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Eckernfoerde

Die geschenkte Zeit, Teil 1: am Strand von Eckernförde

Eckernförde gehört zu den Orten, an denen ich regelmäßig vorbeifahre. Oft denke ich kurz darüber nach anzuhalten. Jedes Mal verschiebe ich es auf´s nächste Mal.

Immer habe ich etwas vor, wenn ich an Eckernförde vorbeifahre. Immer bin ich auf dem Sprung. Immer habe ich das Gefühl,  gerade heute keine Zeit zu haben, um in Eckernförde eine Pause einzulegen.

Nicht mal ne halbe Stunde? Seit Jahrzehnten?

Dachte ich neulich.

Und hielt an.

Im selben Moment konnte ich nicht fassen, dass ich es noch nie zuvor getan hatte.

 

Strand

 

Nähert man sich Eckernförde von Kiel aus, wird man ungefähr beim Ortseingangsschild mit dem ersten Ostseeblick belohnt. Schon als Kind habe ich mich weit vor Eckernförde auf den Moment gefreut. Denn der erste Blick aufs Meer gehört für mich zu den besten Dingen überhaupt im Leben.

 

Ostsee

 

Wie kommt es nur, dass man die besten Dinge des Lebens nicht immer so behandelt?

Selbst wenn man im Allgemeinen ganz gut auf seine Bedürfnisse Acht gibt, ertappt man sich doch immer wieder dabei, die eigenen Wünsche einer Verpflichtung unterzuordnen. Einer Verpflichtung, die oft genug nicht mal real ist.

So läuft das jedenfalls bei mir. Selten auf so offensichtlich absurde Weise wie beim Vorbeifahren an Eckernförde. Aber doch in beträchtlicher Regelmäßigkeit.

 

Eckernförder Bucht

 

„Eine Minute hat 60 Sekunden. Eine Stunde hat 60 Minuten. Können Sie mir folgen?“

(aus Momo von Michael Ende)

 

Welle

 

Erinnert sich noch jemand so intensiv wie ich an Armin Müller-Stahl in der Rolle des Grauen Herrn von der Zeitsparkasse in Momo? Besonders sein Monolog im Salon des Friseurs Fusi ist mir nachdrücklich im Gedächtnis. Wie er Fusi dezidiert vorrechnet, was alles überflüssig ist in dessen Leben und derweil wie ein Ertrinkender an Zigarren aus vertrockneter Zeit saugt.

Das finde ich noch heute gruselig. Oder gerade heute. Denn so richtig wirkt Michael Endes Botschaft ja erst, wenn man spürt, dass sie einen selbst betrifft.

 

Steilküste

 

Ich bin Armin Müller-Stahl mal begegnet. An der Ostsee, in der Nähe seines Ferienhauses. Also eigentlich kam er uns nur entgegen und wünschte einen guten Morgen. Aber mein Lieblings-Ex-Freund und ich konnten uns den ganzen Tag nicht beruhigen, welche Ruhe und Zufriedenheit von diesem Mann an diesem Morgen ausging.

Von Armin Müller-Stahl habe ich also zwei ziemlich starke, gegensätzliche Bilder. Und die Frage ist: Wer will man sein?

 

Wald am Meer

 

Entscheidet man sich für die ruhige, zufriedene Variante, fängt die Arbeit an. Denn schon rein kulturell liegen da für uns einige Steine im Weg. Schließlich sind wir nicht zum Spaß geboren.

Erst die Arbeit, dann das Vergnügen, ist so ein innerer Glaubenssatz, der tief in mir verwurzelt ist. Das geht ja Vielen so. Dabei weiß man sehr genau, dass „die Arbeit“ niemals getan sein wird. Da ist immer was zu tun (das keine Freude macht und einen selbst nicht sonderlich weiterbringt.)

Oder auch: Spare in der Zeit, dann hast Du in der Not. (Sehr witzig, sagte der brave Norddeutsche, als er den ersten Kontoauszug mit Negativzinsen erhielt.)

 

Friedwald

 

Die US-Amerikaner haben´s da viel leichter. Sie geben einfach jedem Tag die Chance, der schönste Tag des Lebens zu werden, denn sie wissen schon seit Scarlett O´Hara, dass man nichts auf morgen verschieben kann.  (Eine sehr stressige Position, der ich nicht folgen möchte.)

 

Verschieben wir´s auf morgen

 

(aus „Vom Winde verweht“)

 

Einem deutschen Sprichwort nach verschieben nur faule Leute die Dinge auf morgen. Doch ich glaube, das ist gar nicht der Fall. Es sind die Fleißigen, die gewisse Sachen auf morgen verschieben. Die Pflichtbewussten. Und zwar solche Sachen, die „nur“ für sie selbst wichtig sind. Erst mal alle Erwartungen von außen erfüllen. (Auch eine stressige Position, der ich nicht folgen möchte.)

 

Fernblick

 

Mir bleibt nur ewiges Austarieren.

Als ich den Strand von Eckernförde verließ, fühlte es sich an, als hätte ich´s für diesen Tag ganz gut hingekriegt.

Diese Zeit hatte ich mir geschenkt. Und keiner nahms mir übel. Ja, es hat noch nicht einmal jemand gemerkt.

 

Marine

 

Wie Ihr bei niwelu sehen könnt, kann bei Eckernförde natürlich auch noch viel weiter spazieren. Wenn man mehr Zeit hat.

Tauchgondel

Grömitz ist (wie ohnehin alles) Geschmackssache

Grömitz ist in unseren Augen keine Schönheit. Allerdings einer der wenigen richtigen Urlaubsorte in Schleswig-Holstein. Womit ich meine, Grömitz sieht ein bisschen aus wie Teneriffa in den späten 60er Jahren. Bzw. wie man sich das eben so vorstellt. Und das trifft ziemlich genau unser Humorzentrum, weswegen wir ausgesprochen fröhlich waren, als wir letzte Woche in Grömitz über Nacht blieben.

 

Grömitz: Das Teneriffa Schleswig-Holsteins

 

Appartements

 

Über Nacht zu bleiben, ist an der Ostsee immer eine gute Idee. Selbst wenn der Sonnenaufgang wegen Bewölkung ausfällt, besitzen morgendliche Ostseestrände eine eingebaute Entspannungsgarantie. Sie sind sehr still, sehr schön und Ostseeurlauber schlafen entweder lang oder gehen morgens nicht gern an den Strand. Jedenfalls trafen wir zwischen den schnurgerade ausgerichteten Strandkörben keine Menschenseele.

 

Strandkorb

 

Sogar den Hotspot von Grömitz hatten wir morgens für uns: Die Seebrücke, von der ich behaupten würde, dass es sich um die zweitbeste Seebrücke Schleswig-Holsteins handelt. (Die beste Seebrücke ist die von Heiligenhafen.)

 

Tauchglocke

 

Das Jules-Verne-artige Objekt ist eine Tauchgondel. Sie taucht mit bis zu 30 Leuten ca. 30 Minuten in die Ostsee. Das Witzige daran ist, dass es dort unten wenig zu sehen gibt (hauptsächlich Sand). Und wenn ich die Internetseite richtig verstehe, wird deshalb unter Wasser ein Film gezeigt. Es ist also eine Art Unterwasserkino.

