Der Gegenverkehr kommt in Form eines Alsterdampfers. Der Trick ist, sich von der Bugwelle nicht beeindrucken zu lassen. Am besten überhaupt nicht nachdenken. Wie man auch nicht nachdenken darf, wenn man ein Tablett mit randvollen Gläsern balanciert. Sich schön rechts halten. Dabei nicht in den gewaltigen Trauerweiden verheddern, die so typisch für das Alsterufer sind.
Die Miniwellen des Alsterdampfers laufen glucksend unter meinem Bord hindurch. Es tanzt ein wenig. Aber ich bleibe stehen. Und jetzt ist sie da: Die Freude, dass ich mich heute Abend aufgerafft habe.
„Halte das Paddel näher am Board“, korrigiert mich Tanja. Meiner Trainerin entgeht keine Fehlhaltung. Nicht bei mir und nicht bei den anderen 10 Teilnehmern des Anfängerkurses beim SUP Club Hamburg.
Statistisch gesehen wird es einen aus unserer Gruppe erwischen. „Einer von 10 fällt“, hat Tanja erzählt. Ihr selbst ist das natürlich noch nie passiert. In fünf Jahren nicht. So lange schon wechselt sie nach Feierabend – wann immer das Wetter es zulässt – von ihrem ganz normalen Schreibtisch an der Elbe auf das Board an der Alster. Ob das nicht manchmal anstrengend ist?
„Nie“, sagt Tanja. „Ich habe noch nie keine Lust gehabt.“
Dabei war sie weder Sportstudentin noch funky Surferin, als der SUP-Virus sie erwischte. Sportlich zwar immer; aber eben auf diese normale Weise, bei der sich Spaß und Pflichtgefühl die Wage halten. Inzwischen macht sie es so, wie ich es toll finde.
Denn SUP ist für Tanja kein Frauen-Pseudo-Hobby, dem sie nachgeht, wenn grad kein anderer an ihr zerrt. Sondern richtig wichtig. Tanja lebt Stand-Up-Paddling. Dirigiert sie mal keine Anfängerkurse oder Betriebsausflüge oder Kindergeburtstage, paddelt sie zum Vergnügen los. Und im Winter steigt sie in Uggs aufs Bord.
„Ich falle ja nicht“, behauptet sie grinsend. „Deswegen brauche ich auch keine Neopren-Schuhe.“
Man sieht ihr das tägliche Wasser-Workout an. SUP ist nicht nur ausgesprochen schonend für die Gelenke sondern auch maximales Training für die Rumpfmuskulatur. Bei Tanja scheint es sich allerdings auf die Ganzkörpermuskulatur auszuwirken. Beneidenswert.
„Nach der Brücke rechts“, ruft sie zwei Männern weiter vorn zu. Und kümmert sich um die, bei denen es noch nicht so flutscht. Das ist das Beste am SUP-Anfängerkurs: Man darf sich von der ersten Minute an so frei bewegen, wie man es sich zutraut.
Wie gut, dass ich allein gekommen bin, denke ich. Wie gut, dass ich nicht reden muss.
Nur das Paddel ins Wasser tauchen und (schön dicht) am Board entlang ziehen. Es ist warm. Die Alster riecht dunkelgrün.
Die Alster ist ein Sommersee
Eine bestimmte (gar nicht mal so kleine) Seite der Stadt begreift nur, wer sich aufs Wasser wagt. Zur Hamburger Identität gehört das Wissen, wie die eigene Stimme unter einer Brücke klingt. Wie sich das anfühlt, frisch verschossen dem neuen Schwarm im Ruderboot gegenüber zu sitzen. Das kleine Stoßgebet, er möge bitte, bitte rudern können.
Die Alster ist ja kein x-beliebiger Fluss. Die Alster ist das Nervengeflecht der Stadt. Die baumbestandenen Läufe wie heimliche Tunnel. Die Kanäle mit den bekannten Villen und Wahnsinnsgrundstücken. Wasserstraßen, die sich durch Häuserschluchten ziehen. Und Teiche. So wunderbare Teiche.
Auf einem der schönsten, dem Feenteich, sammeln wir uns. Wir lernen Eleganteres als Geradeauspaddeln. So wenig Theorie wie nötig. So viel Praxis wie möglich. Tanja ist von der zackigen Sorte. Und dann üben. Üben. Üben. Wenden. Halten. Übergreifen. Die Fachbegriffe huschen mir davon wie nervöse Stichlinge. Man vergisst sich leicht auf der Alster.
Hamburger sammeln Alstererinnerungen wie Briefmarken. Ich hänge meinen nach.
Ein Junggesellinnenabschied im Tretboot. Eine Hochzeitgesellschaft auf einem Alsterdampfer. Dieser knallheiße Tag als ich mit einem besonderen Freund von Bodos Bootssteg ablegte und langsam, langsam die Gewissheit in uns einsickerte, dass er soeben sein Studium (ausgezeichnet) abgeschlossen hatte.
