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Der Pilgerweg im Hamburger Stadtpark

Vor 2 Jahren, als der Hamburger Stadtpark 100 wurde, schenkten ihm die umliegenden Kirchengemeinden einen Pilgerweg. Das Geschenk ist in erster Linie ideeller Natur, denn es wurden weder extra Wege angelegt noch die vorhandenen ausgeschildert. Materiell ist lediglich das kleine Begleitheft.

 

Pilgern im Stadtpark

 

Die Broschüre liegt u.a. in den Kirchen rund um den Stadtpark aus und in der Hauptkirche St. Jacobi in der Innenstadt, denn das ist Hamburgs Pilgerkirche – mit Pilgerbüro, Pilgerkapelle und Pilgerpastor Bernd Lohse. (NDR-Zuschauer haben vielleicht schon mal was von ihm gesehen – er ist derjenige, der regelmäßig auf dem Olavsweg nach Trondheim pilgert und mit Franz Alt ein Buch übers Pilgern herausbrachte).

Man bekommt das Heft auch an der 1. Station des Pilgerweges im Hamburger Stadtpark, der Trinkhalle, wo ich meine Pilgertour vorgestern begann und gleich wieder abbrach.

 

Station 1: Die Trinkhalle am Borgweg

Station 1: Die Trinkhalle am Borgweg

 

Der Pilgerweg führt über 22 Stationen auf 5,7 km rund um den Hamburger Stadtpark. Ist also mehr ein Pilgerwegchen, gerade richtig für zwischendurch.

Einige Station sind im Winter nicht begehbar, andere nur zu gewissen (Öffnungs)-Zeiten und dann gibts es auch solche, die derzeit der Allgemeinheit verschlossen sind. Wie das Planetarium, das noch bis Dezember 2016 renoviert wird.

 

Planetarium Hamburg

Station 4: Wenn das Planetarium nicht renoviert wird, nimmt der Pilger den Fahrstuhl aufs Dach

 

Der Ausblick vom Planetarium wäre beim gestrigen Wetter super gewesen. Aber 1. kann man eben nicht alles haben im Leben. Und 2. habe ich – wie viele Hamburger – eine gehaltvolle Stadtparkbiographie, kenne ihn also ganz gut, inkl. Wahnsinnsausblick vom Planetarium.

 

Ententeich

Station 7: Den Ententeich kannte ich nicht (obwohl ich glaubte, den Stadtpark in- und auswendig zu kennen)

 

Von den 22 Stationen waren mir 21 gut bekannt. Ich hab sie mit dem Pilgerheft in der Hand jedoch anders wahrgenommen. Mag auch sein, dass ich anders bin. Meine Stadtparkjahre liegen schon eine Weile zurück. Damals interessierte ich mich (im Grunde ausschließlich) für Jungs, Musik und meine Freundinnen. Ganz bestimmt aber nicht für Bäume. Und wenn das möglich ist, kam mir der Stadtpark gestern gleichermaßen größer wie kleiner vor.

 

 

Wer den Hamburger Stadtpark nicht kennt, hat nach dem Pilgerweg einen umfassenden Überblick und auf sicher seine Lieblingsecke gefunden. Exkurse sind meiner Meinung nach nur zwischen Station 9 und 10 nötig. Einen ersten Abstecher ist das Lesecafé wert.

 

Lesecafe

Kurz vor Station 10: Das Lesecafe ist so winzig, dass man nur draußen sitzen kann. Gut so.

 

Der zweite Exkurs führt gleich neben dem Lesecafé auf den Rhododendronpfad, der kurz vor der Farbexplosion steht (und nur im Mai und Juni Sinn macht).

 

 

Für Menschen, die den Stadtpark kennen, öffnet der Pilgerweg vielleicht den Blick für neue Dinge. Bei mir waren das vor allem die Skulpturen, von denen viele aus den Anfangsjahren des Stadtparks stammen.

 

Pinguin-Brunnen

Station 15: Der Pinguin-Brunnen von August Gaul 1912

 

Das Begleitheft widmet jeder Station eine Doppelseite. Manchmal mit Hintergrundinfos, manchmal mit Texten zum Nachdenken und manchmal fordert es auch auf, etwas zu tun. Z.B. sich auf die eigene Bewegung zu konzentrieren, einen Herzenswunsch zu versenden oder auch Fragen zu beantworten.

 

Liebesinsel

Station 18: Die Liebesinsel (im Geiste notiert – unbedingt Kanu ausleihen diesen Sommer)

 

Auf der Liebesinsel etwa wird gefragt:

 

Was hast Du wirklich aus Liebe getan?

Wer hat Dich geliebt und wen liebst Du wirklich?

Was hast Du alles „Liebe“ genannt, doch es war nicht Liebe?

 

Landhaus Walter

Station 21: Weiblicher Akt vorm Landhaus Walter

 

Natürlich ist das Heft zum Pilgerweg in gewisser Hinsicht religiös, womit bekanntlich nicht jeder was anfangen kann. Es ist aber nicht doktrinär sondern weist mehrfach darauf hin, dass das Pilgern eine uralte geistliche Übung aller Religionen ist.

Außerdem ist Pilgerpastor Lohse nicht von gestern. Ihm ist schon klar, dass manchen der Glaube an einen persönlichen Gott fremd ist und unwirklich vorkommt. Und das kann er offenbar ganz gut so stehenlassen, ist also tolerant.

Mit eben dieser Toleranz kann auch ein nichtgläubiger Mensch vom Pilgerweg im Stadtpark profitieren. Und sei´s nur, weil´s ein toller Spaziergang ist.

 

Hamburger Stadtpark

Endstation: O´Swaldscher Pavillon am Borgweg

 

Fazit: Auf dem Jakobsweg habe ich mich mehr wie eine Pilgerin gefühlt. Dafür ist es auf dem Pilgerweg im Hamburger Stadtpark (vormittags, unter der Woche) nicht so voll wie auf den letzten 100 km vor Santiago. Ehrlich wahr.

Hamburg

Pilgern in Hamburg (hier: für Anfänger)

Ich gehe so gern. Ich gehe mir den Kopf frei, denke ich manchmal. Doch immer wenn ich das Gehen ganz besonders nötig habe, nämlich in Phasen größten Arbeitsaufkommens, tue ich mich unheimlich schwer loszugehen.

 

Statt einfach loszugehen, führe ich ellenlange Dialoge mit mir selbst. Ob ich wirklich losgehen sollte, wann ich wirklich losgehen sollte und wohin ich losgehen sollte. Oder eben auch nicht.

 

Zur Zeit habe ich wieder so eine Phase am Wickel. 2 Monate hatte ich viel zu viel zu tun, aber nun wird es langsam entspannter. Noch 2 Wochen – dann ist das Drama vorbei. Ich könnte also den Fuß ein bisschen vom Gas nehmen. Und auch mal ein paar Stunden planlos durch die Gegend schlendern. Aber wie gesagt: Ich tue mich schwer. Wie ein Vogel, der zunächst im Käfig sitzenbleibt, wenn die Tür geöffnet wird.

 

Da traf es sich ganz gut, dass ich vor einigen Tagen von einem Pilgerweg erfuhr, der durch den Hamburger Stadtpark führt. Pilgerwege haben klare Bedingungen; eine bestimmte Länge, eine Wegführung, erfordern als keine große Freigeisterei.

 

Trinkhalle Hamburg

Bei der Trinkhalle beginnt der Pilgerweg durch den Hamburger Stadtpark

 

Das werde ich ja wohl noch hinkriegen, dachte ich heute morgen. Zumal der Pilgerweg in der Trinkhalle beginnt, die ich schon ewig mal testen wollte (seit ich sie bei Maren gesehen habe). Dort würde ich mein Frühstück einnehmen, nahm ich mir vor; was dem Ganzen auch noch einen effizienten Anstrich verlieh.

 

Kurz vor zehn saß ich in der Bahn. Ich hatte eigentlich früher losgehen wollen. Aber dann waren mir wieder etliche hyperwichtige Dinge eingefallen, die ich noch vorher erledigen musste (die ehrlich gesagt gar nicht besonders dringlich waren).

 

Kaum fuhr die Bahn los, durchzuckte mich die Frage, ob meine Fenster etwa noch „auf Kipp“ standen. Ich konnte mich beim besten Willen nicht erinnern, sie geschlossen zu haben. Etwas, das mir so gut wie nie passiert, weil ich eine crazy Katzenlady bin (von der permanenten Angst beherrscht, meine Katzen könnten aus dem Fenster fallen oder sich sonstwie verletzen.)

 

Dass ich mich nicht erinnern konnte, machte mir noch mal ganz deutlich, wie unbewusst ich derzeit agiere. Umso wichtiger mein heutiges Pilgern. Aber erst musste ich mit der Unsicherheit aufräumen.

