Ich schrieb an anderer Stelle ja schon mal von norddeutschen Orten, die ihren Ruf weg haben. Bremerhaven gehörte für mich bis vor kurzem dazu. Ich wollte schon immer mal hin, weil ich mir die Stadt rau und kühl und etwas abgewirtschaftet vorstellte. Ich mag so was. Und tatsächlich stelle ich bei Anreisefest: Bremerhaven entspricht eben diesen Vorstellungen.
Doch (und so ist es im Leben ja eigentlich immer) nur zum Teil. Daneben ist Bremerhaven nämlich auch ganz anders als gedacht. Das neue Herz der Stadt schlägt in den Havenwelten, einem Quartier, das sich ganz dem maritimen Tourismus verschrieben hat. Und ich, die weder Städtetrips noch Touristen-Hot-Spots besonders viel abgewinnen kann, fühle mich in Fishtown vom ersten Moment an: wohl.
Der Tag ist wie ein Gedicht von Theodor Storm. Es ist nicht kalt, nicht windig, aber ganz eindeutig Herbst. Es nieselt sogar ein bisschen. Und die Weser tut, als sei sie die Nordsee. Alles in allem: Bestes Sightseeing-Wetter.
Einen guten Überblick über die Havenwelten verschafft sich man auf der Aussichtsplattform des Dubai-artigen Hotels Atlantic Sail City. Herrlich, kann ich nur sagen. Für 3 Euro pro Person gehört der stahlgraue Himmel uns.
Einziger Wermutstropfen: Uns wird schon da oben klar, dass wir nicht alles in Bremerhaven werden sehen können, was wir gern sehen würden. Aber wer hätte denn auch gedacht, dass Bremerhaven so vielfältig ist. Ich schon mal nicht.
Hätten wir mehr Zeit, würde ich jetzt eine Audioführung durch das Quartier unternehmen. Erhältlich an der Touristeninformation führen die Audioguides zu 22 Orten zwischen City und Weserpromenade. Das Ganze ist auf eine bis zweieinhalb Stunden angelegt. Je nachdem wie intensiv, wie langsam oder wie schnell man die Sache angeht.
Jemand, der die Dinge eher intensiv & langsam angeht, ist meine Reisebegleitung Julia. Und weil wir (wie so viele) gekommen sind, um die zwei Hauptattraktionen zu besuchen, müssen die anderen 20 Orte zwischen City und Weserpromenade erst einmal warten. Mal gucken, welche von ihnen wir noch unterkriegen werden.
Die drei Prominentesten der Havenwelten von links nach rechts: Auswandererhaus, Klimahaus und Hotel Atlantic.
Beinahe 80% der Touristen reisen in die Stadt um das Klimahaus zu besuchen. Für die Ausstellung zum Thema Klima, Klimawandel und Wetter, die Bob Geldorf einen „Liebesbrief an unseren Planeten“ nannte, haben wir uns den morgigen Tag reserviert.
Heute besuchen wir zunächst die zweite Attraktion mit großer Strahlkraft: Das Auswandererhaus. Allein 10.000 US-Bürger kommen jährlich in das Haus, das sich der Geschichte von 7,2 Millionen Auswanderern widmet, die Europa über Bremerhaven verließen.
Das mehrfach ausgezeichnete Museum bringt Spaß. Auch davon berichte ich noch mal ausführlicher.
Wir hatten die vage Vorstellung, im Anschluss eine Hafenrundfahrt zu unternehmen, um die Columbus-Kaje (den Kai der Tränen, der Hoffnung, des Glücks) „in echt“ zu sehen. Aber wir haben uns einfach zu lange im Auswandererhaus aufgehalten; mehr als 3 Stunden. Und dabei haben wir noch nicht einmal die bestimmt sehenswerte Sonderausstellung „displaced persons“ angesehen.
Zwischenfazit: Wer einen Trip nach Bremerhaven plant, tut gut daran, sich Zeit zu nehmen. Sonst gerät der Aufenthalt zum Action-Overkill. Etwas Besonderes ist auch das Deutsche Schifffahrtsmuseum. Und der kleinste Zoo Deutschlands: Der Zoo am Meer. In bester Deichlage hat man sich auf nordische und wasserbezogene Tierarten spezialisiert.
Es gibt in Bremerhaven übrigens nicht nur wahnsinnig viel zu sehen. Sondern auch zu essen. Nicht umsonst wird Bremerhaven Fishtown genannt. Das Zentrum der deutschen Hochseefischerei grenzt im Süden an die Havenwelten: Der Fischereihafen.
Hier wäre ich gern länger herum gestromert. Die Mischung aus großen und kleinen Pöttern, schrabbeligen Industriegebäuden, Fischgeschäften, alten Packhallen aus den 30r Jahren und St.-Pauli-Landungsbrücken-mäßiger-Touristen-Gastronomie hat es mir irgendwie angetan. An manchen Ecken erinnert der Fischereihafen von Bremerhaven an traurige Orte auf Island. Was ich als Kompliment meine. Häfen bestehen nun mal aus harter Arbeit, Wind und Wehmut.
Besser gegessen haben wir allerdings im Kaiserhafen. Der liegt nördlich der Havenwelten Richtung Überseehafen. Schon der rund einstündige Spaziergang zur „letzten Kneipe vor New York“ ist eine Freude für sich, die ich ganz unbedingt empfehle. Zunächst gehts immer am Deich lang.