 

Tauchgondel

 

Vom Ende der 400 m langen Seebrücke hat man ganz Grömitz gut im Blick.  Grömitz liegt am nördlichen Ende der Lübecker Bucht. Die ist insgesamt im Sommer total überlaufen. Besonders in Travemünde, Timmendorf und Scharbeutz. Am Schlimmsten aber in Grömitz, das die dritthöchsten Übernachtungszahlen in Schleswig-Holstein aufweist. Mehr Urlauber ziehts nur noch nach St. Peter Ording und Westerland (wo das aber nicht so auffällt, weil die Strände gewaltiger sind).

 

Ostseebad

 

In der Lübecker Bucht hingegen kann man nur in der Nebensaison atmen. (Ich befrage dazu gern den Feriendichte-Kalender.) Ausgestorben ist die Ecke aber nie. Das liegt nicht zuletzt an der Autobahn, über die Hamburger schwupps-di-wupps ans Meer gelangen. Und natürlich an der Schönheit der Lübecker Bucht. Die Ostsee ist hier besonders sanft & seicht & steinlos.

 

Ostsee

 

Flache, sandige Buchten haben mehrere Vorteile. Das Wasser erwärmt sich schnell. Man kann ungeheuer gut herumplanschen. Und die Ostsee ist von besonders schöner Farbe. Meeresgrün. Beinahe karibisch.

 

meergruen

 

Grömitz gilt seit 1813 als Seebad und ist damit eines der ältesten Seebäder an der Ostsee. Dafür findet sich in Grömitz erstaunlich wenig alte Architektur. An der Promenade erinnert gerade noch die Strandhalle an vergangene Zeiten. Doch selbst die entpuppt sich auf den zweiten Blick als Chimäre.

 

Strandhalle

 

Charkateristischer für die Promande von Grömitz ist das Café Florida. Man achte auf Bestuhlung und Gardinen (ich wette, mit Goldkante).

 

Florida

 

Allerdings: Im Sommer sitzt man im Café Florida dank Schiebedachkonstruktion im Freien. Das muss bei Eröffnung der Gipfel der Moderne gewesen sein. So wie ganz Grömitz bestimmt mal schick gewesen ist. Und fast schon wieder vom Zeitgeist überholt wurde.

 

Strandappartement

 

Was bleibt ist der Strand. Wir haben ja nun sehr viele Ostseestrände gesehen, seit wir bloggen. Und müssen schön sagen: So weiß und fein soll Sandstrand sein. Es liegt sich weicher als auf Wolken.

 

Ostseestrand

 

Nach Grömitz reisen (unserer Beobachtung nach) entweder sehr alte Personen oder ganz junge Familien. Das Mittelalter fehlt. Hat vielleicht auch was mit der Nebensaison zu tun. Das hat den angenehmen Effekt, dass sich nicht schon morgens überall mit Prosecco betrunken und schlecht benommen wird. Womit ich meine, es ist nicht so laut; wie beispielsweise in Scharbeutz. Und man bekommt in den Cafés der ersten Reihe easy einen Platz.

 

Ostergesteck

 

Das ist ja ein schönes Ostergesteck, sagte die eine Dame am Nebentisch zur anderen, ist das künstlich? Schönheit ist eben Geschmackssache.

Und apropos Geschmacksache: Übernachtet haben wir im a-ja Grömitz. Laut Eigenwerbung ein SPA-Resort. In Wahrheit eine ziemlich ausgeklügelte Massenunterkunft in Motel-One-Optik.

 

a-ja Resorts: Die Motel Ones der Ferienorte

 

a-ja Resorts gibts quer über Deutschland verteilt in Ferienorten. Genau wie Motel Ones befinden sie sich immer in bester Lage. Doll ist das a-ja nicht. Aber auch nicht schrecklich. Die Zimmer haben alle Meerblick und können mittels Vorhängen in Kleinsträume unterteilt werden, so dass man sich mit ein bisschen Phantasie wie in einem Appartement in Tokio fühlt. Oder auf der Enterprise.

 

 

Das Beste im a-ja Grömitz ist die Terrasse im 5. OG. Wir hatten sie zum Sundowner ganz für uns allein, weil alle Gäste die Restaurants enterten, sobald sie öffneten (wie in Ialien in den 70er Jahren). Selbst Raucher mussten nicht rauskommen. Sondern konnten schön in der verrauchten Raucherlounge sitzen.

 

a-ja

 

Es wunderte uns einigermaßen, dass wir ganz allein blieben. Denn es war vollkommen windstill; also nicht einmal kalt. Und die blaue Stunde in der Lübecker Bucht ist schon eine wunderbare Sache.

 

 

Das Gegenteil von wunderbar ist die Systemgastronomie im a-ja, wo es zugeht wie einer Kantine. Wie im Vapiano, behauptete der Kellner. Aber dort sind jedenfalls keine stilisierten Holzwässer in die Wand eingelassen, aus denen man sich den Wein zapfen soll. Die Speisen im a-ja kommen direkt aus der Hölle, so dass man außerhalb auf sicher besser aufgehoben ist. (Das Frühstück allerdings geht.)

 

 

Während Restaurants und Bar gut frequentiert waren, zog es nur Wenige in die Grömitzer Welle, dem ortseigenen Erlebnis-Meerwasser-Brandungsbad mit Saunalandschaft. Es ist mit dem a-ja durch einen Bademantelgang verbunden und war einer der Gründe, warum wir überhaupt ins a-ja gefahren sind. Wir haben in diesem Winter nämlich gemerkt, dass ein „kurz-mal-raus-aus-der-Stadt-Trip“ im Januar, Februar und März dringend ein Erlebnis-Meerwasser-Brandungsbad mit Saunalandschaft braucht.

 

 

Ein anderer Grund war, dass man bei Groupon regelmäßig a-ja-Schnäppchen schnappen kann (ich beobachte das) – dann kostet das Doppelzimmer inkl. Frühstück und Eintritt in die Grömitzer Welle 79 Euro. Und das entspricht in etwa dem tatsächlichen Wert.

Unbezahlbar hingegen ist das Aufwachen an der Ostsee. Und der morgendliche Strandspaziergang. Aber das sagte ich ja schon.

 

Strand

Das Einkehren ist der Köchin Lust: Sylt kulinarisch

Heute wird´s lecker. Gastautorin & Home Cooking Queen Barbara ist kreuz und quer über die Insel Sylt gestiefelt und hat die besten Spots zur Einkehr mitgebracht. Ihrer Meinung könnt Ihr trauen. Barbara ist ein echtes Hamburger Gastrogewächs und kennt die Szene aus jeder Perspektive. Ganz Vollprofi interessiert sie sich weniger für Titel, Sterne oder den „kulinarisch letzten Schrei“ – sondern wünscht sich schlicht: gute Speisen, gute Weine, guten Service. Also dann, Barbara, lass mal lesen, wo es das auf Sylt gibt …

 

„Wanderer kann man nicht werden, man wird als Wanderer geboren.“

(Henry David Thoreau, 1817 – 1862)

 

An diesem Zitat von Thoreau ist viel Wahres dran, denn ich kann von mir sagen, dass auch eine noch so liebreizende oder erhabene Landschaft mich nicht dazu verleitet, länger als ein Stündchen per pedes unterwegs zu sein. Mein Liebster ist da noch extremer, er geht neu-amerikanisch spazieren, er nimmt das Automobil.