 

Also stieg ich an der nächsten Station stieg aus und fuhr zurück, um mich von den geschlossenen Fenstern zu überzeugen (selbstverständlich waren sie geschlossen).

Dann ging ich wieder zur Bahn und hielt die Fahrt bis zum Borgweg 1a durch.

 

Stadtpark Hamburg

 

Weil ich im Moment aber nicht nur unbewusst sondern auch unkonzentriert bin, hatte ich was die Öffnungszeiten der Trinkhalle betrifft nicht richtig nachgeschaut. Das Café öffnet in der Woche erst um 11.00 Uhr. Frühstück fiel also aus. Aber immerhin war schon jemand da, der mir den Pilgerplan aushändigte.

 

Station 2 bereits im Blick saß ich fünf Minuten in der Sonne und freute mich. Bis ein rotes Lämpchen an der Kamera mir zeigte, dass mein Akku nahezu leer war. Ich hätte natürlich trotzdem losgehen können. Pilgern und fotografieren gehören ja nicht zwingend zusammen. Doch ich wollte nicht. Ich hatte mir das anders vorgestellt.

 

Unbewusst, unkonzentriert, unachtsam und unflexibel, wie ich war, brach ich ab und setzte  mich zum vierten Mal innerhalb einer Stunde in die U3.

 

Pilgern in Hamburg

 

Als ich zuhause eintraf, war ich ein bisschen genervt, aber nicht übermäßig. In der Bahn hatte ich in der kleinen Pilgerbroschüre ein Zitat vom Kirchgelehrten und Philosophen Aurelius Augustinus entdeckt.

 

Das unruhige Herz ist die Wurzel der Pilgerschaft. Im Menschen lebt die Sehnsucht, die ihn hinaustreibt aus dem Einerlei des Alltags und aus der Enge seiner gewohnten Umgebung. Immer lockt ihn das Andere, das Fremde. Doch alles Neue, das er unterwegs sieht und erlebt, kann ihn niemals ganz erfüllen. Seine Sehnsucht ist größer.

 

Und da sieht man mal, dass auch Philosophen irren. Bei mir ist es nämlich genau umgekehrt. Ich brauche nicht unbedingt das Andere, das Fremde, das Neue. Im Gegenteil. Mein Herz ist unruhig, wenn ich nicht im Norden bin. Gerade jetzt im Frühling würde ich am liebsten nur hier sein.

 

 

Ich kann durchaus andere Gegenden schön finden. Ich sehe sehr genau, wenn Städte nicht so glattgebügelt sind wie Hamburg; ich schätze ihre spannenden Ecken. (Wie in Magdeburg. Bilder oben.) Und ich sehe auch wenn etwas aufregender ist als Hamburg und größer und irgendwie wesentlicher (Wie Berlin. Bilder unten). Aber ich sehne mich immer nordwärts.

 

 

Aurelius irrt, wenn er meint, ein Ort könne einen nicht erfüllen. (Er meint, wir suchen nicht nach einem Ort sondern nach Gott.) Doch ich kenne ganz viele Orte, die mich erfüllen. Massenweise davon liegen in meiner allernächsten Nähe. An einem lebe ich sogar.

 

Das alles notierte ich, während mein Akku auflud. Und dann ging ich raus. Denn wenn gar nichts anderes geht, gehen immer noch die Landungsbrücken. Ihre schwankenden Pontons sind mein fester Boden.

 

Hafen Hamburg

 

Als ich später sehr konzentriert, bewusst und achtsam meinen Großen Rickmer Rickmers Salat verspeiste, dachte ich, dass Pilgern doch eine feine Sache ist. Schon 100 Meter reichen aus, damit man sich wieder bewusst wird. Zum Beispiel darüber wie froh man über sein Zuhause ist .

 

PS.: Falls jemand ganz enttäuscht ist, weil ich kaum was über den Pilgerweg geschrieben habe, keine Angst, das mache ich morgen. Ganz sicher.

 

Gabi Glitscher

Peak District

Hey Duke: Chatsworth House im Peak District

Im Anflug auf Manchester erblickt man England in Gestalt des Peak District; einem Hochland-Gebiet, das aus der Luft einer kargen Mondlandschaft gleicht; von unten betrachtet aber so lieblich erscheint wie das Auenland.

Kurz hinter den Toren von Manchester City liegt Englands ältester Nationalpark mit hügeligen Weiden und Feldern durchzogen von Steinmauern, Schafen, Schafen, Schafen, Flüssen und Bächen, Bilderbuchdörfern, stillen Wälder.

 

Steinmauer

 

Auf den baumlosen Gipfeln des Peak District lag bei unserem Besuch am 1. Mai noch Schnee. Ich denke, das ist ungewöhnlich. Denn höher als 600 Meter sind die eigentlich nicht und bei unseren bisherigen Besuchen auf den Inseln haben wir „den Norden im Westen“ immer viel wärmer wahrgenommen als „den Norden im Norden“. Doch dieses Mal war´s wirklich genau so, wie man sich England vorstellt: extrem wechselhaft und sobald die Sonne verschwand richtig kalt.

 

Fasan

 

Kälte und Regen allerdings können keinen englischen Spaziergänger dazu verleiten, eine Jacke zu tragen. Offenbar kleiden sich Engländer nicht nach Witterung sondern nach Datum. Zum Spring Bank Holiday also frühlingshaft wenig Stoff und unter Röcken auf gar keinen Fall Strümpfe. Wir wären in solchen Outfits wohl erforen. Dank dicker Jacken zogen wir uns lediglich eine miese Erkältung zu. U.a. weil es zeitweise in Strömen goss. Murphys Law entsprechend befanden wir uns da gerade in einer Ecke, die keine Möglichkeit zum Unterstand bot.

 

Leider nicht verwackelt oder diesig sondern eine Regenwand

Leider nicht verwackelt sondern verregnet

 

Es erwischte uns im ultra-weitläufigen Park von Chatsworth House; dem Sitz der Familie Cavendish. Die Cavendishs bewohnen das Schloss im englischen Barock seit dem 16. Jahrhundert. Um 175 Zimmer und die Gartenanalgen zu unterhalten, öffneten der Duke und die Duchess von Devonshire ihr Anwesen vor einigen Jahrzehnten der Allgemeinheit (das aber nicht in Devonshire liegt sondern in Derbyshire.)

 

Chatsworth House

 

Chatsworth House ist eines der bekanntesten Herrenhäuser Englands und ein beliebtes Ausflugsziel. Es ist ratsam, den Besuch auf einen Wochentag zu legen, da es ansonsten recht voll werden kann. Es sei denn, man kommt bei Regen (was aber aus anderen Gründen mittelmäßig ist).

 

Chatsworth House

 

Der Eintritt ist mit 23 Pfund (gute 29 Euro) nicht gerade günstig. Wer nur den Park besucht, zahlt 12 Pfund, was ich immer noch einen ziemlich stolzen Preis finde. Und apropos Stolz. Chatsworth House diente in der Verfilmung von Jane Austens Stolz und Vorurteil als Schloss des Mr. Darcy. Logisch, dass beinahe jede romantisch veranlagte Person das mal sehen will.

 

Parkweg

 

Falls man ein bisschen Ahnung vom Gärtnern hat, kann man sich denken, was im Mai eigentlich blühen sollte (dieses Jahr aber aufgrund der außergewöhnlichen Kälte noch nicht so weit war.) Jedenfalls konnte Verena, die sich diesen Ausflug gewünscht hatte, das alles ziemlich gut erklären. Mir gefällt am Reisen mit anderen, dass man mal ganz andere Dinge sieht. Wären Volko und ich allein im Peak District gewesen, wären wir wohl nur so durch die Gegend gestromert. Aber ehrlich: da hätten wir was verpasst.

 

 

Selbst Leute, die überhaupt keine Gartenfreaks sind (Volko und ich) fühlen sich in der Anlage mit ihren Gewächshäusern, Barockgarten, Irrgarten, Tunnelsystem, Aboretum, romantischen Landschaftgärten, Kaskaden, Teichen, Springbrunnen, Skulpturen und weiteren seltsamen Sachen wie Alice im Wunderland. Und wenn es nicht durchgehend geregnet hätte, hätten wir ganz besimmt die Cheshire Cat getroffen und wären auf sicher noch Stunden geblieben.

 

wonderland

 

So wie die Dinge lagen (der Regen fiel) gaben wir irgendwann auf. Waren aber trotzdem alle vier der Meinung, Eintritt und Besuch hätten sich absolut gelohnt.  Trotz Regen. Nicht auszudenken, wie schön das alles bei Sonnenschein sein muss.

 

Fasan

 

Und wie das in England eben so ist: Als wir Chatsworth House verließen, hörte es auf zu regnen. Es führte dazu, dass wir uns schlecht losreissen konnten. Da muss man sich dann einreden, dass man irgendwann wiederkommen wird.

