Dass eine Wanderung um die Amrum Odde mich glücklich machen würde, wusste ich schon als ich die Nordspitze der Insel vor etwa 2 Jahren zum ersten Mal aus der Ferne sah. Das war auf Föhr, in Utersum, nahe der Stelle, wo die beliebten Wattwanderungen auf die Nachbarinsel starten. Die kleinste und die zweitgrößte Nordfriesische Insel kommen sich hier sehr nah.
Ich halte die – geführte – Wattführung durchaus für eine erlebenswerte Sache. Doch ich suche auf Kurztrips immer auch eine Portion (relative) Einsamkeit. Besonders wenn ich eine Naturschönheit zum ersten Mal erlebe. Die Amrum Odde, das war mir gleich klar, wollte ich für mich – und nicht im Pulk – entdecken.
Um norddeutsche Naturschönheiten für sich zu haben, ist der Januar ideal. Andererseits ist da die Sache mit dem Wetter. Oft genug steht das Barometer auf veränderlich. Das heißt auf den Nordfriesischen Inseln, dass sich das Wetter im Viertelstundentakt ändert – mit einer Heftigkeit, die es unmöglich macht, irgendetwas zu planen.
Ganz im Norden bei Norddorf: die Amrum Odde
Das Beste ist, man macht sich weiter keine Gedanken, sondern geht einfach los und guckt, was geht. Im Zweifel muss man eben umkehren. Und das hätten wir neulich beinahe schon 5 min nach dem Losgehen getan, weil heftiger Schneeregen einsetzte. Zufällig kam jedoch gerade ein Bus des Weges – und weil sich im Leben ja theoretisch immer auch alles zum Guten wenden kann, fuhren wir mit nach Norddorf.
Eigentlich hätten wir auch umkehren könnnen – englische Wissenschaftler haben das herausgefunden. Es ist nämlich so, dass die ersten fünf Minuten in der Natur, am radikalsten glücklich machen. Sie hellen nicht nur die Stimmung auf sondern steigern auch das Selbstwertgefühl. Längere Aufenthalte bringen zwar noch weitere Vorteile, verändern die Psyche aber nicht mehr so intensiv wie diese ersten Momente. Sagen jedenfalls die englischen Wissenschaftler.
Vielleicht ist es aber so, dass nach einer kurzen Busfahrt die nächsten 5 Glücksminuten beginnen. Denn ich muss sagen, meine zweiten 5-Minuten gefielen mir noch besser als die ersten. 100 Meter jenseits von Norddorf Mitte (Norddorf ist nicht gerade riesengroß) blickten wir in eine 3,6 km lange Herrlichkeit.
Die Amrum Odde ist die kleine Schwester des Sylter Ellenbogens
Man kann den etwa 2 km langen und 150 – 200 Meter breiten Dünengürtel an der Wattseite auf zwei Wegen erreichen. Auf dem sogenannten Teerdeich, der sich an der Wasserkante entlangzieht oder auf einer (im Januar unbefahrenen) Straße. Normalerweise bin ich eher der Teerdeich-Typ. Aber wir entschieden uns für die Straße, da an ihrem Ende der letzte Unterstand der Insel wartet. Ich brauchte kein Barometer, um zu wissen, dass es mittlerweile nicht mehr auf veränderlich stand. Sondern auf Sturm und Hagel. Als wir den Unterstand erreichten, durchströmte mich die nächste Welle Dankbarkeit – dabei waren wir schon 17 Minuten unterwegs.
Während die einzigen Spaziergänger, die sich abgesehen von uns auf den Weg zur Odde gemacht hatten (aber eben auf dem Teerdeich) das Feld räumten, erlebte ich geradezu ein Hochgefühl. Ich gebe zu, es ebbte nach etwa 20 Minuten etwas ab. Aber dann. Stellte der Himmel Sturm und Hagel ein. Urplötzlich. Und wir liefen ganz allein über einen Bohlenweg zum letzten Fahrradstand von Amrum. Dort parkte ein Auto, zugepflastert mit Aufklebern vom „Verein Jordsand zum Schutz der Seevögel und der Natur“. Daher nahmen wir an, es könnte sich um das Auto des Vogelwärters handeln.
Die Amrum-Odde steht unter Naturschutz. Sie ist ein wichtiges Brutgebiet für teilweise sehr seltene Vögel. Und noch nie habe ich so viele Austernfischer auf einem Fleck gesehen wie auf Amrum. Ich denke, die Studie der englischen Wissenschaftler hakt, weil sie nicht bedacht haben, dass einem beim Durchstreifen der Natur alle naselang etwas begegnet, das für erneute Freude sorgt. Also, wenn man der Typ dafür ist.