Dennoch habe ich das Angebot in einem alten, großen Reetdachhaus in der Braderuper Heide auf Sylt Urlaub zu machen nicht ausgeschlagen. Wie könnte man – schaut selbst:

 

Reetdachhaus

 

Als eifriger Leser des Blogs von Steffi und Volko war ich in der Theorie schon Experte was die landschaftliche Schönheit der Insel betraf und die geografische Lage Braderuper Heide ist für die Erkundung derselben geradezu ideal. Es sind 16 km nach List in den Norden und 25km nach Hörnum in den Süden.

Was also tun, um unsere Wanderunlust in ihr Gegenteil zu kehren?
Die Antwort hat vier Beine: „Chuck“.

 

Chuck

 

Um nicht nur das übliche Gassi gehen zu absolvieren, sondern auch wirklich Wanderungen zu machen, habe ich uns zusätzlich kulinarische Ziele gesetzt, denn Essen und Trinken muss der Mensch und wir tun das gerne und gerne gut. Mein kulinarischer Liebling kommt übrigens ganz am Ende dieses Beitrags, das sei erwähnt.

 

Wennigstedt: Tampe´s Restaurant

 

Angekommen am späten Nachmittag, haben wir es am ersten Abend langsam angehen lassen und sind über den hübschen Bröns Wai 3 km nach Wenningstedt zu Tampe´s Restaurant marschiert. Bei den Tampes, es ist ein Familienbetrieb, haben wir passabel gegessen und hervorragend getrunken.

Die wilden Sylter Austern lasen sich in ihrer Zubereitung schmackhafter, als sie schließlich waren. Nicht wirklich schlecht, aber bei einem Produkt solcher Qualität sollte man nicht auf Convenience Saucen zurückgreifen. Die Hauptgerichte waren handwerklich gut gemacht, aber zu Fisch und Fleisch die gleichen Beilagen zu reichen, ist dann doch schwach.

Dessert gab´s ( hier gehört das Apostroph hin ) keines, dafür aber einen wunderbaren Riesling von Battenfeld-Spanier. Das Grosse Gewächs vom Kirchenstück aus dem Jahr 2012 war ein Genuss und mit 52 € so fair kalkuliert, dass ich glaube, hier ist dem Patron ein Fehler unterlaufen.

Vom Wein beglückt haben wir den Heimweg angetreten und uns noch ein wenig über das üppige 80er Jahre Gardinenarrangement im Restaurant amüsiert.

Hier gehts zu Tampe´s Restaurant.

 

Morsum: Friesenpesel & Restaurant Zur Mühle

 

Der zweite Tag gehörte ganz und gar unserer heimatlichen Wattküste. Es ging von Braderup nach Morsum gute 2 Stunden am Strand entlang zum Middageten. Informationen zum Morsumer Kliff findet ihr hier im Blog: Klick.

 

Rundweg Morsum-Kliff

Rundweg Morsum-Kliff

 

Das Köpi im Friesenpesel war kalt, die Scholle mit Speckstibbe heiß und der Schnack unterhaltsam. Sicher kein kulinarisches Highlight, aber eine Portion uriges Sylt tut gut.

Ach so: auf is, wenn auf is.

Friesenpesel
Bi Miieren 9
25980 Sylt
04661/ 978181

Zurück sind wir, sofern es Wege gab, durchs Marschland gelaufen, und da das länger dauerte, mussten wir nochmals einkehren.

CremantDas Ferienhaus „ Zur Mühle“ wartet mit Ferienwohnungen, Restaurant und großzügiger Terasse auf. Schön gelegen direkt am Wattenmeer, mit jungem, freundlichem Chef, noch freundlicherem Service und das Wichtigste einem gut gekühlten Crémant aus entsprechenden Gläsern. Wie Steffi so schön sagte, man beachte die Harmonie von Rosé Sekt und Grau des Himmels.

Gegessen haben wir hier nicht, aber an mehreren Nachmittagen sind wir zum Kaffee gekommen Das Kuchenangebot ist phantastisch, Friesentorte, Windbeutel, Lübecker Nuß, Käsekuchen, alles aus der hauseigenen Bäckerei und wirklich besonders gut.

Homepage: Restaurant Zur Mühle

 

List: Dittmeyer´s Austerncompanie

 

Auf unserer nächsten Wanderroute wollten wir den Ellenbogen erkunden. Zu weit um ganz zu Fuß zu gehen, also mit dem Auto zum Weststrand. Dort kann man parken und marschiert über die hohen Dünen an den Strand, um bis zur nördlichsten Spitze Deutschlands zu gelangen.

Auf dem Rückweg wurde es rau und windig, schön war´s trotzdem. Belohnt haben wir uns mit der Einkehr in der Austernstube der Dittmeyer´s Austerncompanie. Für alle die Austern mögen ein Muss, für die ängstlichen das perfekte Kennenlernen, traut euch, es macht Spass.

Frischere Austern gibt es nirgends, man genießt sie pur, als Tartar, gedünstet oder gratiniert. Der charmante Kellner, alles andere als verschlossen wie eine Auster, erklärt gerne ungewöhnliche Kombinationen. Meine Empfehlung zu Austern, unbedingt ein Muscadet.

Dittmeyer´s Austerncompagnie

 

Kampen: Sturmhaube

 

Das  Rote Kliff  beherbergt mit Gosch einen der berühmtesten Hot Spots der Insel. Doch unser Weg führt uns von Braderup nach Wennigstedt und von dort am Strand das Kliff entlang bis nach Kampen.

Unterwegs schnappen wir bei Blums ein Fischbrötchen als Wegzehrung (Blums Fischbistrots sind immer eine gute Adresse, wenn es schnell, frisch und lecker sein soll) und freuen uns auf unser Ziel, die Sturmhaube. Das Kliff ist imposant, der Strand ist breit, das Wetter gut und nach ca. 2 Stunden liegt sie da in den Dünen.

 

Sturmhaube

 

Die Sturmhaube sieht beeindruckend aus und das Wiener Schnitzel ist es auch. Super zart und saftig mit luftiger, krosser Panade, dazu leckere Bratkartoffeln und ….. Preiselbeeren, da hüpft mein Herz.

Kenner streiten sich, ob die korrekte Garnitur Zitrone und Petersilie oder Kaper und Sardelle ist. Ich liebe das Würzige des Schnitzels und die bittere Süße der Preiselbeere, sofern die Marmelade gut ist und hier ist sie es.

Man sitzt im geschmackvoll eingerichteten Sturmhaubenspeisezimmer, der Architekt hat die Farben der Landschaft aufgenommen, mit Blick auf die Dünen, das Meer und darf genießen. Ich freue mich, dass wir hergekommen sind und stelle mir vor, dass hier im Sommer der Sylter Bär steppt.