 

Chatsworth House Mai

 

Am liebsten hätte ich mal drei, vier Tage, um mich in Ruhe im Peak District umzusehen. Ich würde gern die höchsten Gipfel erstürmen, die zu den südlichen Ausläufern der Pennines gehören. Ich würde gern durch die Wälder und Moore streifen und an Flußufern sitzen. Stundenlang. Und Chatsworth House würde ich gern noch einmal besuchen. Bei Sonne versteht sich. Vielleicht wählte ich dann als Standort Pilsley.

 

Pilsley

 

Das 152-Einwohner Dorf Pilsely besteht komplett aus Wackerstein-Cottages und einer Seelenruhe. Ein Großteil der Cottages gehört zum Chatsworth Estate. Manche werden an Feriengäste vermietet.

 

 

Muss wunderbar sein so ein Ferienaufenthalt in Pilsley. Man lebt in aller Stille und kauft ein wie in London. Oberhalb des Dorfes befindet sich ein Olymp für Küchengötter: der Chatsworth Estate Farm Shop. Er wurde mehrfach als bester Farm Shop des Landes ausgezeichnet, hat ordentlich Bio-Ware im Angebot und eine eigene (ebenfalls ausgezeichnete) Metzgerei.

 

 

Wer sein Essen nicht selbst zubereiten möchte, besucht den Pub von Pilsley, das Devonshire Arms, das vom Guide Michelin Großbritannien empfohlen wird. Wir können zu den Speisen leider nichts sagen, weil wir erst kurz nach mittäglichem Küchenschluss eintrafen (15.00 Uhr). Aber die Karte las sich ländlich-lecker. Das Devonshire Arms hat übrigens auch Gästezimmer, die regelrecht märchenhaft aussehen.

 

Devonshire Arms

 

Über das Bier können wir sagen: Es schmeckt wie Lagerbier eben schmeckt. Eigentlich nicht so richtig. Aber genau so muss das eben sein, wenn man vor einem Pub sitzt und die Sonne scheint. Aufeinmal war es richtig warm. Und ein zweites Pint geht immer.

 

Pub Peak District

 

Wie wir da so saßen, vier ziemlich unterschiedliche Personen, waren wir alle ganz und gar zufrieden. Ich kenne viele Leute, die sagen, sie wollten irgendwann auch mal was anderes von England sehen als immer nur London. Ihr Vorhaben aber über Jahre und Jahre verschieben. Ich kann denen echt nur empfehlen, das Ganze bald in die Tat umzusetzen. Es gibt günstige Flüge, z.b. nach Manchester oder Liverpool, das Pfund steht gerade ganz angenehm und das Wetter ist auch viel besser als sein Ruf. Ehrlich. Eigentlich.

Rain Bar Manchester

Von der (Un)wahrscheinlichkeit, Manchester zu mögen

Die beiden Frauen um die 40 tragen Bademäntel über Flanellpyjamas und wirken, als hätten sie eine anstrengende Nacht hinter sich. Im Prinzip keine übergroße Sache. Es sei denn, man befindet sich im Frühstücksraum eines Mittelklassehotels.

Fasziniert beobachte ich, wie die Damen in Puschen zum Buffet schlurfen. Sich Eier, Speck, Würstchen, Bohnen und gegrillte Tomaten auf die Teller häufen. Das Glas der einen gerät in gefährliche Schieflage. Orangensaft schwappt auf den Boden. Sie merkts nicht. Oder vielleicht ist es ihr auch egal. Und was mich am meisten beeindruckt, ist die Tatsache, dass niemand außer mir Bademäntel und Pyjamas im Frühstücksraum für ungewöhnlich hält.

Keine Frage: Ich bin in England, dem Land der unglaublichen Outfits. Konkret in Manchester, Wiege der Industrialisierung und verbauteste aller Städte. Es ist nicht leicht hier aufzufallen. Mancunians (wie die Einwohner Manchesters genannt werden) scheren sich nicht unbedingt um Moden, (Schönheits)-ideale oder Zeitgeist. In Manchester setzt man auf Individualität.

 

 

In Manchesters Straßencafés könnte man den ganzen Tag sitzen, ohne sich eine Minute zu langweilen. So bunt ist Leben in dieser Stadt, die dreieinhalb in Hamburg reinpassen würde, aber viel großstädtischer wirkt. Nur regnet es heute. Straßencafés fallen aus.

Über den Stadtplan gebeugt frage ich mich, was wir an diesem eiskalten Sonntag unternehmen könnten? Städtetrips finde ich immer schwierig. Bei schlechtem Wetter besonders. Und Shopping ödet mich an. Unser Hotel ist auch nicht von der Art, die zu einem gemütlichen Nachmittag einlädt. Typisch englisch. Von außen herrlich viktorianisch. Von innen… äh … nicht so.

 

Hinterhof

Wunderbares Hinterhof-Styling

 

Ganz ehrlich, es gibt nicht unendlich viele Gründe, um nach Manchester zu reisen. Eigentlich nur Fußball, Großbritanniens Rekordmeister Manchester United  und das Stadion Old Trafford.  Und genau deswegen sind wir hier. Für das Spiel der Saison. Manu gegen Leicester. Der Underdog Leceister steht kurz vorm Titelgewinn. Ganz England spricht von einem Wunder.

Laut britischen Wettbüros war es Anfang der Saison genauso wahrscheinlich, dass der Yeti oder das Monster von Loch Ness gefunden werden, der heißeste Tag des Jahres auf Weihnachten fällt – oder dass eine Frau ein Premier-League-Team trainiert.

Und doch kann Leicester heute Meister werden.

 

Old Trafford

Der heilige Rasen von Old Trafford

 

Fußball-Tickets sind in England generell nicht billig. Für das heutige Spiel haben sie sich in geradezu absurde Höhe geschraubt. So was lohnt sich nur für fußballverrückte Wahnsinnskandidaten – also nicht für mich.

Daher sind wir zu viert angereist. 2 fußballverrückte Wahnsinnskandidaten und 2 vernünftige Frauen. So hat jeder einen zum Spielen; was prima ist. Nur was die Vernünftigen unserer Reisegruppe heute spielen könnten, will mir immer noch nicht einfallen.

 

Old Trafford

 

Um an die Karten überhaupt ranzukommen, mussten wir  (unbesehen) ein Hotel mitbuchen. Erst ganz kurz vor der Anreise bekamen wir Nachricht, wo man uns unterbringen würde. Freiwillig hätten wir das Hotel vermutlich nicht gebucht. Genau wie ich wohl niemals nach Manchester gekommen wäre, wenn Volko sich nicht schon ewig ein Manu-Spiel gewünscht hätte. Seit wir hier sind, springt er wie ein Welpe durch die Stadt. Findet alles suuuper. Und dafür hat es sich ja schon gelohnt.

 

Midland Hotel

 

Die Lage des Hotels ist immerhin unschlagbar. Zentraler als Picadilly Gardens gehts nicht. Allerdings: das Riesenrad von Picadilly Gardens, das auf quasi jeder Tourismusseite von Manchester abgebildet ist, wurde schon vor über einem Jahr abgebaut. Der sonntägliche Foodmarket von Picadilly startet erst im Juli. Die Hauptattraktionen, die mich interessiert hätten, haben geschlossen und Stadtrundfahrten finden nur einmal pro Woche statt (Sonnabend).

 

Debenhams

 

Dass es keine Stadtrundfahrten gibt, ist weiter nicht schlimm. Das Zentrum Manchesters ist so klein, dass ich schon alles vor dem Frühstück abgehakt habe. Ich war bereits im Northern Quarter, das so etwas die Schanze Manchesters ist. Schlenderte an kleinen schmutzigen Kanälen entlang. Durchquerte das Gay Village, Chinatown und Spinnigfields, den jüngsten und langweiligsten Stadtteil Manchesters. Viel mehr gibts nicht zu gucken.

 

Chinatown

 

Abgesehen von Spinningfields ist die Architektur Manchesters schon beeindruckend, weil total seltsam ineinander verschlungen. Fabrikgebäude aus rotem Backstein neben viktorianischen Palästen, gotischen Kathedralen, Bronx-artigen Feuerleitern und allem was die Moderne so hergibt.

Zur Zeit der Industriellen Revolution wuchs die Stadt ungebremst und ungeordnet. Mit dem völligen Niedergang der Textilindustrie in den 1970er Jahren gingen die Einwohnerzahlen von über 500.000 auf 400.000 zurück. In den Jahren dazwischen wurden ganze Stadtteile abgerissen, wieder aufgebaut und noch mal abgerissen.

Mittlerweile wächst Manchester wieder. Die Region Greater Manchester ist im Blick auf Wirtschaftskraft sogar die drittstärkste Großbritanniens. (Was man nicht unbedingt glauben kann).

