – gegen prekären Arbeitsbedingungen, überhöhten Konsum und billige Massenware.
Die Anhänger des Jugendstils wollten sich mit Schönheit und Qualität umgeben. Literatur, Malerei und der aufkommende Film befassten sich mit Pardadiesutopien. Das Ursprüngliche zog die jungen Modernen an, die sich gern in die Natur zurückzogen oder exotische Reisen unternahmen.
In etwa träumten sie also von den gleichen Dingen wie wir.
Da fragt man sich, ob wir seit 1900 überhaupt einen Schritt nach vorn gemacht haben? Könnte auch sein, dass wir die letzten 100 Jahre brauchten, um die Scherben der Weltkriege aufzusammeln. Und jetzt wieder genau da ansetzen, wo die Utopisten des Jugendstils aufhörten.
Die wunderbare Ausstellung läuft nur noch bis zum 28. Februar 2016.
Geniale Dilletanten
Heute Disco, morgen Umsturz, übermorgen Landpartie. Die Ausstellung „Geniale Dilletanten“ hat was von einer um-die-50-Party für Leute, die nie auf solche Parties gehen würden. Sie tanzen zwar nicht direkt den Mussolini, wippen aber immerhin ein bisschen im Takt zur Musik aus den Boxen. Während die Jüngeren kichern und die Älteren schnell vorübergehen.
Die Ausstellung erzählt die Subkultur der frühen 80er Jahren anhand der Bands Einstürzende Neubauten, Der Plan, D.A.F, F.S.K, Die Tödliche Doris, Palais Schaumburg, Ornament und Verbrechen, Mania D. und Malaria.
Als Tournee-Ausstellung vom Goethe-Institut konzipiert, wurde „Geniale Dilletanten“ für die Präsentation im Museum für Kunst und Gewerbe um ein paar spezielle Hamburg-Stories erweitert.
Zwar bleibt mal wieder Fraktus völlig unterrepräsentiert – aber ansonsten bringt die Ausstellung echt Spaß. Sie ist noch bis zum 30. April 2016 in Hamburg zu Gast.
Also ich finds witzig: Unterm Strich
Nach zwei gehaltvollen Ausstellungen ging bei uns nur noch was Federleichtes. Der Illustrator Christoph Niemann hat die Auswahl seiner Cartoons und Fotos, Animationen und Drucke, Zeichnungen und Texte selbst getroffen und teilweise auch direkt auf die Wand gezeichnet.
Wer´s bis 03. Juli 2016 nicht schafft, die Ausstellung zu besuchen, hier der Link zum Blog abstract sunday der New York Times, den Niemann illustriert.
Aber besser isses natürlich live.
Hier gehts zum Museum für Kunst und Gewerbe: Klick
Di - So: 10.00 - 18.00 Uhr, Do bis 21.00 Uhr
Kurt-Schumacher-Allee, gegenüber vom Hbf
Eintritt 12,-- , erm. 8,--, Do ab 17.00 Uhr 8,--, U 18 frei
PS.: Für Nicht-Hamburger und Modefreunde: Das Beitragsbild zeigt die gute, alte Spiegelkantine. Zur Zeit ist dort Courrèges mit ein paar Kleidern zu Gast.
PPS.: Ganz anderes Thema; falls es jemanden interessiert: Follow my blog with Bloglovin
Wenn das kein netter Zufall ist, Stefanie! Demnächst laufen wir uns wahrscheinlich wirklich in irgendeiner Ausstellung oder an einem ansonsten menschenleeren Strand über den Weg… 😉
Mal sehen, ob man sich dann erkennt (oder erst hinterher auf einem Blogfoto)
Wie gesagt, irgendwie total strange, sich die Kantine, wo es so schönen Orangensaft gab, im Museum vorzustellen…
Absolut. Man fühlt sich selbst ganz museal. Zumal gleich nebenan die Musik der eigenen Frühjugend spielt.
Komisch, den Jugendstil mochte ich nie (ausgenommen die Fassaden der Epoche), aber plötzlich erscheint er in einem ganz anderen Licht. Interessant. Merci und liebe Grüße, Jutta
Freut mich, freut mich. Und liebe Grüße zurück.
Oh mon dieu was habe isch den da für eine schöne blog gefunden! Euer blog ist fantastic! Isch komme aus frankreisch und plane eine reise nach hamburg isch bin zufällig auf eure blog gestossen.
Eine gr0ße lob an die verfasser!
PS: Entshuldigung für meine schlechte deutsch, isch habe erst seit kurzem untericht.
Aber das ist doch super, Beppo. Man stellt sich als Hamburger vor, dass ein Franzose genauso Deutsch spricht wie Du schreibst 🙂 Danke für´s Lesen. Schön, dass es Dir gefällt. Und schön, dass Du nach Hamburg kommst. Liebe Grüße, Stefanie