Hompage: Sturmhaube

Für den Rückweg entscheiden wir uns oben auf dem Kliff entlang zu laufen und entdecken ein schönes Kleinod.

 

Max-Frisch

 

Max Frisch hat 1949 mit seiner Familie Urlaub auf Sylt gemacht und blieb eine Zeit lang in Kampen. In seinem Tagebuch schrieb er:

„Hin und wieder kippe ich einen Steinhäger oder zwei; man braucht das bei so viel leerem Himmel.“

 

Rantum: Sansibar

 

Heute drehen wir den Spieß um und fahren am Abend zum Essen. Die Wanderung findet dann morgen statt, wenn wir das Auto abholen.

Die Strandabschnitte südlich des Rantumbeckens heißen Sansibar, Samoa und Abessinien, passend zur wüstenähnlichen Landschaft. Hier liegt die Sansibar in den Dünen einen Schluck weit vom Meer entfernt.. Es schneit, die Strandbude leuchtet uns den Weg, wir treten ein und Kerzenlicht hüllt uns heimelig ein.

Sansibar

In der Sansibar gibt es zwei Seetings, um 6 und um 8. Wir sind um 8 da, fliegender Wechsel, der erstaunlich gut funktioniert. Die Speisekarte ist unspanned, das Weinbuch dick. Die meisten der Weine schließe ich aufgrund ihres Preises aus, dennoch denke ich, dass hier fair kalkuliert wird.

Wir entscheiden uns für Vorspeise und Hauptgang und eine Flasche 2011 Belondrade y Lurton Verdejo im Barriqueausbau. Im Weinhandel in Hamburg kostet dieser Wein 35 €, hier zahle ich 62 €, meine Vermutung der fairen Kalkulation bestätigt sich.

 

 

Wir wundern uns ein wenig, dass uns 5 Salate serviert werden, die wir nicht bestellt haben. Vom Haus heißt es, eine nette Geste, aber zu üppig und auch nicht wirklich lecker. Unsere Gerichte sind ordentlicher Durchschnitt, der Wein ist prima und wir ernten eine freundliche Bemerkung des Sommeliers bezüglich unserer Wahl. Also auch hier scheinen die Exoten sich nicht zu verkaufen.

Erwähnen möchte ich noch gerne den Sansibar Prosecco, feinfruchtig, trocken und mit einer schönen Perle macht er meinem Gaumen Freude und bewegt sich weit jenseits der üblichen Prosecco Plörre. Kostet aber auch etwas mehr.

Fazit:, Essen und trinken kann man woanders besser. Dennoch würde ich immer wieder hingehen. Die Sansibar ist ein schöner Platz mit toller Atmosphäre.

Hompage Sansibar

 

List again: L.A. Sylt

 

An einem der sonnigeren Tage besuchen wir die Blidselbucht zwischen Kampen und List auf der Wattseite. Wir parken an der Vogelkoje und laufen rauf bis List. Auf dem Rückweg rasten wir im L.A. Sylt.

 

Suederheide Sylt

Blidselbucht

 

Der Name beruft die Lister Austern, aber wir entscheiden uns für einen Steckrübeneintopf und Sylter Salzwiesenlamm. Rustikaler Strandbudenstyle, aber sehr schmackhaft.

Das eigentliche Highlight ist jedoch der Platz an sich. Wir hatten klares Wetter und man schaut weit ins Watt und läßt die Seele baumeln. Die Blidselbucht habe ich zu meinem Lieblingsplatz auf der Insel erkoren.

 

L.A. Sylt

Lister Austernperle

 

Keine Homepage; aber eine Adresse:

L.A. Sylt. Oststrand-Promenade 333B. 25992 List, Deutschland

 

Hörnum: Kai 3

 

Auf, auf zum Sternefressen in Hörnum. Von den sechs Sylter Restaurants mit Michelin Stern hat eines Anfang diesen Jahres geschlossen, bleiben fünf zur Wahl. Wir entscheiden uns für das Kai3 im Hotel Budersand.

Das Hotel besticht mit gekonnter, geradliniger Architektur und liegt an der Südspitze der Insel mit großer Terasse zum Meer am Hörnumer Hafen. Jens Rittmeyer hat ein tolles Konzept, er bietet ein Menu, welches komplett vegetarisch genossen werden kann, Fisch und Fleisch kann man nach Wunsch ergänzen. Meines Erachtens ist dies einzigartig in der Sternegastronomie in Deutschland. Auch wenn ich keine Vegetarierin bin, das gefällt mir.

Wir starten mit einem Gläschen Billecart Salmon, er in rosé , ich in weiß. Die Wasserkarte kommt, gehört in dieser Kategorie dazu, ich finde es trotzdem affig. Die Flasche Magnus still für 9 €, egal was solls. Kleiner Trost, die Wassergläser haben farbige Spots auf dem Boden, so dass das Wasser ganz leicht gefärbt ist, er grün, ich blau.

Wir bestellen das Degustationsmenu mit 6 Gängen und Ich suche einen Wein aus, der die Speisen durchgänig begleiten kann. Der Sommelier berät, freundlich, distanziert.
Es wird ein 2007 Mas Jullien von der Coteaux de Languedoc, der für einen sternedekorierten Laden mit 85 € korrekt kalkuliert ist.

Es geht los, die Gerichte sind traumhaft angerichtet, ohne die mittlerweile übliche Pinzette. Ich habe Essen auf dem Teller keine Kunstwerke. Die Saucen und Essenzen sind das Steckenpferd von Jens Rittmeyer und werden zu jedem Gang in kleinen Kannen extra serviert. Der Service gißt ein wenig an und läßt den Rest zum Nachservice am Tisch. Das ist sehr ungewöhnlich und macht Spaß.

Die Speisen sind durchweg gelungen, die Temperatur stimmt, Fisch und Fleisch sind auf den Punkt gegart. Alles in allem hätte ich mir weniger Ingredenzien gewünscht, zumindest bei einigen der sechs Gerichte. Ein Erlebnis war das Menu aber allemal, im Gegensatz zum Service, der erst einige Startschwierigkeiten hatte, bis zum ersten Gang dauerte es eine gute Stunde, und zum Schluss ganz versagt hat, wir wurden nicht verabschiedet und haben 10 min. auf unsere Gaderobe gewartet. Das geht bei einer Rechnung von 500 € gar nicht. Schade !

Homepage: Kai3 – Budersand

 

Keitum: Kleine Küchenkate

 

Unseren letzen Ausflug machen wir nach Keitum. Von Braderup bis Munkmarsch geht man am Weißen Kliff entlang. Danach ist die Wattseite nicht mehr ganz so malerisch, dafür mit mehr Leben gefüllt. In Keitum angekommen schlendern wir durch das hübsche Friesendörfchen und entdecken die „ Kleine Küchenkate“.

Eigentlich wollten wir gar nichts essen, aber das Häuschen sieht einladend aus, ist gut gefüllt und trotz offener Küche riecht es fein. Die Speisekarte ist irgendwo zwischen Spanien, Italien und „Schweinske“ angesiedelt, leicht verunsichert teilen wir uns Matjesfilet „Hausfrauenart“. Gut so.