 

Manchester

 

Ein kleineres Tohuwabohu lässt mich vom Stadtplan aufblicken. Offenbar hat sich ein Obdachloser ans Buffet vorgearbeitet. Als er (durchaus höflich) gebeten wird, den Frühstückssaal zu verlassen, schleudert er einen Teller Baked Beans durch den Raum. Niemand dreht den Kopf. Wie gesagt: Es ist nicht leicht, in Manchester aufzufallen.

 

Street

 

Manchester ist eine Gangsterbraut. Nachts glitzert und funkelt und feiert sie. Morgens hat sie etwas sehr Ernüchterndes. Zumal in einer Stadt, wo der Lack sowieso schadhaft wirkt. Die Frühstückslokale öffnen spät. Gefühlt jedes zweite bietet Hangover-Breakfast (Katerfrühstück) an.

 

Federboa

 

Die Hotelmanagerin geht von Tisch zu Tisch und entschuldigt sich für die kleine „Entertainmenteinlage“. Dabei kann sie sich auch gleich noch für den versehentlichen Feueralarm um Verzeihung bitten, der eine Stunde zuvor nicht wenige Hotelgäste aus dem Schlaf gerissen hat. „Ich hoffe, Sie genießen Ihr Frühstück dennoch“, sagt sie.

Und was soll ich sagen: Das tue ich. Ich genieße das Frühstück genau wie die Stadt. Denn obwohl ich Hotel wie Manchester niemandem (außer Fußballverrückten) empfehlen würde, bin ich total zufrieden da zu sein.

 

Gans

 

PS.: Die Wahrscheinlichkeit für Leicesters Titelgewinn lag bei 5000 zu 1. Das entspricht in etwa der Wahrscheinlichkeit, dass man Manchester im Regen mag. Wahrscheinlicher ist, dass der Papst für die Glasgow Rangers aufläuft (4000 zu 1), Elvis lebt (2000 zu 1), die Queen zu Weihnachten an der Spitze der britischen Single-Charts steht (1000 zu 1), oder Obama die Verschwörungstheorie bestätigt, die Mondlandung habe nie stattgefunden (500 zu 1).

 

Peak District

Vor den Fabriktoren von Manchester

 

Aber genau wie Leicester dann wirklich Meister geworden ist, haben wir uns prächtig in Manchester amüsiert. Und bei einem Ausflug aufs Land ist dann sogar noch die Sonne hervorgekommen. Mehr dazu, wenn ich die Fotos sortiert habe.

 

Weide

 

Reingeschnuppert: Die norddeutsche Küche (im Mai)

Erfreulich: Es flatterte uns neulich das Kochbuch „Norddeutsche Küche“ von Metta Frank und Marieluise Schultze ins Haus. Langjährige stellv. Chefredakteurin bei „essen & trinken“ die eine, Leiterin der Versuchsküche die andere, sind sie Profis für Speisen & Vermischtes. Die beiden wissen, dass Leser unterhalten werden wollen.

Dementsprechend haben sie nicht nur mehr als 200 Originalrezepte der norddeutschen Küche zusammengetragen – sondern diese noch ergänzt um Traditionen und Geschichten aus den Regionen zwischen Nord- und Ostsee.

 

Norddeutsche Kueche

 

Praktischerweise ist das Ganze monatlich gegliedert. Denn die norddeutsche Küche, so die Autorinnen, ist eine Jahreszeitenküche. Gucken wir also mal rein, was aktuell los ist.

 

Die norddeutsche Küche im Mai

 

Im Mai isst der Norddeutsche Spargel. Gut, da wäre ich vielleicht auch noch von selbst drauf gekommen. Aber weil man ja sehr oft Spargel essen mag, freu ich mich über Variationen; wie z.B. Krebs-Hollandaise, Spargel-Omelett oder Salat von weißem und grünem Spargel mit Zitronenmelisse, Kresse, Schnittlauch und Petersilie.

 

Spargelsalat

 

Was mir gut gefällt: Die Rezepte sind auf die moderne Küche übersetzt, nutzen aber beinahe ausschließlich Zutaten, die man normalerweise vorrätig hat oder häufig verwenden kann. (Mich nervt es immer, wenn ich für eine Prise exotisches Irgendwas Krankenhausmengen kaufen muss, die dann nichts als rumstehen, bis ihr Aroma verduftet.)

Noch wichtiger scheint die Übersetzung in die Gegenwart bei Fleisch und Geflügel. Weder bei Hamburger S-tubenküken noch beim Bremer Kükenragout werden den Gästen heute noch Küken serviert. Früher schon. Und zwar solche, die zu zart für den ungeheizten Stall waren, so dass man sie in der guten Stube unter der Ofenbank aufzog (eine entsetzliche Vorstellung).

Beim weiteren Durchblättern fällt auf, dass die norddeutsche Küche eigentlich gar nicht existiert. Es gibt einige Überschneidungen, aber mindestens ebenso viele regionale Spezialitäten und Eigenarten.

 

In Holstein sind vor allem drei Dinge zu rühmen: die reine Luft, die hübschen Mädchen und die kernigen Katenschinken. (Theodor Storm)

 

Eine Auswahl der Dinge, die im Mai Konjunktur haben: Spitzkohl und grüne Stachelbeeren. Letztere vor allem in Hamburg. Das haben sich die Hansestädter von den Engländern abgeschaut, für die man an der Elbe ja eine besondere Vorliebe hat.  Flensburger setzten im Mai ihren Rumtopf an. Erwischt einen die Frühlinsgrippe, gibts eine klare Hühnersuppe.  In Finkenwerder kommen jetzt goldbraune Speckschollen auf den Tisch. In Ostfriesland die feineren Maischollen, die besonders lecker sind, weil sie sich vornehmlich von kleinen Krebsen ernähren. Und in Kappeln werden grüne Heringe gebraten.

 

Heimat

Die Stadt zum Heringszaun: Kappeln an der Schlei

 

Die Funktionsweise der Heringszäune liefern die Autorinnen gleich mit und raten zu einem Ausflug zu den Kappler Heringstagen.  (Was ich als Kapplerin so unterschreiben kann.) Im Mai legen sie zudem die Rhododendronparks in Westerstede, Bremen und Hamburg ans Herz. (Was ich mir gedanklich notiere.) Nicht schlecht so ein Kochbuch mit Ausflugstipps.

Mir fällt auf, dass ich viele Gerichte noch nie probiert habe, obwohl meine Omas & Konsorten sie regelmäßig zubereiteten. Bei meinen Großmüttern war es nämlich überhaupt keine Seltenheit, dass verschiedene Gerichte auf den Tisch kamen. Übrigens ohne dass sie jemals nach Vorlieben oder Abneigungen gefragt oder die Nerven verloren hätten. Die wußten einfach, wer was wollte. Und haben es in meiner Erinnerung mit Leichtigkeit erledigt.

 

Rezept

Oooooh wie lecker, denken jetzt gewisse Frauen meiner Familie

 

Sicher war es für die Frauen früher hilfreich, dass die norddeutsche Küche nicht allzu kompliziert daherkommt. Ein Großteil der Rezepte ist als ganz einfach klassifiziert. Oft auch als preiswert. In den Kategorien braucht Zeit oder raffiniert finden sich überproportional viele Süßspeisen und Torten. Davon sind mir persönlich ein paar zu viel aufgeführt. Aber das ist eine individuelle Eigenart. Mich interessiert kein Nachtisch – mal abgesehen von roter Grütze und Erdbeeren. Im Verspeisen von Erdbeeren sind Norddeutsche übrigens Weltmeister.

Beim Durchblättern entdecke ich eine alte Tradition aus der Region Angeln, bei der mir ein bisschen seltsam wird. Was hat es mich genervt, wenn meine Oma mir immer noch mehr und noch mehr auf den Teller zaubern wollte; ja regelrecht aufdrängte. Wie ich jetzt lese, ist das ein altes Spiel. Die sogenannte Nötigung.

In Angeln muss der gute Gastgeber immer wieder und immer dringlicher auffordern zuzugreifen. Der Gast muss sich zieren und darf frühestens einlenken, wenn er mindestens drei Mal genötigt wurde. Das Auffordern und Ablehnen geht auch während des Essens weiter. Es ist eine Ehrensache für den Gastgeber. Das hab ich nicht gewusst. Und ich leiste innerlich Abbitte.

Kochen ist eine Kulturtechnik. Und die heimatliche Küche viel mehr als nur Essen. Das ist mir noch bei keinem Kochbuch so klar geworden wie bei diesem. Gefällt mir. Gefällt mir sehr.

Norddeutsche Küche
Metta Frank & Marieluise Schultze
Basserman Verlag
336 Seiten
Gebunde Ausgabe € 12,99

 

Norddeutsche Kueche

 

PS.: Das Kochboch wurde uns freundlicherweise vom Bassermann Verlag kostenlos überlassen. Das ändert nichts an meiner Meinung. Doch ich wollte noch für die Blogger unter unseren Lesern erwähnen, dass die Random House Gruppe sehr gern mit Bloggern zusammenarbeitet. Sogar ein eigenes Portal gibt`s. Falls es jemanden interessiert: Klick.

