Das Klappholttal auf Sylt heißt laut Wikipedia seit einiger Zeit nicht mehr Klappholttal. Warum nicht, konnte ich ebenso wenig in Erfahrung bringen wie den aktuellen Namen der Dünenlandschaft zwischen Kampen und List. Das finde ich zwar irgendwie seltsam. Gleichzeitig passt es aber ganz prima zu dieser geheimnisvollen, spröden Naturschönheit, die nicht mehr Klappholttal heißt (und die ich im folgenden der Einfachheit halber trotzdem Klappholttal nennen werde).
Winter im Klappholttal
Eine Wanderung im Klappholttal ist eine feine Sache, weil man auf der gesamten Strecke nichts mit Autos zu tun bekommt. Auf dem Hinweg wandert man am Strand entlang. Und auf dem Rückweg auf der alten Inselbahntrasse, die sich paralell zum Strand durch eine immense, mysteriöse Dünenlandschaft schlängelt. Bei gutem Wetter ist die Inselbahntrasse ein beliebter Radweg. Aber nicht, wenn´s schneit. Denn wenn´s schneit, geht man natürlich lieber zu Fuß. (Ich ja ohnehin. Und als Einzige an diesem Tag.)
Gestartet bin ich in der Westerheide; umgedreht an der Buhne 16. Die Strecke würde ich auf ca. 12 km schätzen. Man kann es auch länger oder kürzer halten. Das ist bei beinahe allen Wanderwegen auf Sylt so.
Jedenfalls: meiner begann in der Westerheide (Bushaltestelle Westerheide/Blidsel); einer kleinen (Millionärs)-Siedlung kurz vor List; in etwa dort, wo die Ellenbogenstraße beginnt. Und weil ich die Dünen noch nie zuvor im Schnee erlebt hatte, und weil da außer mir keiner war (gar keiner), war ich einen Moment lang fassungslos. Es war die Fassungslosigkeit, bei der man die ganze Zeit grinsen muss. Oder laut „krass“ sagt, obwohl überhaupt niemand zuhört.
Es war sehr still (mal abgesehen vom Grollen der Nordsee im Hintergrund) und irgendwie mond-artig; mindestens aber wie in den Highlands (also, wie ich es mir in den Highlands vorstelle). Nach einem knappen Kilometer nahm ich den ersten Trampelpfad zum Meer. Und da war ich dann schon wieder fassungslos.

Leider beschlug die Kamera immerzu, so dass ich die Bilder jetzt als Kunstfotos verkaufen muss
Die Nordsee ist an sich schon ein Kracher. Die Nordsee ganz allein für sich – mit einem schneebedeckten Strand ohne Fußspuren – noch mal ein ganz anderes Kaliber. Das hat so was Vorzeitliches. Oder viel mehr Ewiges. Nach etwa einem Kilometer kam mir eine Frau entgegen. Nach einem weiteren Kilometer ein SUV-Fahrer (ich vermute, der Ranger). Und viel später traf ich dann noch mal zwei Frauen. Ansonsten war ich allein.
Mir ist in den vergangenen Tagen aufgefallen, dass unter den wenigen Spaziergängern auf Sylt überproportional viele allein unterwegs sind. Ich denke, es liegt am schlechten Wetter. Im Moment kann man irgendwie niemanden mit gutem Gewissen zu einem Spaziergang überreden. Im Moment kann man nur freiwillig losmarschieren. Im Moment ist es nämlich nur schön für Menschen, die das Raue lieben. Für die anderen ist es jetzt furchtbar; bzw. nur in Mini-Dosen genießbar.
Für die, die es nicht furchtbar finden, ist es im Moment allerdings irrsinnig schön. Gerade allein, finde ich. Nichts drängt sich auf, schreit um Aufmerksamkeit oder lenkt ab. Und ohne den üblichen permanenten Input kann man seine eigenen Gedanken auf einmal wieder hören. Bzw zuende denken. Oder überhaupt erst einmal entwickeln.
Man muss allerdings Grautöne lieben, vermute ich. Sonst könnten die Gedanken eine Schwere bekommen. In dem Fall wäre man wohl besser im Sommer auf Sylt aufgehoben. Denn lieblich ist die Insel derzeit eher weniger. Was zum Beispiel im Sommer wie eine Bildungsstätte aus dem Bilderbuch aussieht, sieht im Winter aus wie eine trostlose Gemeinde auf Island.
„Die Akademie am Meer„, heißt (anders als das Klappholttal) wirklich Klappholttal. Und ist besonders bei Ausdruckstänzern und Hobbymalern ziemlich beliebt. Was ich nicht despektierlich meine. Im Gegenteil. Ich stelle mir einen Aufenthalt großartig vor.
Beim Gegenteil der „Akademie am Meer“, der Buhne 16, verließ ich den Strand. Die Buhne 16 ist im Winter geschlossen; ansonsten aber unbedingt einen Besuch wert. Auch wenn das Gunter Sax-Feeling natürlich längst Geschichte ist. Aber es ist eben eine wirkliche Beach-Bar und nicht ein Haufen Sand irgendwo in der Stadt. Und ich liebe den Weg vom Bistro bis zur ehemaligen Inseltrasse.
Der Rückweg auf der ehemaligen Inseltrasse war weniger anstrengend als das Gehen im Sand. Aber nicht weniger meditativ. Weil über Kilometer fast alles gleich aussieht. (Und der Weg wurde zum Ende auch ein bisschen lang; was ich immer prima finde beim Wandern.)
Dabei fiel mir auch wieder wie ein, wie oft ich im Klappholttal schon halb umgekommen bin vor Durst. (Es gibt nämlich nirgends eine Einkehrmöglichkeit.) Es gibt nur Dünen und Dünen und Dünen und Dünen. Und ein wenig Klappholz hier und da.
Hierzu bemühe ich nochmal die Wiki-Definition: „Klappholt“ – Klappholz ist das durch Wind und Wetter „zusammengeklappte“, krumm wachsende, teilweise als Dickicht imponierende Nadel-Unterholz. Es ist ausgesprochen malerisch und bietet künstlerischen Bestrebungen reichen Gegenstand.
Da stimme ich zu. Wobei ich ergänzen möchte: Im Winter muss man die Grautöne lieben.