Da hat uns ein Hanseat eine Flasche Prosecco vom Balkon gereicht. Einer, den wir auf der Straße bestimmt für spießig gehalten hätten. Was nur etwas über unsere eigene Spießigkeit sagt. Die Alster wird jedem Vorurteil gerecht und lässt gleichzeitig keines zu.
Und die besten Geburtstage waren immer die von Bea, wenn wir mit einer Horde Mädchen plus Quotenmann hinausgepaddelt sind. Kein besserer Moment als der, in dem man die Kanus aneinanderbindet und die Picknickkörbe öffnet.
Eine/r von 10 fällt
Kurzer Schrei! Platsch! Direkt vor mir ist eine ins Wasser geplumpst. Tanja ist sofort neben ihr. Hilft ihr zurück aufs Brett. Ist ja gar nicht schlimm. Denn a) trägt sie unter dem T-Shirt einen Bikini (empfehlenswert) und b) nimmt sie´s mit Lachen. Ja, mir scheint sogar mit Vergnügen. Sie wird doch wohl nicht extra…?
Statistisch ist die Quote für heute erreicht. Doch die kleine Restangst bleibt, man könne selbst noch die Balance verlieren. Schlimmstenfalls irgendwo auf dem Rückweg vor den Augen des Publikums der unzähligen Ruder- und Segelclubs. Die Alster ist heute ausverkauft. Bis auf den letzten Platz.
Als wir den Steg des SUP-Clubs erreichen, sind wir viel ruhiger als noch vor zwei Stunden. Auch wenn es für den Betrachter nicht so aussieht, fühlt man doch, dass Stand-up-Paddling was mit dem Körper macht. Nicht so, dass man angestrengt oder gar ausgepowert wäre. Nur so, dass man völlig entspannt ist.
Tanja hilft Teilnehmern aus dem Wasser, nimmt Boards und Paddel entgegen, kassiert, gibt letzte Tipps, trifft Verabredungen für die nächsten Kurse, ist überall gleichzeitig, während wir Anfänger uns voneinander verabschieden. Muss man unbedingt wiederholen. Auf jeden Fall. Nach und nach schlendern die Leute zurück ins Stadtleben.
Es wird dunkel an der Alster. Ein Schwan zieht vorbei. Auf der Bank unter dem großen Baum flüstern sich zwei Frauen Geheimnisse zu. Es ist Sommer in Hamburg.
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Tolle Reportage, Stefanie. Du bist heute schon die Zweite, die mir Lust auf SUP macht.
Moin Maren, da ist doch ein Zeichen 🙂 Zumal Du Deine Bäume aus einer ganz anderen Perspektive sehen wirst. Komm gut in die Woche, Stefanie
Liebe Stefanie, toller Bericht. Da bekomme ich gleich Lust aufs Brett zu steigen. Liebe Grüße Kati
Danke Kati. Und, mensch, das hätte ich nicht gedacht, dass Du´s noch nicht probiert hast. Das ist sicher was für Dich!!! Ich sag schon mal: Viel Spaß – und liebe Grüße, Stefanie
Hallo Stefanie, ich finde es klasse, dass Du unser schönes Land als beschreibst und viele tolle Tipps gibst. Es muss nicht immer die weite Welt sein. Das Schöne liegt so nah! Danke und Grüße aus der weiten Welt. gabi
Liebe Gabi, das freut mich aber sehr, dass Du das schreibst. Gerade wenn man Deine tollen Berichte aus Norwegen liest. Vielen Dank und allzeit gute Fahrt, Stefanie
Wie herrlich! Und der nächste Schritt: Yoga SUP!!! Oder sagt man SUP Yoga? 🙂 Danke, liebe Stefanie, ich schiebe das jetzt schon so lange vor mir her und bin viel zu oft weg. Aber es führt kein Weg daran vorbei… 😉 Ganz liebe Grüße von der Nordsee!!!! Elke
Das Gute ist: Yoga SUP oder SUP Yoga hat der SUP Club Hamburg schon lange im Programm 🙂 Ich bin gespannt auf Deinen Versuch. Es bringt richtig Spaß (jedenfalls auf berechenbaren Gewässern. Nordsee könnte vielleicht krass sein?! :-)).
[…] Mut hat, kann sich auf den Grachten im Stand-Up Paddling probieren (bei Stefanie gibt es einen SUP Einführungskurs), weniger Mutige erkunden die Treene-Kanäle im Tretboot oder bei einer […]
[…] SUP und Picknick vertragen sich hingegen nicht so gut. Aber es gibt ja McBoat. Den Paddel-In einer Fastfoodkette. Ohne Quatsch. […]
[…] Einen Tag AUF dem Wasser verbringen (etwa beim SUPen) […]