Nordsee

5 Dinge, die man nur in Schleswig-Holstein machen kann

Mit Schleswig-Holstein ist es ähnlich wie mit den eigenen Vorzügen. Die hält man ja auch häufig für nichts weiter Besonderes. Zwar ganz nett, aber kann doch jeder, denkt man über seine Talente. Bis man sich mal fragt: Wer genau kann das eigentlich nicht, was ich kann?! Dann fallen einem x Leute ein (u.a. Leute, die man schätzt oder die man sogar bewundert), die ganz und gar nicht hinkriegen, was man selber spielend drauf hat.

Und so hat auch Schleswig-Holstein Seiten, die man nirgendwo sonst findet. Nicht an der niedersächsischen Nordsee. Nicht an der Ostseeküste Mecklenburg-Vorpommerns. In anderen Bundesländern sowieso nicht. Beispielsweise:

 

1. Kein Land sehen. Nirgends.

 

Nichts als Horizont in jeder Richtung. Das gibt es nur auf Inseln. Und in Deutschland nur auf Helgoland; diesem kleinen, roten Klotz 40 km vor der Nordseeküste. Gerade mal einen Quadratkilometer groß  ist Deutschlands einzige Hochseeinsel – kleiner als der Hamburger Stadtpark. Das Freiheitsgefühl aber ist maximal. Besonders in den Abendstunden, wenn die Tagestouristen wieder weg sind. Dann steht man staunend im Oberland, 60 Meter über dem Meer und blickt in die Unendlichkeit.

 

am Meer

 

Um Helgolands Zauber zu erfassen, braucht man ein, zwei Nächte. Dann hat man Zeit für atemberaubende Sonnenauf- und untergänge. Dann kann man in Ruhe Basstölpel, Trottellummen und Robben, Robben, Robben beobachten. Zu jeder Tageszeit einmal den klassischen Rundweg im Oberland antreten. Zollfrei shoppen im Unterland. Auf die Düne übersetzen und (sonnen)baden. Knieper (Taschenkrebse) speisen und in der ältesten Discothek Deutschlands tanzen.

 

Robben

 

2. Von der Nordsee zur Ostsee schippern. Quer durchs Land.

 

Weltweit gibt es nur eine Möglichkeit, um mit dem Schiff von der Nordseeküste zur Ostseeküste zu gelangen. Und das ist der Nord-Ostsee-Kanal. 100 km führt er von Brunsbüttel nach Kiel. Die Adler-Schiffe starten in den Sommermonaten wöchentlich; außerhalb der Saison zu speziellen Terminen.

 

Radtour NOK

 

Noch toller ist eine Radtour auf den schnurgeraden Verkehrswegen links und rechts des Kanals. Keine Steigungen, keine Autos, alle paar Kilometer eine Fähre für den Seitenwechsel. Ein Gefühl wie große Ferien. Obwohl es kein Kanal auf der Welt verkehrsmäßig mit dem Nord-Ostsee-Kanal aufnehmen kann.

 

Ozeanriesen

 

Da Brunsbüttel nicht an die Bahn angeschlossen ist, bietet es sich an, schon in Glückstadt einzusetzen. Da ist man schnell von Altona aus. Es erhöht die Tour um ein paar wunderbare Stunden auf dem Elberadweg und die gesamte Strecke auf knappe 150 km. Ein echtes Micro-Abenteuer, das in 3 Tage lässig zu erleben ist.

 

3. Die Grenze zu Dänemark übertreten

 

Die einzige Landgrenze hat Dänemark zu Schleswig-Holstein. Schon wieder eine Nord-Ostsee-Verbindung. 60 km lang von Flensburg bis zum Deutsch-Dänischen Deich bei Niebüll. Schön für eine Wanderung, eine Radtour oder einen Roadtrip.

Kollunder Wald

Die Grenze bei Flensburg

 

Highlights auf der Strecke: Kilometer 0 am Strand von  Wassersleben, Møgeltonder in Dänemark, Emil Noldes Haus in Seebüll und das Naturschutzgebiet Rickelsbüller Koog ganz im Westen.

 

Das Grenzland ist schwer im Kommen. Man siehts an den aufghübschten Ferienhäuschen.

Das Grenzland ist schwer im Kommen. Man siehts an den aufghübschten Ferienhäuschen.

 

4. So nördlich sein, wie´s geht

 

Schleswig-Holstein meerumschlungen. Der echte Norden. In Deutschland ganz oben. Es gibt viele Etiketten für das nördlichste Bundesland, aber nur einen Punkt, wo man es wirklich fühlt. Ein Klassiker. Die Wanderung um den Sylter Ellenbogen. Nördlich gehts nicht. Schöner für uns auch nicht. Einziger Nachteil: von hier aus kann man nur noch ins Wasser gehen – oder in den Süden.

 

Ellenbogen Sylt

 

5. Auf Landunter hoffen

 

Halligen gibt es nur in Schleswig-Holstein. Halligen erheben sich bloß wenige Meter über den Meeresspiegel, so dass sie regelmäßig fluten. Halligbewohner bauen ihre Häuser auf Warften, künstlichen Hügeln, damit die Nordsee nicht ständig zur Haustür reinrauscht. Steht sie bis zum Garten, reden Halligfotografen von einem „wunderbaren Landunter“.

 

Halligen am Horizont

 

Auf eine Hallig haben wir es noch nicht geschafft. Obwohl ja nun schon richtig viel in Schleswig-Holstein unterwegs sind. Das Land hat einfach zu viele Schönheiten und Skurilitäten im Gepäck. Ist schon was ganz Besonders. Der echte Norden eben.

Und ich schätze mal, wir haben sogar noch die ein oder andere Sache vergessen, die man nur in Schleswig-Holstein machen kann. Falls Dir was auffällt: wir freuen uns über jeden Hinweis.

Steinburg

Sollte man öfter machen: Landpartie durch Steinburg

Ist man erst einmal über die Existenz des Kreises Steinburg informiert, fallen einem immer mehr Steinburger Sachen ein, die das Leben bereichern. Vor der Bloggerei glaubte ich, nordwestlich von Hamburg befände sich a) Pinneberg , b) nichts und c) die Autobahn durchs Nichts nach St. Peter Ording.

Inzwischen bin ja schlauer. Und da liege ich nun im Kreis Steinburg. In der Stunde, in der die Vögel zu singen beginnen. Begleitet vom Wassergeplätscher vorm Fenster. Kühle Luft strömt ins Zimmer. Volko atmet kaum hörbar. Ich ziehe die Bettdecke zur Nase. Himmel, ist das herrlich.

 

 

Wir sind wieder in der Bokel-Mühle am See. Ein Familienfest dieses Mal. Ohne dies (ein Hoch auf die Jubilarin) wären wir garantiert nicht gekommen. Hätten uns die Zeit nicht genommen. Zu viel zu tun derzeit. Ärgerlich viel zu tun. Ich bin gestern abend direkt aus Magdeburg angereist. Mit dem Kopf noch halb beim Job. Volko brummte derselbe. Zu lange auf Zahlenkolonnen gestarrt. Beide gestresst. Und dann: der erste Atemzug Landluft. Willkommenskultur vom Feinsten.

 

Schwan

 

Was habe ich auf der Zugfahrt von Magdeburg nach Hamburg gehofft, der Frühling möge in Schleswig-Holstein noch nicht so weit sein wie in Mitteldeutschland, wo alles schon nach Sommer aussieht.

Ist er nicht. Das habe ich gestern noch registriert. Als wir unser Zimmer mit Seeblick bezogen.

Danach war alles Champagner und Bratkartoffeln und Gesprächsfäden, die wieder aufgenommen werden wollten, wo sie vor Wochen oder Monaten abgelegt wurden. Familienfest eben. Sollte man öfter machen. Ich schätze sie mittlerweile so hoch – meine kleine, laute Familie. Aber die Morgenstille vorm Fenster schätze ich auch.

 

Bokel Zimmer 39

 

Leise, leise in die Dusche tappsen. Leise, leise anziehen. Ich will raus in den Tag ohne Verpflichtungen. Auf der Liste meiner Lieblingsgefühle ganz weit oben.

 

Bad

 

Dass man den Frühling beim Einziehen beobachten kann, habe ich auch erst durchs Bloggen erfahren. Es gibt diese 3, 4 Tage, an denen sich alles, alles ändert. Heute ist einer davon. Die Sonne hat Kraft.