Ein wenig mehr Stringenz in der Ausrichtung der Speisekarte täte hier meines Erachtens gut, aber wahrscheinlich ist genau dieser Rundum-Schwung das Geheimnis der Beliebtheit der Kate.

Homepage: Kleine Küchenkate

Auf dem Rückweg entdecke ich „meine“ Straße .

Proestwai

 

Westerland: Shirobar – Das „must eat“ auf Sylt

 

Wir mussten in Westerland einkaufen und entdeckten gegenüber von Euronics in der Maybachstraße das kleine, weiße Haus mit einem Hauch Japan. Shiro – japanisch weiß.

Sofort war klar, hier gehen wir hin.

Man durchquert einen Vorgarten in japanischem Stil mit Strandkörben, charmante Mischung. Der Gastraum ist hell und klar, dennoch gemütlich und liebevoll hergerichtet. Trotz bequemer weißer Sofas nehmen wir an der kleinen Sushitheke Platz, um uns von den präsentierten Fischen Appetit machen zu lassen.

 

Fisch

 

Die Speisekarte ist nicht groß und setzt sich aus Klassikern und California Sushi zusammen. Mein Vertrauen ist gewonnen, solche Karten sind ein Garant für Frische.

Inhaberin und Sommeliére Andrea Meusel hat die Weinkarte zusammengestellt, fein abgestimmt auf die japanische Küche. Wir wählen einen 2008 Riesling Bernkasteler Badstube von Jos.Jos. Prüm. Der geht runter und wird perfekt passen.

 

Tempura

 

Wir starten mit Tempura – verschiedene Gemüse und Wildfanggarnelen. Die drei dazu gereichten Dips entpuppen sich als ausgeklügelte, fein abgestimmte Geschmacksbomben. Chapeau !

 

 

Dieser Einstieg hat so viel Spaß gemacht, dass wir Sashimi vom Hamachi bestellen. Thomas Fechner, Inhaber und Sushimeister, erklärt uns geduldig die Unterschiede bei den Thunfischen, der Vorteil, wenn man an der Bar sitzt. Es folgen ein paar Nigri Sushis und eine Hot Duck Roll. Die Abschlussvorstellung gibt ein Soja-Karamell-Eis. Wir wollten nicht, doch der Meister hat uns genötigt, es hat sich gelohnt.

 

Unagi

 

Die Rechnung war so freundlich wie der ganze Abend und 8 Tage später sind wir wieder da, um Aubergine, Unagi und Special Role zu probieren, dazu gibt es einen Viognier und wieder sind wir begeistert.

Danke Meister, das ist Umami !

Homepage Shirobar

PS.: Im April zieht die Shirobar innerhalb Westerlands um !

Niehuser See

7 Sachen von der deutsch-dänischen Grenze bei Flensburg

Auf Reisen denkt man so viel nach und so viel Neues. Gerade weil wir immer in der Nähe unterwegs sind, sind wir oft der Meinung: Das sollten wir eigentlich alles wissen. Aber wir erfahren jedes Mal etwas. Oder sehen Bekanntes aus einer anderen Perspektive, so dass das Denken seine Richtung ändert. Weiterlesen

Norddeutschland im Maerz

Und der Frühling so: Über-rasch-ung!

Irgendwann, wenn´s gut läuft im März, kommt dieser ganz besonders wunderbare Tag. Der Tag, an dem man zum ersten Mal ohne Jacke am Strand spazieren geht. Bei mir war es vergangenen Donnerstag soweit.

Ich war in Schwansen unterwegs, der Landschaft zwischen Eckernförde und Kappeln. Zur Landseite grenzt sie sich durch die Schlei ab, so dass man von einer Halbinsel sprechen kann. Der Bezeichnung Schwansen leitet sich ab vom Schwansener See ; dänisch Svansø; also Schwanensee – und das passt viel besser zu dieser kleinen Schönheit.

Nachdem ich erledigt hatte, was ich zu erledigen hatte, wollte ich unbedingt an den Strand. Das war aber auch ein Wetter! Und so bog ich nach Booknis ein; wo ich noch nie zuvor gewesen war. Ganz typisch für die Gegend musste ich das Auto ein paar Hundertmeter vom Strand entfernt abstellen. Was für ein Glück! Denn Strandwege sind ja was Großartiges.

 

 

Der Frühling in Norddeutschland ist alles andere als ein sanfter, grüner Schleier, der allmählich das Herz erwärmt.

Der Frühling in Norddeutschland kommt plötzlich, unerwartet, ruckartig. Er springt einfach mal so rein in Dein Leben, brüllt Dir „ÜBER-RASCH-UNG“ ins Ohr. Mit mindestens 1.000 Phon.

Ein bisschen wie der mißratende Sohn, der sich viel zu selten blicken läßt, so dass man tendenziell sauer auf ihn ist. Doch wenn er kommt, wird alles vergessen und vergeben. Weil aufeinmal alles so wunderbar ist. Besonders die Ostsee.

 

Glasklar

 

Frühling in Schwansen

 

Das Besondere an Schwansen ist die Abwesenheit von Entsetzlichem; mal abgesehen vom Ostseebad Damp – dessen seltsame Architektur ich aber auch nicht (hö hö hö) verdampen will. Die Klinikgebäude sind vielleicht nicht hübsch, aber ein wichtiger Arbeitgeber in der strukturschwachen Region.

 

Damp

 

Außerdem kann man ja auch in die andere Richtung gehen. Gut 20 km könnte man gehen; bis nach Eckernförde. (Was ich nicht tat. Aber ich ging doch ein ganzes Stück.)

 

Booknis

 

An Schwansens Küste wechseln sich steinige Abschnitte und Steilküsten mit feinsandigen Stränden ab. Da wo´s feinsandig ist, befindet sich garantiert ein Campingplatz (eine Ausnahme ist mein Lieblingsstrand; Weidefeld).

Aber noch sind die Camper ja nicht da. Bzw. nur vereinzelte. Die sind selber noch ganz ruhig und still und in sich gekehrt. Also genau die Art von Leuten, die man gern am Strand trifft, wenn man eine halbe Stunde oder so keine Menschenseele gesehen hat.

 

 

Im Sommer käme ich nie auf die Idee, in Campingplatznähe an den Strand zu gehen. Aber natürlich liegen Campingplätze gern an den besten Stellen. Die Vorsaison ist genau die richtige Zeit, diese Stellen zu entdecken. Ich mag das sogar, wenn gaaaanz entspannte Handwerker hier und und rumwerkeln.

 

Steinige Strände sind Frühlingsstrände

 

Noch was, das mir im Frühling besser gefällt als im Sommer: Steinige Strände. Im Sommer sind sie mir zu kompliziert (schlecht zum Baden). Aber grundsätzlich sind sie schon großartig. Sie strahlen eine bestimmte Stille aus. Der eigene Schritt klingt sehr laut (es braucht übrigens Wanderschuhe, um an steinigen Stränden zu spazieren).

 

Findling

 

Spaziergänger ohne Wanderschuhe geben an Steinstränden meistens irgendwann auf. Bzw setzen sich auf einen Stein und halten das Gesicht in die Sonne. Was vielleicht nichts mit Aufgeben zu tun hat. Sondern einfach eine ziemlich große Sache ist.