Ich habe noch nie so viele tolle Leuchttürme auf einem Fleck gesehen wie in Bremerhaven. Einer ist entzückender als der andere. Dies ist der Pingelturm. Etwa hier muss man runter vom Deich – und schlägt sich dann so richtig in die Hafenanlagen.
Von der Besuchergalerie des Hafenamts Bremerhaven kann man Kreuzfahrtschiffe beobachten. Das erscheint mir als Hamburgerin jetzt natürlich nicht so außergewöhnlich. Aber die 60er-Jahre-Optik des Hafenamts haut mich um. Und spätestens jetzt bin ich fest entschlossen, noch mal wiederzukommen.
Ich will die Galerie auch mal bei Tage genießen: Zum Beispiel kann man mit einem Fernrohr auf eine Bronzeplatte blicken, die die Stelle markiert, an der Elvis deutschen Boden betreten hat. Großartig! Über solche touristischen Höhepunkte kann ich mich immer halb totfreuen.
Ich finde den Hafen von Bremerhaven wirklich liebenswert. Man ist irgendwie an allem so dicht dran. Da ist nichts abgeschottet.
Hier und da ist der Hafen von Bremerhaven aber auch ziemlich unbelebt und düster.
Und wenn es dann auch noch so richtig zu regnen beginnt… und man nicht ganz, ganz, ganz sicher ist, auf dem richtigen Wege zu sein… und der Magen knurrt … dann kann wohl nichts besser sein, als endlich, endlich die Lichter der Spelunke zu entdecken.
In der letzten Kneipe vor New York isst man auf gutbürgerliche Art und logischerweise Fisch. Das Thunfischsteak mit Salat und Salzkartoffeln kostet € 15,90 und ist- ganz ehrlich – der Hammer.
Rückwege gehen ja immer irgendwie schneller. Zumal man vom Kaiserhafen aus auch die Hauptstraße nehmen kann, so dass man in 20 Minuten zurück in den Havenwelten ist. Und die kommen im Dunklen dann erst so richtig gut rüber.
Vorn rechts übrigens unser Hotel Im Jaich, das ich schon allein deshalb empfehlen mag, weil es zum Frühstück Bio-Eier gibt (was die meisten – gerade auch sehr viel teureren Häuser – ja nicht schaffen) und Mineralwasser von Viva-con-Aqua. Und natürlich wegen der stilvollen Einrichtung. Und der großartigen Lage.
Was ich mit all dem sagen will: Wenn man nach Bremerhaven will, wird man ziemlich oft mit leicht betretenem Unterton gefragt: Was willst Du denn in Bremerhaven?
Und das ist auch eine sehr gute Frage. Man sollte sie sich möglichst stellen, bevor man nach Bremerhaven fährt. Denn es gibt so viele Gründe nach Bremerhaven zu fahren, dass man sich kaum entscheiden kann. Und im schlimmsten Fall plant man zu wenig Zeit ein. So wie wir. (Was andererseits natürlich auch wieder irgendwie gut ist, weil man dann noch mal wiederkehren kann.)
Passend dazu fand ich noch einen sehr guten Satz im Klimahaus. Davon demnächst dann mehr.
Und wieder etwas, was sofort auf die To-do-Liste für spätestens 2015 kommt: Bremerhaven! Ich war noch nie dort, aber deine Fotos, dein Bericht, deine Begeisterung machen mir klar: ich muss da hin!! Und wie ich deinen Worten entnehme, reicht da 1 Tag bei Weitem nicht?!
Liebe Eva; mir erscheinen 3 Tage ideal – aber das ist natürlich total subjektiv. Wie alles; inkl. meiner Begeisterung 🙂
[…] ist es aber sehr plötzlich herbstlich und kalt geworden. Ein guter Zeitpunkt, um noch mal auf Bremerhaven zurückzukommen. Irgendwas muss man ja unternehmen in den Schmuddelwetter-Wochen. Da empfehlen […]
[…] Dass Bremerhaven Stefanie so gut gefällt, dass sie auf jeden Fall noch ein zweites Mal hinfahren will, hätte sie vorher nicht gedacht. Ihr Oktober-Lieblingsfoto zeigt eine Aalräucherei, denn Bremerhaven wird auch Fishtown genannt. Seit dem Beitrag über das Auswandererhaus bekommt unser Blog übrigens auch Zulauf aus USA. […]
[…] ist es aber sehr plötzlich herbstlich und kalt geworden. Ein guter Zeitpunkt, um noch mal auf Bremerhaven zurückzukommen. Irgendwas muss man ja unternehmen in den Schmuddelwetter-Wochen. Da empfehlen […]
[…] ist es aber sehr plötzlich herbstlich und kalt geworden. Ein guter Zeitpunkt, um noch mal auf Bremerhaven zurückzukommen. Irgendwas muss man ja unternehmen in den Schmuddelwetter-Wochen. Da empfehlen […]
Bei deinen Artikel sieht Bremerhaven sehr langweilig und sehr regnerisch aus. Aber bei uns scheint auch mal die Sonne.
Lol.
Sehr schöner Bericht über ‚meine‘ Stadt.
Da bekomme ich, als waschechte Bremerhavenerin, mal einen ganz anderen Blickwinkel 😉
Ich wünsche Euch noch viele schöne Reisen…
LG Mone
Liebe Mone, das ist ja immer witzig, wie andere sehen, was man selber für „ganz normal“ hält.
Eine schöne Stadt hast Du da 🙂 Liebe Grüße und vielen Dank für Deinen Kommentar, Stefanie