 

Bokel

 

Die Sommerzeit ist meine Komplizin. Im Winter ist es mitunter lästig, hat ein anderer Frühaufsteher aus meiner Familie gesagt. Was soll man in den dunkeln Stunden schon anfangen? Aber im Sommer ist es herrlich, hellwach zu sein, während andere noch schnarchen. Ich gehe. Ich atme. Sollte man öfter machen.

 

See

 

Man sollte auch öfter mit der Familie frühstücken. Meine hat genau die richtige Größe für die Bibliothek. Schön still sind sie heute morgen alle. Schön entspannt. Gleich werden sie sternenförmig abreisen. Nach Hamburg, Schleswig-Holstein, Niedersachsen und Berlin. Verabredungen fliegen über den Tisch. Bis nächste Woche, Ihr. Und wir zwei sehen uns dann im Mai. Alle anderen: Bis zum nächsten Mal. War schön. War richtig schön. Und niemand musste putzen, einkaufen oder kochen.

 

Kaffeetisch

 

Und wir machen jetzt, was Udo Lindenburg neulich in der Zeit empfahl: Alter Trick: die Sonne abholen. Das hilft immer: losfahren, rumstreunen, Perspektive wechseln, in andere Welten gehen, sich treiben lassen und die Antennen neu justieren.

 

Terrasse

 

Das sind jetzt die Tage, wo wir lieber im Landesinneren sind als an der Küste. Schleswig-Holstein verwandelt sich ins Auenland. Knallblau und neongrün.

 

Wanderweg

 

Die Luft so klar, als hätte einer den Himmel geputzt, Felder wie frisch aufgeschüttelte Bettdecken, aufgeräumte Bauerngärten. Der Landkreis Steinburg ist ausgesprochen ordentlich. Und am allerordentlichsten ist es in Waaaaaacken, das sich heute als ruhigster Ort im Universum präsentiert. Aber so viel ist zu sehen: In Wacken gibt es keine Probleme mit der Demographie, keine leeren Ladenlokale oder verlassenen Wohnhäuser. Wacken wirkt wohlhabend und gut genährt. Freu Dich, Du bist in Wacken.

 

Wacken

 

Ein fetter Mercedes mit Kölner Kennzeichen steht vor dem Store. Der Fahrer sieht nach guter Gehaltsklasse aus. Die Hose hat er auf die Art hochgegürtet, die vermuten läßt, dass er ein, zwei Dutzend Metall-Scheiben besitzt. Andächtiges Shooting. Gelobtes Land für Menschen, die kreischende Gitarren lieben.

 

W:O:A

 

Dass wir den Löwenanteil unseres Lebens nichts über die Existenz Steinburgs oder die genaue Lage Wackens wussten, ist so typisch hamburgisch. Großstädter halten sich ja gern für den Nabel der Welt. Dabei ist Hamburg international gesehen nicht besonders bedeutend. Man kennt das: Gibt man sich außerhalb Europas als Hamburger zu erkennen, erntet man oft Schulterzucken und noch öfter den guten, alten Cheeseburger-Witz. Wacken hingegen, wo im Sommer 85.000 Metaller das größte Heavy-Metal-Festival der Welt feiern, ist auf jedem Kontinent bekannt.

 

Full Metal Photo Box

 

Noch was im Kreis Steinburg mit internationaler Bedeutung: Der Nord-Ostsee-Kanal. Von Wacken aus ist man in ungefähr 10 Minuten da.

 

Nok

 

Der Nord-Ostsee-Kanal ist die meistbefahrene Wasserstraße der Welt. Er macht die Gegend wunderbar langsam; grad mal 75 km von Hamburg entfernt. Am Anleger halten, auf die nächste Fähre warten, übersetzen. Das kostet übrigens nichts. Nicht mal Zeit. Denn jede Minute, die man am Kanal verbringt, ist bestens investiert. Auch das haben wir erst vor etwa drei Jahren entdeckt. Davor haben wir höchstens mal von den Hochbrücken runtergeguckt.

Es ist toll da unten am Kanal. Ein Welt für sich. Spazieren kann man stundenlang. An vielen Fährstellen gibt’s die Möglichkeit zur Einkehr. Von ganz einfach bis ganz schick. Eine gute Mischung findet man im  Kanal 33 bei Hohenhörn.

 

 

Sonne im Gesicht. Galloway-Bratwurst auf dem Teller. Schiffe vor der Nase. Wollen wir noch weiter? Nö. Hier bleiben wir sitzen. Und gucken rüber nach Steinburg. Feines Plätzchen. Gutes Leben. Sollte man öfter machen.

 

Kanal 33

Sierksdorf

Scharbeutz oder die Strände Deines Lebens

An einem ziemlich kalten Sonntag Ende März stieß ich bei der Suche nach einer Webcam für Scharbeutz auf die Seite der Tourismus Agentur Lübecker Bucht. Die Agentur bewirbt nicht etwa die Lübecker Bucht sondern nur die Strände zwischen Neustadt und Scharbeutz – mit dem Slogan „der Strand Deines Lebens“.

Ich fand das irgendwie witzig, weil mir spontan niemand unter 90 einfiel, der einen bestimmten Strand als „Strand seines Lebens“ bezeichnen würde. Ich kenne nur Menschen mit verschiedenen Stranderinnerungen; oft verteilt über die ganze Welt. Einer schöner als der andere. Jeder zu seiner Zeit.

Andererseits war es vielleicht doch ganz gut getextet (catchy, wie der Werber sagt). Denn ich dachte von da an den ganzen Tag über Strände und das Leben nach. Und auch wenn Scharbeutz sicher nicht der Strand meines Lebens ist, gehört er doch zu meinem Leben dazu.

Vielleicht lag mein Gegrübel aber auch gar nicht am Claim. Sondern an Maikes Blogbeitrag über den Strand ihrer Kindheit, der mich ein paar Tage zuvor inspiriert hatte, mal wieder nach Scharbeutz zu fahren.

 

Besuchst Du den Strand Deiner Kindheit noch? Wieso (nicht)?

 

Jedenfalls: Die Webcam von Scharbeutz zeigte ähnlich mieses Wetter wie in Hamburg. Also fuhr ich los. Scharbeutz kann ich nämlich seit einigen Jahren nur noch ganz früh morgens oder bei miesem Wetter ertragen. Ansonsten ist es mir zu voll.

 

Strandcafe

 

Ich stellte mein Auto an der Grenze zu Timmendorf ab; genau dort, wo ich es etwa ein Jahr zuvor abgestellt hatte, um nach Travemünde zu laufen. Dieses Mal wollte ich in die andere Richtung gehen – nach Sierksdorf. (Es sind übrigens exakt 7 km, falls es mal jemand nachlaufen will.)

 

Strand

 

Das Wetter war genauso mies wie erwartet. Scharbeutz allerdings viel, viel, viel voller als erhofft. Also wirklich wahn-sin-nig voll. Brechend voll. Im Epi-Zentrum, beim neuen Bayside Hotel, fühlte ich mich wie auf dem Hamburger Dom. Auf eine gruselige Art war ich fasziniert. Aber ich hatte nicht das Bedürfnis, die Seebrücke zu betreten (was bei mir höchst selten vorkommt).

 

 

Was wollen die bloß alle hier, dachte ich leicht empört. Noch dazu bei diesem miesen Wetter. (Dann fiel mir auf, dass ich ja auch da war. Bei diesem miesen Wetter.)

Und während ich den langgestreckten Ort passierte, entfernte ich mich nicht nur räumlich sondern auch innerlich. Rein optisch muss ich zugeben, dass Scharbeutz besser aussieht als in der früheren 80er Jahre Pracht. Aber gefühlsmäßig ist für mich da nicht mehr viel zu holen.

Als ich Haffkrug erreichte, war Scharbeutz von einem Strand meines Lebens zum Lebensabschnittsstrand geschrumpft. Doch was soll´s. Strände verändern sich eben. Genau wie Menschen sich verändern.

 

Hund vor Villa

Wunderbar seit Urzeiten: das Mira Mare zwischen Haffkrug und Sierksdorf

 

In unserem Herzen, Schatz, da ist für viele Platz: Lebensabschnittsstrände

 

Miramare

Wer glaubt, der Strand von Haffkrug sei mit den Jahren kleiner geworden: Das Gegenteil ist der Fall

 

Lebensabschnittsstrände habe ich viele. Interessanterweise erinnere ich mich an jeden einzelnen ganz genau. Anders geht mir das zum Beispiel mit den dazugehörigen Urlaubsorten oder den Unterkünften; die hab ich meist nur schemen- und/ oder bruchstückhaft im Kopf.

 

Pferd am Strand

 

Die Strände meines Lebens entdeckte ich wellenartig: Ausgehend von den Liegestuhlreihen in Italien in der frühen Kindheit folgten im Teenageralter ganz Südeuropa, mit der Volljährigkeit die USA und ab dem Studium tat ich es dann nicht mehr unter 10 Stunden Flugzeit und tropischem Klima.