Aber besser ist es noch, alle anderen hinter sich zu lassen. Bis man irgendwann niemanden mehr sieht – außer Angler. Aber die drehen einem ja ohnehin meistens den Rücken zu (und wünschen sich, man möge verduften.)

 

 

Weil sich ja viele in der Ferne besser auskennen als in der Nähe: Plötzliche Frühlingstage an steinigen Ostseestränden fühlen sich an wie späte Augusttage auf Island; ehrlich wahr. Vielleicht wie in Djupalondssandur. Während die Luft nämlich noch kühl ist, hat die Sonne schon richtig Kraft. Und die Luft ist so klar, wie man es sich nur wünschen kann. Am liebsten wäre ich ewig weitergegangen. Ein typisches Frühlingsgefühl.

 

Steilküste

 

Den Frühling liebt jeder

 

Es gibt Winter-Verächter, Sommer-Nörgler, Herbst-Melancholiker. Aber den Frühling liebt eigentlich jeder. Selbst wer mit Heuschnupfen zu kämpfen hat, verabscheut den Frühling nicht. Jedenfalls kenne ich niemanden, der sagt: Ich hasse den Frühling.

Wikipedia erklärt es so: „Mit der steigenden Lichtintensität werden vermehrt Serotonin und Dopamin ausgeschüttet. Diese sorgen für ein allgemein besseres Befinden und bewirken eine leichte Euphorie.“

Und joa, ich war leicht euphorisch als ich mich auf den Rückweg machte. Oben auf der Steilküste ging es sich so leicht und schnell, dass es mir beinahe zu schnell wurde. Darum setzte ich mich auf ungefähr jede Bank. Und schaute aufs Meer. Und speicherte hoffentlich ausreichend Serotonin und Dopamin für die nächste Durststrecke.

 

 

Denn da ist was Schreckliches am norddeutschen Frühling: Er ist dermaßen wankelmütig und unzuverlässig. Genauso plötzlich wie er über einen hereinbricht, zieht er sich auch wieder zurück. Verschwindet für Tage; manchmal Wochen. Läßt er sich zu einer Stippvisite herab, geht die Sonne auf. Haut er ab, ist es sehr, sehr kalt.

Bis er sich (ca. Anfang Mai) endgültig bei uns einrichtet, bleibt nur eins: Alles stehen und liegenlassen, wenn er sich blicken läßt. Und den Moment genießen.

 

Strandspaziergang

Fischmarkt Hamburg

Was Du auf dem Fischmarkt über Dich selbst lernen kannst

Der Hamburger Fischmarkt ist laut Wikipedia „eine beliebte Touristenattraktion die auch heute noch eine wichtige wirtschaftliche und soziale Funktion für die ‚kleinen Leute‘ erfüllt.“ Groß bin ich ja nicht. Also war ich neulich mal wieder da. Und hab entdeckt, dass der Fischmarkt auch ein prima Ort der inneren Rexflexion kann.

 

Elphi morgens

 

Es sagt ja schon eine Menge über Dich aus, ob Du vor dem Schlafengehen auf den Fischmarkt gehst oder danach. Falls Du nämlich nicht vom Feiern kommst sondern extra früh aufgestanden bist, bist Du

a) nicht mehr ganz jung oder

b) dem Feiern abgeneigt oder hast

c) Besuch von Außerhalb, der nicht mehr ganz jung oder dem Feiern abgeneigt ist.

 

Hafen Hamburg

 

Falls Du realisierst, dass die Jungs & Mädchen mit den zertanzten Schuhen um einiges frischer aussehen als Du (obwohl Du doch fast 8 Stunden geschlafen hast), bist Du: ganz und gar nicht mehr jung.

 

Fischmarkt Hamburg

 

Und falls das kein Bedauern in Dir auslöst (falls Du vielmehr wahnsinnig froh bist über Deinen klaren Kopf, die bequemen Schuhe und die kuschelige Jacke), bist Du in der Lage

a) die Dinge positiv zu sehen und

b) auf einem guten Weg zufrieden älter zu werden.

 

Hamburger Aussichten

 

Falls Dich ein Nachtschwärmer in konspirativem Ton nach der nächsten Marihuana-Verkaufsstelle fragt, wirkst Du

a) vielleicht doch noch etwas jünger als Du meinst oder siehst

b) noch viel fertiger aus als Du denkst (obwohl Du doch 8 Stunden geschlafen hast).

 

Morgens in Hamburg

 

Falls Du in Hamburg wohnst und dennoch schon mal Sonntags aus Verlegenheit Blumen an der Tanke kaufst oder abgepackten Käse beim Bäcker, verhältst Du Dich

a) nicht besonders clever oder hast

b) keine Ahnung, dass Du alles, alles, alles besser auf dem Fischmarkt bekommst; warst also

c) zu lange nicht mehr auf dem Fischmarkt.

 

 

Wenn Du die ganze Zeit fotografierst, bist Du:

a) Tourist,

b) Chronist,

c) Blogger oder

d) ganz verschossen in Hamburg (zumindest an diesem Morgen).

 

Fischmarkt (Altona)

 

Wenn Du nicht mehr (so wie früher) die Nase rümpfst über die Ballermannatmosphäre in der Fischauktionshalle … wenn Du das so stehenlassen kannst… ja, wenn Du es vielleicht sogar ganz niedlich findest, wie sich die Leute da so schön amüsieren… bist Du: erwachsen (im Sinne der Defintion von Eric Berne: sich selbst und den anderen wertschätzen).

 

Fischautkionshalle

 

Falls Du diese erwachsene Haltung beibehältst, wenn die Band Melissa Etheridge anstimmt, bist Du: eine Art Buddah.

 

Anleger Fischmarkt Altona

 

Falls Du es kaum ertragen kannst, wenn Du entdeckst, dass ganz am Ende vom Fischmarkt lebende Tiere verkauft werden, hast Du: ein weiches Herz.

Falls Du zuvor problemlos an Ständen mit nicht-mehr-lebenden Tieren vorbeigeschlendert bist, bist Du: ein Verdrängungskünstler.

Wenn Dich Verkäufer und Tiere gleichermaßen rühren, steckst Du: in einem Dilemma.

 

verkaufe Huhn

 

Wenn Du nach dem Fischmarkt nicht zu Bett musst, sondern vollkommen frisch und ausgeruht darüber nachdenkst, was Du mit diesem herrlichen Sonntag noch alles anstellen wirst, bist Du: fein raus.

 

Amphore

 

Wenn Du, während Du dies liest, denkst, Du solltest unbedingt mal wieder auf den Fischmarkt gehen, hast Du: eine gute Idee.

Wenn Du das ohnehin schon seit ewigen Zeiten vorhast, aber irgendwie immer was dazwischen kommt, bist Du: ganz normal.

Wenn Du Deinen Fischmarktbesuch nun direkt datierst, bist Du: konsequent.

Falls Dir soeben durch den Kopf geht: Eigentlich könnte ich ja jetzt gleich losgehen, bist Du: ein Frühaufsteher.

