Man kann dem November ja Vieles vorwerfen.
Doch sicherlich nicht, dass er stresst.
Nichts liegt ihm ferner.
- Der November schickt Dich nicht zum Spielen nach draussen.
- Mahnt nicht, das schöne Wetter zu nutzen.
- Deutet nicht mit dem Zeigefinger auf Staub in Regalen
- oder ungeputzte Fensterscheiben.
- Und Weihnachten ist noch weit.
- Der November rät Dir nicht, regelmäßiger Sport zu treiben.
- Will nicht, dass du 5 kg abnimmst auf die Schnelle.
(Das kann man – wie alle guten Vorsätze – auf´s nächste Jahr verschieben.
Und bis dahin trägt man eben Norwegerwolle.)
Eigentlich muss man im November gar nichts.
Chill mal, Du, sagte er neulich, als ich auf einem zugigen Bahnhof mit ihm zusammenstieß. Mach mal halblang. Mehr will ich ja gar nicht von Dir.
Dass Du überhaupt was von mir willst, entgegnete ich giftig. Dabei reicht mir schon, dass ich Dich aushalten muss. Für mehr habe ich echt keine Nerven. Und sowieso keinerlei Zeit. Ich bin im Stress, verstehst Du. Schaffe meine Arbeit nicht mehr, so müde machen mich Deine bleigrauen Tage. Und komm mir bloß nicht zu nah. Eine Grippe kann ich nämlich überhaupt nicht gebrauchen. Mir wird ja schon ganz kalt, wenn ich nur an den Winter denke. Und dann wären da auch noch die Weihnachtsgeschenke…
Na, da plustert sich aber eine auf, unterbrach mich der November, in einem Ton, mit dem man zu kleinen Kindern spricht.
Im Windmachen
Macht ihm nämlich keiner was vor.
Ist mir sowas von piepe, was Du von mir hältst, sagte er und lachte ein Sturmgelächter zum Zeichen, dass er mir nichts übel nahm. Dass er darüber stand, wenn man ihn vorbeiwünschte. Dass es ihn gar nicht berührte, wenn alle Welt ihn ignorierte.
Aber was wisse er denn schon, sagte er noch, er sei nur ein einfacher Monat vom Meer. (Für meinen Geschmack klang es sehr selbstbewusst.)
Während er mir davonwehte, dachte ich an Lebkuchen im September im Supermarkt. An Weihnachtsgedöns gegen Ende Oktober. Yogaübungen für das Hier & Jetzt. Und blaugraugrüne Wikingeraugen.
 
Und vielleicht hatte ich ihn doch verstimmt. Denn als ich ihn dann wiedertraf – das war auf Fischland, in Ahrenshoop – da drehte er sich nicht einmal um. Stand breitbeinig am Flutsaum und schaute zum Horizont.
Hej, sagte ich, als ich neben ihn in die Wellen trat.
Sei doch mal still, Du, antwortete er, mach doch mal halblang, mehr will ich ja gar nicht von Dir.
Und alle anderen am Strand wollten auch bloß ihre Ruhe.
Während ich ostwärts ging, machte ich halblang. Es schien nicht schwer.
(Weil ein Wind aufkam, gegen den ich ankämpfen konnte.)
Und als mich das Kämpfen zu langweilen begann, zählte ich in Gedanken auf, was es braucht, um mit dem November gut auszukommen:
- eine Jacke (es muss nicht einmal Deine wärmste sein)
- solange Du Dich bewegst
- und Dir Deine Oma hinter die Löffel geschrieben hat, dass Du nicht aus Puderzucker bist. Falls nicht
- brauchst Du ein gutes Buch für Regenstunden.
- Ein zweites weil der Abend lang ist.
- Und Du musst Dich entscheiden können – für das einzig geöffnete Restaurant am Platz.
Noch was:
- Seebrücken solltest Du bis zum Ende gehen. Egal, wie es stürmt.
- Und Du brauchst ein Lied, das man in den Wind rufen kann.
(Ich nehme immer von Blur den Song 2)
Nun reichts mir aber mit Listen & Müssen, brauste der November. Da war es schon fast stockfinster. Hast Du denn noch immer nicht verstanden, dass ich gar nichts von Dir will ?
Aber ich hatte. (Es war nur so vollkommen ungewohnt).
In dieser Nacht schlief ich neuneinhalb Stunden am Stück.
Moin Steffi, was für ein philosophischer Beitrag zwischendurch, der den Monat November so wunderbar beschreibt, daß man ihn gleich lieben muß. Ich tue das sowieso schon sehr lange, ist er doch ein Monat zum Atemholen. Ich glaube, Ahrenshoop sowie der gesamte Darß ist selbst im November ein wunder- barer Ort. Das Meer, der Wald, der Wind und die Kranichzüge, die einen ganz sprach- los machen – genießt noch die Zeit dort. Liebe Grüße
Fabelhaft!
Danke für´s Lesen Euch Beiden. Fischland-Darß-Zingst berührt auf spezielle Art, finde ich. Ich war richtig froh, dass ich die Halbinseln im leergefegten November kennenlernen konnte.
Wunderbar – wieder mal!
Danke.
Liebe Steffi. Du bist ein Poet – aber das weiss ich schon lange :o)
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