Erst in meinen späten 30ern wurde ich wieder neugierig auf den Norden; zunächst auf vermeintlich spannendere Gegenden wie Litauen oder Island. Aber dann verkleinerte sich mein Radius rapide – bis zu diesem Blog. Wie eine Welle sich ja auch am Ende zurückzieht. (Mag sein, sie baut sich irgendwann wieder auf.)

Die Strände Schleswig-Holsteins und Dänemarks haben mich allerdings konstant begleitet und werden es hoffentlich auch immer tun. (Was bei einer Schleswig-Holsteinerin kein großes Wunder ist.) Und meine aller-aller-aller-älteste Strand-Erinnerung stammt aus Sierksdorf.

Genau da stand ich nun ein bisschen rum. Und suchte nach Emotionen. Fand aber nicht so recht welche. Ein klares Zeichen, dass es Zeit ist zu gehen.

 

 

Was nun die Strände meines Lebens betrifft, habe ich mich auf dem Rückweg dann doch noch festgelegt. Es gibt sehr wohl zwei Strände, die für mich wichtiger als alle anderen: 1. Der Strand, an dem ich mich gerade befinde. Und 2. der Strand, den ich als nächstes entdecken werde.

Und vielleicht – falls Du ein Lebensabschnittsstrandtyp bist – passt das ja auch für Dich?!

Hohwacht

Der Traum vom Haus in Hohwacht

Ein Freund von uns hat festes Quartier in Hohwacht bezogen. Seit vergangenen September pendelt er zwischen Hamburg und Meer; zwischen Alltag und Aufatmen mit Ansage. Ein Lebensstil, den sich ja sehr viele Leute vorstellen können, wenn man sich mal so umhört. Und auf den wir sehr gespannt waren, als wir unseren Freund neulich besuchten.

An einem Tag mit Heldenwetter führte er uns von Hohwacht ins benachbarte Sehlendorf. (Die Bilder zeigen genau den Weg.)

 

Strandkorbverleih

 

Die Hohwachter Bucht zieht sich grob gesagt von Kiel nach Fehmarn. Besonders die namensgebende Gemeinde Hohwacht hat ihren angenehm verschlafenen Charme retten können. U.a. weil seit mehr als 60 Jahren die Regel gilt: Kein Haus darf die Baumkronen überragen. (Was für ein Unterschied zu Grömitz, wo wir an diesem Morgen aufgewacht waren.)

 

 

Erste Erkenntnis: Es macht einen Unterschied, ob man einen Strandspaziergang als Tagestourist auf einem Großparkplatz beginnt. Oder ob man sich im geschützten Garten eines Freundes trifft.

Besonders wenn noch eine Freundin des Freundes vorbeischaut, um den Hamburgern Hallo zu sagen. Mit der man eine Weile über vergangene Zeiten, uralte Birnenbäume und Komposthaufen schwadroniert – bevor man gemächlich ans Wasser schlendert.

Jedenfalls waren wir (fünf Menschen und ein Hund) über die Maßen entspannt. Und gingen gaaanz langsam.

 

Bank am Meer

 

5 Freunde und ein Hund ist eine ziemlich gute Zahl zum Spazieren. Man redet mal mit diesem, mal mit jenem; mal läuft man mit dem Hund vorweg; mal lässt man sich allein zurückfallen, um den eigenen Gedanken nachzuhängen. Ich dachte (unter anderem) über den Traum vom Haus am Meer nach.

 

DLRG

 

Der Traum vom Haus am Meer

 

Badehaus

 

Der Traum vom Haus (Häuschen, Wohnung, irgendwas) am Meer wird von so vielen Menschen geträumt, dass er beinahe zum Klischee geworden ist; mindestens aber überbeansprucht scheint.

In den Hochrechnungen zur Bevölkerungsentwicklung kommt Schleswig-Holstein deshalb recht glimpflich davon. Man geht davon aus, dass sich in den nächsten Jahren, relativ viele, realativ gut versorgte Rentner aus anderen Bundesländern diesen Traum erfüllen werden.

Ich bin gespannt, ob die Rechnung aufgeht.

 

Hohwacht Strand

 

Meine Zweifel nähren sich aus zwei Umständen.

1. kann sich schon jetzt kaum ein normaler Rentner ein Haus am Meer leisten, wohlversorgte Generation hin oder her.  Spekulanten, Investoren und anderes (tschuldigung) Gesocks haben die Preise längst explodieren lassen.  (Schönes (erschreckendes) Video vom NDR; u.a. auch aus Hohwacht. Die Ostsee: Verkauftes Paradies?). Es scheint mir zumindest nicht undenkbar, dass ganz Schleswig-Holstein irgendwann ein einziges Kampen wird. Mit Häusern, die lediglich ein paar Ferienwochen im Jahr genutzt werden und ansonsten leer stehen.

 

Strand

 

2. geht es (bestimmt nicht allen aber) sicher doch auch anderen Menschen wie mir: ein Traum ist oft nur ein Symbol für etwas ganz anderes.

Volko und ich können uns nämlich auch auf den Traum vom Haus am Meer einigen. Allerdings immer mit dem Zusatz „irgendwann mal, wenn wir älter sind; vielleicht in zehn Jahren oder so“. Das denken wir nun aber schon seit zehn Jahren oder so.

 

Alt-Hohwacht

 

Ähnlich ging mir das mit dem Heiraten und Kindern.

Ich konnte mir stets vorstellen, „in ein paar Jahren“ zu heiraten und Kinder zu bekommen. Ja, ich fand es lange sogar selbstverständlich, dass es „in ein paar Jahren“ geschehen würde. Doch ich hatte nie den dringenden Wunsch, es jetzt zu tun. Bis mir irgendwann dämmerte: Will ich wohl doch nicht wirklich.

Kann sein, dass ich mit dem Haus am Meer gerade an einen ähnlichen Punkt gerate.

 

Segelboot

 

Bekäme ich ein Haus am Meer geschenkt, meine Güte, ich würde es nehmen. Aber eigentlich gefällt mir viel besser, immer wieder woanders zu sein. Seit wir bloggen hat sich nämlich herausgestellt, worum es mir bei der Haus-am-Meer-Sache eigentlich geht. Und zwar: Ruhe.

 

NSG Hohwacht

 

Mein Job besteht vereinfacht gesagt aus Reden & Zuhören. Und ich genieße auf unseren Trips, dass ich genau das nicht muss. Weil ich niemanden kenne.

Würde ich jemanden kennen, liefe es doch wieder auf aufmerksames, höfliches Reden & Zuhören hinaus.

So bin ich einfach gestrickt. Und dann wäre die ganze schöne Unangestrengtheit dahin.

 

Galloway

 

Es ist für mich auch keine Option, an meiner Persönlichkeit zu arbeiten, um irgendwann eine zu werden, die allen möglichen Leuten vor den Kopf stößt, weil sie weder reden noch zuhören mag.

Ich denke, wenn man irgendwo festes Quartier bezieht, muss man den Wunsch haben anzukommen – nicht nur geographisch sondern auch sozial.

Das Gegenteil wäre a-sozial und darüber freuen sich Einheimische in der Regel nicht.

 

Binnensee Hohwacht

 

Ort und Mensch müssen einfach zusammenpassen. So wie bei unserem Freund und Hohwacht. Der ist nämlich angekommen; eingebettet in ein soziales Gefüge, ganz nach seinem Geschmack. Vielleicht weil er als Engländer eine ähnliche Attitüde an den Tag legt wie der klassische Schleswig-Holsteiner.

 

Sehlendorf

 

Schleswig-Holsteiner sind ja schon speziell im Umgang. Wer zu viel Distanz aufbaut (etwa den Großstädter gibt), wird nicht besonders ins Herz geschlossen. Aber auch zu wenig Abstand kann fatal sein. Ich kenne überaus sympathische Menschen, die mit ihren Integrationsversuchen gescheitert sind.

 

Strandzugang

 

Wem die Integration gelingt, hat´s allerdings gut. Denn Liebe hat in Schleswig-Holstein viel mit Essen zu tun. Man redet bekanntlich nicht allzu viel und allzu gefühlig an der Küste – man tischt lieber sehr gute Sachen auf. An der Seite unseres Freundes ist uns das gleich zweimal passiert.

Das zweite Mal geschah es in Sehlendorf.  Im Dünenhuus lud man uns zur Fischsuppe ein. So was erlebt man als gemeiner Tagestourist in der Regel nicht. Leider war ich schon supersatt, da wir bereits in Alt-Hohwacht zu Mittag gegessen hatten. Aber die, bei denen noch was ging, versicherten: Große Sache.

 

Strand Sehlendorf

 

Was unser Mittagessen im Strandhotel von Hohwacht betrifft, kommt hier eine fette Unterlassungssünde: Wir haben keine Fotos davon. Bzw nur solche, wo mindestens einer von uns (besonders ich) so bescheuert aussieht, dass er (oder ich) es garantiert nicht hier auf dem Blog sehen möchte.