Naturtypen sterben vielleicht aus. Der 16. Jugendreport Natur hat 2016 eine zunehmende Natur-Entfremdung festgestellt. Nicht nur bei Kindern und Jugendlichen sondern auch bei der Elterngeneration. Die habe „wichtige Verbindungen zu unserem arteigenen Biotop verloren und kann sie daher auch nicht mehr für ihren Nachwuchs knüpfen“. Das betrübliche Phänomen lässt sich in allen Industrienationen feststellen und macht Kinder und Jugendliche anfällig für negative Stimmungen und Aufmerksamkeitsstörungen. Nature Deficit Disorder wird das im angloamerikanischen Raum genannt. Ob es mit der veränderten Mediennutzung zusammenhängt, ist nicht bewiesen. Viele Kinder und Jugendliche gaben jedoch selbst an, Fernsehen und Computerspiele der Natur vorzuziehen. Sie scheint im Gegensatz zur hohen Reizdichte neuer Medien langweilig.
Langweilig ist die Wanderung um die Amrum Odde nun ganz sicher nicht. Sondern geradezu abenteuerlich. Jedenfalls bei bestimmtem Wasserstand. Etwa ab dort, wo die zweitbesten Bank steht, die ich überhaupt kenne, beginnt das Betretungsverbot der Dünen. Dank Gummistiefeln konnten wir gerade noch zu einer nicht weit entfernten Treppe gelangen, die in ein Dünental führt.
Dort liegt uneinsehbar das Haus des Vogelwärters. Die Fenster waren verrammelt, doch er musst zugegen gewesen sein, denn es roch nach brennendem Holz und eine schmale Rauchfahne zog aus dem Schornstein. Von Mai – Oktober bietet der Vogelwärter Führungen an. Aber im Winter ist er wohl ganz gern für sich. Jedenfalls ließ er sich nicht blicken. Dabei blieben wir eine ganze Weile auf dem hohen, ungeheuer prächtigen Aussichtsplatz.
Was ich interessant fand: Obwohl ich mir sehr lange und sehr sehnlich gewünscht hatte, die Amrum Odde zu umwandern, beeinflusste es meine Stimmung nicht, dass nun endgültig klar war, dass es an diesem Tag nicht klappen würde. Ich blieb glücklich, obwohl ich etwas nicht haben konnte. Und ich glaube, das schafft bei mir nur die Natur.
Natürlich war mir längst klar, dass ich es irgendwann nachholen werde. Ich wusste schon, dass ich noch einmal nach Amrum komme, nachdem ich den ersten Schritt auf die Insel gesetzt hatte. Aber es bleibt trotzdem erstaunlich. Denn ich bin eigentlich gar nicht so bescheiden. Jedenfalls habe ich noch nie gedacht: oh, was für eine leckere Schokolade – ich bin so froh, dass ich sie irgendwann – wenn auch nicht jetzt – probieren werde. Wir gingen so gut gelaunt zurück wie gekommen, um uns am Fahrradständer, den nächsten Glückskick abzuholen. Dort führt ein Weg auf die Brandungsseite.
Für jemanden, der so oft um die Hörnum Odde gelaufen ist wie ich, ist der Blick von Amrum auf die Südspitze von Sylt faszinierend. Wie oft hat mir da schon jemand (der sich besser mit den nordfriesichen Insel auskannte als ich) gesagt: da drüben liegt Amrum. Und ich glaube, ich habe nie etwas anderes geantwortet als „Aha“ – im Sinne eines desinteressierten „ist ja sehr interessant“. Unglaublich begrenzt im Denken scheint mir das mittlerweile.
Ich fing ja erst sehr spät damit an, mich für meine arteigenen Biotope zu interessieren. Ich weiß bis heute nicht besonders viel über die Natur. Als Kind und Jugendliche waren mir Spaziergänge eher lästig. Insofern besteht auch Hoffnung für die heutige Jugend, würde ich sagen.
Was ich mit all dem sagen will: Irgendwann werden wir eine Wanderung um die Amrum Odde unternehmen. Bei Badewetter. Wenn es egal ist, wie hoch die Nordsee schwappt. Dann werden wir im Sonnenaufgang kommen. Bestimmt werden wir nicht ganz allein sein. Das geht eben nur im Winter. Aber die meisten werden sicher noch schlafen, wenn wir um die Amrum Odde wandern. Und ich weiß schon jetzt, dass es mich unheimlich glücklich machen wird.
Schön – einfach schön!
Text, Fotos – einfach alles.
Danke.
Hej Eva! Vielen Dank!
Ich schließe mich da an……schön – einfach schön….einfach alles schön. Auch wenn ich mich wiederhole, aber während ich am Schreibtisch sitze und lese, habe ich bei diesen wunderbaren Berichten und Fotos immer für ein paar Minuten das Gefühl dabei zu sein.
Genau das freut mich total 🙂
Liebe Stefanie.