 

Hamburger Fischmarkt

 

PS: Dass ich mich zu einem Fischmarktbesuch aufgerafft habe, verdanke ich Peggy. Sie fragte sich auf ihrem Blog Chickeria, wie es wohl wäre, Hamburgerin zu sein. Und im Grunde könnte man sich die Frage auch an jedem anderen Ort stellen.

Es läuft ja doch alles immer wieder darauf hinaus: Es gibt nichts Gutes, außer man tut es.

In diesem Sinne: Macht Euch einen schönen Tag!

 

 

Gut gehen und sich´s gutgehen lassen in Harrislee

Morgens um 10.00 in Harrislee. Unter einer kleinen Brücke sitzt ein Mann im Sand und kuschelt mit einem Schwan. Streichelt den langen Hals, steckt die Nase ins Gefieder. Der Schwan kuschelt zurück, indem er sanft nach dem Arm des Mannes schnappt. Ganz kleine Bisse, so wie verliebte Katzen es tun. Und wäre ich nicht ohnehin schon hochvergnügt, würde ich jetzt damit beginnen. Weiterlesen

Sag mir wo die Blumen sind

Unser Gastautor Tom Frey ist als passionierter Surfer meist auf dem schnellsten Weg zur gewaltigsten Welle. Sein Beitrag aber erzählt von einem Ort, an dem die Zeit seit einhundert Jahren still steht. Toms Definition von „in der Nähe bleiben“ gibt zu denken. Aber lest selbst: 

Sag mir wo die Blumen sind.

 

Ich weiß nicht, wie oft ich die Strecke zwischen Bapaume und Amiens in der Picardie im Nordosten Frankreichs schon gefahren bin.

Auf unzähligen Trips in die Bretagne oder die Normandie habe ich diese schnurgerade Landstraße genutzt, um Autobahngebühren und den 30 km langen Umweg zu sparen, den die Trassenführung der Autobahn auf dem Weg gen Westen verursacht.

Die Gegend, die man auf dieser Strecke durchquert, hat eine seltsame, bedrückende Aura. Erst nach einigen Fahrten konnte ich die Puzzlestücke langsam zusammensetzen und mir erklären, warum diese Landschaft so eine verstörende Wirkung entfaltet.

 

Copyright Tom Frey

Copyright Tom Frey

 

Die Gegend ist fast baumlos, geprägt durch große landwirtschaftliche Flächen, die vor allem wenn sie brach liegen sehr öde wirken. Das ist nun für Frankreich nichts Besonderes, die industrialisierte Landwirtschaft findet sich überall. Nach den ersten Fahrten bei Tageslicht fiel mir dann aber auf, dass hier kaum ein Gebäude älter als 80 – 90 Jahre war.

Dann waren da diese Monument-artigen Friedhöfe direkt neben der Straße, die man im Vorbeihuschen nur aus den Augenwinkeln wahrnahm. Und irgendwann fielen mir diese Schilder auf. Genauer gesagt, die auf etwa 5 km Straßenlänge verteilten rund 5 Schilder begannen, einen Kontext zu enthüllen.

Ligne de front“ stand auf jedem Schild, dazu ein Datum, jeweils aus dem Jahr 1916 und den Monaten Juli bis November.

 

Sag mir wo die Blumen sind,

wo sind sie geblieben

Sag mir wo die Blumen sind,

was ist geschehen?

Sag mir wo die Blumen sind,

Mädchen pflückten sie geschwind

Wann wird man je verstehen,

wann wird man je verstehen?

 

Irgendwann war mir dann klar, dass diese Strecke durch Kampfgebiete der Schlacht an der Somme aus dem 1. Weltkrieg führte. In den Weilern innerhalb dieses Kampfgebiets waren dann auch immer wieder naive Plakate zu sehen, die versuchten, britische (damals inklusive der heutigen Commonwealth Gebiete) Kriegsveteranen in diese oder jene Kneipe zu locken.

Bei noch genauerem Hinsehen fielen mir dann unzählige Hinweisschilder auf, die auf Monumente und vor allem Friedhöfe hinwiesen, die offensichtlich abseits der Hauptstraße lagen.

Ich nahm mir mehrfach vor, einmal wenigstens an einem der Monumente direkt neben der Hauptstraße anzuhalten, um einen genaueren Blick darauf zu werfen, doch jedes Mal war ich zu schnell, um auf die winzigen Parkbuchten an den Monumenten einzubiegen.

Und umkehren wollte ich auch nicht, denn ich hatte ja ein anderes Ziel, das ich schnellstmöglich erreichen wollte.

 

Copyright Tom Frey

Copyright Tom Frey

 

Landstriche mit ähnlich verstörender Ausstrahlung kannte ich bereits aus der Normandie. Der Abschnitt zwischen den D-Day Stränden und Caen atmet ebenfalls noch den Horror des Gemetzels im Zuge der Invasion, die zur Befreiung Europas notwendig war, aus.

Der 1. Weltkrieg hingegen war für mich bisher mehr Folklore, unsere kollektive Erinnerung daran heftig überlagert von dem danach folgenden Irrsinn und unsere Großelterngeneration hatte lediglich ein paar Erinnerungsfetzen zum ersten großen Schlachten des vergangenen Jahrhunderts preisgegeben, die dann auch noch mehr nach Ferienlager klangen.

 

Sag mir wo die Mädchen sind,

wo sind sie geblieben?

Sag mir wo die Mädchen sind,

was ist geschehen?

Sag mir wo die Mädchen sind,

Männer nahmen sie geschwind

Wann wird man je verstehen?

Wann wird man je verstehen?

 

Copyright Tom Frey

Copyright Tom Frey

 

Als ich nun Anfang Januar wieder durch die Gegend kam, hatte ich die Zeit und die Muße, endlich einmal anzuhalten.

Kurz nach Albert steht auf der – wenn man nach Osten fährt – linken Straßenseite der erste Friedhof.

Er ist recht pompös aufgemacht, mit einem triumpfbogenartigen Eingangstor und einer massiven Umfriedung mit einem angedeuteten Säulengang, alles aus weißem Sandstein erstellt. Innerhalb der Einfriedung endlose Reihen von Grabsteinen, alle exakt gleich geformt und penibelst ausgerichtet.

 

Copyright Tom Frey

Copyright Tom Frey

 

Sag mir wo die Männer sind

wo sind sie geblieben?

Sag mir wo die Männer sind,

was ist geschehen?

Sag mir wo die Männer sind,

zogen fort, der Krieg beginnt,

Wann wird man je verstehen?

Wann wird man je verstehen?

 

Ein paar Hundert Meter weiter wieder direkt neben der Hauptstraße dann ein weiteres Monument. Eine Marmorplatte vor einem seltsam geformten Hügel. Die Innschrift besagt, dass dies die Ruinen einer Windmühle waren, die wohl strategische Bedeutung gehabt hat und schwer umkämpft war. Die Innschrift erzählt dann, dass beim Kampf um diese Ruinen im August 1916 mehr Australier gefallen sind, als auf jedem anderen Schlachtfeld des Kriegs.