Also können wir das Strandhotel nur wörtlich loben: Wir haben quasi die gesamte Fischkarte durchprobiert – und keiner von uns Fünfen ließ auch nur ein Fitzelchen auf dem Teller. Was absolut nicht an kleinen Portionen lag. (Der Hund bekam eine eigens zubereitete Eierspeise).

 

Strandweg

 

Dass mit den Fotos holen wir nach. Denn wir wollen den Strand von Hohwacht natürlich auch noch mal in die andere Richtung ablaufen. Vielleicht wenn die Birnen im Garten unseres Freundes reif sind. Ist schon praktisch, so ein Freund mit Haus am Meer.

Goldener Ring

Reich. Reicher. Falkenstein. (Ein Spaziergang)

Falkenstein ist ein bewaldetes Gebiet in Blankenese und als Lebensmittelpunkt den Menschen vorbehalten, die nicht bloß wohlhabend oder vermögend sind – sondern weit darüber hinaus. Man könnte also sagen, Falkenstein ist das Blankenese von Blankenese. Nur nicht so überlaufen. Zumindest nicht vormittags unter der Woche. Da ist Falkenstein goldrichtig zum Spazieren.

Der Klassiker führt knapp 7 km als Rundkurs über  Elbhöhen und Elbstrand. Man könnte natürlich auch weit darüber hinaus gehen. Hauptsache man geht. Bald. Um den vollen Blick auf den Fluß einerseits und die Parkanlagen andererseits zu genießen; so ganz ohne verdeckendens Blattwerk an den Bäumen.

 

Waldpark

 

Ein guter Startpunkt ist das ehemalige Landhaus Michaelsen. Die Bauhaus-Schönheit von 1923 beherbergt das Puppenmuseum und den Kunstraum Falkenstein. Als eines der wenigen öffentlich zugänglichen Anwesen ist es der perfekte Ort um mal zu spüren, wie das Leben als Superreicher wohl so wäre. Das reine Vergnügen, nehme ich an. Ein Spaziergang geradezu.

Dieses Leben, ein Spaziergang

 

Puppenmuseum Hamburg

Das Puppenmuseum. Ob der goldene Ring im Baum Kunst ist, weiß ich nicht. Aber er kann auf keinen Fall weg.

 

Aber das ist natürlich oberflächlich. Zwar, ja, ja, hat man vom Puppenmuseum den tollsten Hamburger Elbblick überhaupt. Doch der Mensch gewöhnt sich ja an alles. Und unter jedem Dach ein Ach.

Dieses spezielle Dach (und dieser Blick) war Jahrzehnte dem Verleger Axel Cäsar Springer vorbehalten. Er nutze das Landhaus jedoch nicht, sondern ließ es verfallen. Gewohnt hat er in einer Villa nebenan. Die benachbarten Grundstücke hatte er zum Schutz seiner Privatsphäre gleich mitgekauft. Man kann eben gar nicht genug Distanz zu seinen Nachbarn aufbauen.

 

Elbblick

 

Die Distanz hätte größer sein können, wird vielleicht Springers Nachbar, ein Herr Alsen, gedacht haben. Springers Ehefrauen Nummer drei und vier waren nämlich beide zuvor mit Herrn Alsen verheiratet gewesen.

Falls man angesichts des Reichtums ringsum die Gerechtigkeits- oder gar Systemfage stellt, wird die Perspektive im angrenzenden Sven-Simon-Park zurechtgerückt. Sven Simon war der Künstlername von Springers ältestem Sohn, einem bekannten Fotografen, der sich 1980 das Leben nahm.

Unter diesem Eindruck stiftet Springer einen Großteil seiner Ländereien der Öffentlichkeit und zog sich zunehmend auf sein Anwesen auf Sylt zurück.

 

 

Mich erinnert Falkenstein atmosphärisch übrigens sehr an Kampen (minus Cabriofahrern in farbigen Hosen und Goldschmuck. Denn in Falkenstein regiert altes Geld. Das unter Reichen ja mehr gilt als neues. Was ich immer seltsam finde, denn es bedeutet doch nur, dass man für altes Geld nichts weiter getan hat als zu erben. Aber vielleicht stimmt es auch, dass altes Geld nicht rumprollt?! Ich kenne mich da nicht weiter aus).

Was jedenfalls „syltig“ an Falkenstein ist, sind die riesigen, riesigen weißen Reetdachvillen aus den 30er Jahren im Stil des Klenderhofes (respektive Springerburg). Auch der Duft der Kiefern! Und wie die Sonne auf dem Wasser glitzert! In Falkenstein erwischen mich immer Urlaubsgefühle. Je nach Lichteinfall glaubt man sich an der Nordsee. Oder in Südeuropa.

 

Spaziergang

 

Auf dem Elbhöhenweg geht es ganz schön auf und ab für norddeutsche Verhältnisse. Über teils steile Pfade, in Serpentinen oder auf uralten Treppen mit eisernen Geländern.

 

Dieser Spaziergang, ein Vergnügen

 

Neßsand

Blick auf die Elbinsel Neßsand

 

Früher gehörte ganz Falkenstein mal dem superreichen Reeder und Kaufmann Godeffroy. Er war unter Seeleuten als „White Falcon“ bekannt. So kamen der Falkenstein, die Falkenschlucht, das Falkenthal etc. zu ihren Namen.

Ohne Godeffroy würden die Elbhänge vielleicht noch heute aus nichts als kahlem Sand bestehen. Nicht mal 200 Jahre ist es her, dass er Aufforstung im maximalen Stil betrieb. Was unfassbar scheint angesichts des dichten Waldes aus Buchen, Eichen und Kiefern.

 

Elbhoehenweg

 

Als Ende der 1880er Jahre Godeffroys Imperium auseinanderbrach, kamen die Investoren; kauften das Land für 14 Pfennig pro Quadratmeter und verkauften es in großzügigen Parzellen mit großzügigem Gewinn weiter. Und so ist es anscheinend bis heute geblieben.

 

 

Dass sich die Allgemeinheit in Falkenstein rumtreiben darf, ist – logo – ein Verdienst der Sozialdemokratie. Es war Max Brauer, der die Idee eines durchgehenden Wanderweges von Altona nach Schulau entwickelte.

Bis auf ganz wenige Teilstücke ist das Vorhaben inzwischen realisiert. Und am Rest arbeitet ein gemeinnütziger Verein. Auf dem Weg liegt auch der Römische Garten; 30 Meter über dem weißen Strand von Blankenese.

 

Containerschiff

 

Dieser Garten, ein Theater

 

Anders als die meisten Anlagen am Elbufer wurde der Römische Garten nicht im englischen Stil angelegt  – sondern im Jugendstil. Er befand sich früher in Privatbesitz (u.a. der Bankiersfamilie Warburg) und brachte die damalige Sehnsucht nach Italien zum Ausdruck.

 

Roemischer Garten

 

Im Sommer finden in dem kleinen Freilicht-Hecken-Theater aus den 1920er Jahren immer mal wieder öffentliche Aufführungen statt. Die aber für meinen Geschmack zu gut besucht sind. Ich hab den Römischen Garten am liebsten, wenn er ganz still vor mir liegt.

 

Amphietheater

 

128 Treppenstufen unter dem Römischen Garten wartet der Elbstrand. Da ist es ja nie still. Aber ein Strand muss grundsätzlich nicht so still sein wie ein Wald, finde ich. Und sowieso ist es vormittags unter der Woche gut erträglich.

 

Elbstrand

 

Wenn es warm wird in Hamburg, wird es am Elbstrand immer gleich total heiß. Dann möchte man sich nur noch in den Sand sinken lassen; mit einem eiskalten Getränk in der Hand. Oder zwei. Schon der Mai lullt das Elbufer an sonnigen Tagen mit Trägheit ein. Will man sich bewegen, ist der frühe Frühling besser.

 

Schilf

 

Dieser Frühling, eine Freude

 

Im April möchte man am liebsten ewig weiterlaufen. Über Wittenbergen nach Wedel bis zur Nordsee. Könnte man auch. Muss man aber nicht. Jedenfalls nicht sofort.

 

 

Wittenbergen

 

Der Frühling fängt ja gerade erst an. Wir haben noch Wochen und Wochen und Wochen, um an die Nordsee zu pilgern (die ihre beste Zeit im August und September hat). Die beste Zeit für Falkenstein allerdings ist: ungefähr jetzt.

 

Falkenstein

 

PS.: Der direkte Weg zurück zum Puppenmuseum führt kurz hinterm Elbecamp steil nach oben. Also: Ein bisschen Puste aufbewahren oder im Café des leicht hippieesquen Campingplatzes Kräfte sammeln.