Die englischen Wissenschaftler waren eben noch nicht auf Amrum. So ein wenig vergleiche ich Amrum öfter mit der Küste von Meck.Pom. Aber die Dünenlandschaft ist wieder so einmalig. Ich selbst war heute am Fähranleger in Schüttsiel und habe etwas wehmütig dem Ableger nach Amrum nachgeschaut. Wenn Ihr nochmal fünf Minuten Glück braucht, dann nehmt genau den Ableger nach Amrum und kommt über die Bäderstraße. Dort liegt in meinen Augen der schönste Koog Nordfrieslands und setzt dem Amrum-Urlaub noch einen auf:-)
Liebe Gedanken von Kai
Lieber Kai, Du hast ja schon einmal geschrieben, dass da Euer persönlicher Rückzugsort liegt. Gute Erholung also und liebe Grüße, Stefanie
Ach schade, dass es für euch nicht geklappt hat, denn es ist so wahnsinnig schön, die Odde zu umlaufen. Wir uns jedes Mal ein Muss. 😉 Aber wenigstens habt ihr euch die Stimmung nicht vermiesen lassen, das wäre auch zu schade gewesen.
Liebe Grüße,
Claudia
Wer sich durch das Wetter die Laune vermiesen lässt, ist ja nicht unbedingt gut aufgehoben im Norden 🙂 Schönen Tag Dir!
Oh my Heart! <3 Ich hatte beim Lesen echt Pippi in den Augen! amrum – meine absolute Herzensinsel, auf der ich gefühlt meine halbe Kindheit verbracht habe! Danke für´s mitnehmen, die tollen Bilder und die schönen Gedanken!
liebe Grüße
Nike
Dein Herz tanzt!? Wie schön. (Wer diesen Kommentar liest und Lust auf mehr Amrum-Berichte hat – schaut mal bei Nike vorbei. Schatzkästchen!)
Seitdem wir das 1. Mal auf Amrum waren und auch den Vogelwart besucht haben, weiß ich, dass ich die Odde auch eines Tages umrunden werde.
Da haben wir eine Sache gemeinsam und eine Sache, die uns unterscheidet (ich habe den Vogelwart ja nicht gesehen – aber ist sein Haus nicht einfach herrlich?) Vielen Dank für Deinen Kommentar. Und liebe Grüße.
Ein sehr schön geschriebener Artikel mit ebenso schönen Fotos, der mir Lust gemacht hat, am liebsten sofort auf Amrum ein paar schöne Tage zu verbringen ..
Ich war bisher noch nie dort.
Liebe Sigrid, vielen Dank für Deinen Kommentar. Es war ja auch mein erster Besuch auf der Insel. Amrum ist aber (meiner Meinung nach) so toll, dass es sicher nicht der letzte war. Also, wenn Du es irgendwann möglich machen kannst, kann ich es echt nur empfehlen. Liebe Grüße, Stefanie
Gruß von Inseliebhaberumer zu Nordlicht 😉
Bis bald mal zwischen den Meeren….
Jo, man sieht sich, nech?!
Halo Stefanie,
das ist auch einer meiner Lieblingsecken, ich bevorzuge allerdings den November 🙂 Kleiner Vorteil gegenüber dem Januar , es ist genauso leer auf Amrum aber wenn man Glück hat erwischt man noch ein paar warme Herbsttage…hat man Pech wird’s nebelig…aber auch das ergibt eine tolle Stimmung !
Lieber Gruss, Jürgen
PS: ich mag auch den Rundweg um die ganze Insel, ein schönes Tagesprogramm !
Hej Jürgen, den November stelle ich mir auch toll vor. Und Nebel in Nebel muss super sein. Im Januar – bei veränderlichem Wetter – hatte Amrum genau die richtige Größe, um die Insel in zwei Tagen zu umrunden. Das zeige ich auch noch mal im nächsten Beitrag. Danke für Deinen Kommentar und liebe Grüße, Stefanie
Liebe Stefanie, sag‘, wo steht die erstbeste – nein – beste Bank, die Du kennst?
Ich bin übrigens auch ein Fan der leeren Küsten und Strände im Januar. Manchmal muss man sogar eine Woche bleiben, um den einen Sonnentag zu erleben. Aber es ist trotzdem schön. LG Ulrike
Guten Morgen Ulrike,
meine Lieblingsbank steht in Tornby, ganz oben in Dänemark, gleich beim Eisladen. Apropos Dänemark… warst Du schon? Muss gleich mal gucken gehen. Grüße, Grüße, Stefanie
Ja, ich war und jetzt gibt’s auch den Post dazu…
Wo holst du nur immer die feinen Texte her?! (Wobei ich die Bilder nicht missachten möchte!) Aber ich weiß, dass solche Texte nicht von allein entstehen. Danke für deine hier aufgeschriebenen Gedanken!
Hach. Das nehme ich mal als Kopliment, nech?“
Schöner Text und wunderbare Fotos, Stefanie! Hut ab!
Freut mich, dass es Dir gefällt!
Amrum hört sich nach Deinem Beitrag richtig gut an. Januar und November werde ich mir vormerken. 🙂 LG aus Hannover Simone
PS: Nicht wundern, aber HannoverblickOst hat noch Winterschlaf 😉
Liebe Simone – Dein Fotoblog ist ja auch wunderschön!!!
Danke, Stefanie!!! und Dir noch einen schönen Sonntag!
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