 

Grabhuegel

Copyright Tom Frey

 

Wieder ein paar Hundert Meter entfernt ein weiterer Friedhof. Anhand der Form der Grabsteine war sofort klar, dass hier wieder britische und Commonwealth Soldaten lagen. Oder das, was man für die Reste dieser Menschen hielt. Viele Grabsteine besagen lediglich, dass hier ein „Soldier oft the Great War“ liegt. „La Grande Guerre“ sagen die Franzosen zum ersten Weltkrieg, „The Great War“ nennen ihn die Briten.

 

Copyright Tom Frey

Copyright Tom Frey

 

Beide Nationen haben in diesem ersten Gemetzel einen wesentlich größeren Teil ihrer Bevölkerung verloren, als im zweiten Weltkrieg, wodurch der „Große Krieg“ bei beiden, aber insbesondere den Franzosen, wesentlich präsenter im kollektiven Gedächtnis ist, als bei uns zu Lande. „Grande“ oder „Great“ gibt diesen Ereignissen dabei auch eine Glorie, die neben der Betonung des nationalen „Erfolgserlebnisses“ wohl auch den Zweck hat, die Absurdität des Schlachtens in diesem Krieg aus der nationalen Erinnerung zu verdrängen.

 

Sag wo die Soldaten sind,

wo sind sie geblieben?

Sag wo die Soldaten sind,

was ist geschehen?

Sag wo die Soldaten sind,

über Gräben weht der Wind

Wann wird man je verstehen?

Wann wird man je verstehen?

 

Weiter Richtung Ost noch ein Friedhof, wieder mit akkurat ausgerichteten uniformen Grabsteinen. Ich folge einem Schild zu einem weiteren Monument auf eine kleine Nebenstraße. Mitten im brach liegenden Acker liegt ein weiterer, kleiner Friedhof. Ein schmaler Grasweg wurde durch das Feld hindurch angelegt. Eine niedrige Mauer umfriedet die schon bekannten Grabsteine. Ein 17-jähriger Australier liegt hier, neben weiteren namentlich nicht benannten Soldaten.

 

Copyright: Tom Frey

Copyright: Tom Frey

 

Vor einem dieser Grabsteine für die Namenlosen das verblichene Foto eines Jack Morris, daneben ein paar verwelkte Blumen und ein Union Jack. Etwas weiter dann ein eingezäunter, vernarbter und von zerzausten Bäumen bestandener Hügel. Die Anhöhe war wohl strategisch wichtig gewesen und heftigst umkämpft.

 

Copyright Tom Frey

Copyright Tom Frey

 

Am Zaun liegt ein Geschoss, das wohl ein Bauer beim Pflügen des lehmigen Ackerbodens nach oben befördert und hier abgelegt hat. Auch Hundert Jahre nach Beginn der Schlacht ein völlig normaler Vorgang in dieser Gegend, genauso wie das Umpflügen von Knochenresten.

Ich besuche dann noch einen weiteren Friedhof mit viel zu vielen Grabsteinen derselben Sorte, wieder in einer Akkuratesse ausgerichtet, die die Briten bei aktuellen handwerklichen Arbeiten schon lange nicht mehr hinbekommen.

 

Sag mir wo die Gräber sind,

wo sind sie geblieben?

Sag mir wo die Gräber sind,

was ist geschehen?

Sag mir wo die Gräber sind,

Blumen wehen im Sommerwind

Wann wird man je verstehen?

Wann wird man je verstehen?

 

Gräber der Verlierer (der Deutschen) habe ich hier keine gesehen.

Bei Recherchen zu Hause habe ich dann festgestellt, dass die unfassbar vielen Soldatengräber – die sich im Übrigen auch auf so gut wie jedem normalen Friedhof in der Region finden lassen – die ich auf den wenigen Kilometern meiner Erkundung angetroffen habe, lediglich einem Bruchteil der Opfer dieses Schlachtens einen Erinnerungsstein bieten.

 

Copyright Tom Frey

Copyright Tom Frey

 

Die Reste einer noch viel größeren Anzahl von „Gefallenen“ wurden nie gefunden oder konnten nicht einmal einer der Kriegsparteien zugeordnet werden.

Der britische Militärhistoriker Basil Liddell Hart hat den Sinn dieser und anderer Schlachten des Ersten Weltkriegs wohl am prägnantesten beschrieben: “nothing but stupid mutual mass-slaughter” (deutsch: „Nichts anderes als dummes, massenweises gegenseitiges Abschlachten“).

 

Sag mir wo die Blumen sind,

wo sind sie geblieben?

Sag mir wo die Blumen sind,

was ist geschehen?

Sag mir wo die Blumen sind,

Mädchen pflückten sie geschwind

Wann wird man je verstehen?

Wann wird man je verstehen?

 

Was das alles mit dem Thema dieser Seite zu tun hat?

 

Nun, der Impfstoff gegen Faschismus und Rassismus scheint ja noch halbwegs zu wirken, wohl auch weil es noch ein paar Zeitzeugen gibt.

Ansonsten scheint es in Mitteleuropa langsam gesellschaftsfähig zu werden, wieder ein bisschen national zu sein. Grenzen dicht machen, um sich gegen vermeintliche oder tatsächliche Gefahren von „außen“ zu schützen. Griechen per se als arbeitsscheue Steuerhinterzieher zu klassifizieren, Syrer als Syrer und aktuell Marokkaner als Vergewaltiger.

Nebenan mit Recht und Gerechtigkeit und Verweis auf eine relative – aber nicht absolute – Stimmenmehrheit Gesetze ignorieren und Grundrechte abschaffen, als Engländer den Brexit zu postulieren und Brüssel für alle schief laufenden Dinge verantwortlich machen, eine „nationale Front“ aufmachen im Land der Aufklärung, als Schwedennationale den Pendlerverkehr zwischen Malmö und Kopenhagen lahmlegen, gleich um die Ecke deutschsprachige Ortsschilder im dänischen Grenzland abschrauben.

Die Liste könnte noch endlos weiter geführt werden mit dem überall gleichem Tenor: simple Antworten auf komplexe Fragen geben und ansonsten abschotten und „den anderen“ die Schuld geben.

 

Copyright Tom Frey

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Auch wenn das Lied von Frau Dietrich eine olle Kamelle ist, die Krüppel, Kriegszitterer und sonstigen „Verrückten“ nicht mehr die Kinder auf unseren Straßen verängstigen und keiner mehr lebt, der davon erzählen kann, zu was Nationalismus (der ohne den Faschismus, also der „harmlose“) vor 100 Jahren in Europa geführt hat, kann sich niemand heraus reden, dass er / sie es nicht gewusst hätte.

 

Copyright Tom Frey

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Denn die Orte, an denen die Folgen – wenn auch in stark gedämpfter aber immer noch überwältigender Form – im Wortsinne spürbar sind, sind nicht weit weg. Man muss lediglich in einer nicht sonderlich schönen Ecke Mitteleuropas kurz anhalten und ein paar Meter gehen, am besten bei Nieselregen und einstelligen Temperaturen. Und dann ist man recht nah dran an der simplen Erkenntnis: wir sind Europäer, oder wir sind verloren.

 

Link Tipp: Schlacht an der Somme