Vor 13 Tagen bin ich zum letzten Mal in der Nordsee geschwommen, naja, sagen wir ich plantschte, denn es war in St. Peter Ording Böhl, wo das Meer kilometerweit so flach ist, dass man kein Knie unter Wasser bekommt. Es war mein allerletzter Nahkontakt mit dem Meer für 2016. Ich wusste das, da am Tag drauf eine arbeitsreiche Phase begann. Abbaden mit Ansage also. Und so was lässt einen ja immer sehr bewusst werden.
Abbaden ist das Gegenteil von Angrillen. Die erste angekokelte Bratwurst 2016 hielt ich z.B. nicht für ein Wunder. Ich kann mich nicht mal an sie erinnern. Über meinen letzten freien Sommertag hingegen kann ich mich auch 13 Tage später noch nicht einkriegen und weiß genau: es war der 14. September 2016, der Himmel war strahlend blau, es war nahezu windstill und die Temperatur betrug 27 Grad.
Wir trafen etwa mit dem Hochwasser ein; um 11.45 Uhr. Ich muss generell immer sofort zum Wasser, wenn ich an einen Strand komme. An meinem letzten freien Sommertag aber ganz besonders. Vor allem in Böhl, wo das Meer einem leicht mal wegläuft. (Volko hat diesen Drang überhaupt nicht. Mach ich später, sagt er achselzuckend. Und vielleicht auch gar nicht. Je nachdem. Ich glaube, das liegt an seiner sonnenverwöhnten, süddeutschen Kindheit. Er ist eben nicht traumatisiert, wie jemand, der in Schleswig-Holstein aufgewachsen ist.)
Ich hab mir die Böhler Verhältnisse mal genau vom Strandkorbmann erklären lassen. Bei Hochwasser beträgt die Entfernung von den Strandkörben bis zur Wassergrenze 750 Meter. Bei Niedrigwasser zieht sich die Nordsee weitere 1,5 Kilometer zurück.
Aber sie läuft hier ja flach rein, nech, meinte der Fachmann. Wie weit man laufen müsse, bis sie einem zu den Knien reicht, sei vom Wind abhängig. Können schon mal zwei, drei Kilometer sein, sagte er grinsend. Oder auch vier. Aber spätestens bei der Fahrrinne kannst Du schwimmen. Ehrlich. Na, dann.
Ich bin nicht sicher, ob das Seemannsgarn war (Strandkorbmannbast). Aber jedenfalls war es schön symbolisch. Während ich auf die Nordsee zulief, entfernte sie sich von mir mit jeder Minute. Sie hat mich noch mal ein bisschen spielen lassen; aber richtig ernst (im Sinne von echten Schwimmzügen) wurde es nicht.
Übertrage ich Ebbe und Flut auf das Jahr, wird die Nordsee sich jetzt 4,5 Monate lang von mir zurückziehen. Am 1. März 2017 wird sie es sich anders überlegen, sich dann aber noch mal die gleiche Zeit nehmen, bis sie mir wieder über die Füße schwappt. In 9 Monaten.
Als ich noch jung war, hätte mich der Gedanke an 9 Monate ohne Meerbad derart deprimiert, dass ich den letzten freien Sommertag gar nicht in vollen Zügen genossen hätte. Ach, ist das nicht furchtbar, hätte ich gesagt, gedacht, gefühlt. Doch dafür ist mir meine Zeit immer öfter zu schade. Das gefällt mir am Älterwerden. Man wird dankbarer für die guten Momente. Das Glas quasi immer halbvoller. 🙂 Jedenfalls verspürte ich großen Spaß und keinerlei Wehmut.
Mir kommts so vor, als läge Demut nicht besonders hoch im Kurs. Als würde sie häufig mit Unterwürfigkeit gleichgesetzt. Folgt man allerdings Erich Fromms Definition, als die der Vernunft und Objektivität entsprechende emotionale Haltung, die notwendig ist um den eigenen Narzissmus zu überwinden, klingt mir Demut nach einer feinen Sache.
Noch bin ich natürlich Anfängerin in Demutsfragen. Aber ich fange ja auch gerade erst an, älter zu sein. Am allerbesten kriege ich es in der Natur hin. Dort erkenne und akzeptiere ich aus freien Stücken, dass es etwas für mich Unerreichbares gibt. (So die Begriffsdefinition des Demütigen auf Wikipedia).
Grämen wir uns also nicht, dass der Sommer vorbei ist. Sondern binden wir Seegras um unsere Sommererinnerungen und verwahren sie gut. Zumal der Herbst ja auch nicht schlecht ist. Goethe meinte sogar, es sei unsere beste Zeit.
Schön. Mit dir laufe ich dem ablaufenden Wasser am liebsten hinterher, Stefanie. 🙂
Schön auch das Bild von dem Glas, das immer „halbvoller“ wird. Danke.
Danke, Maren. Du bist also zurück aus dem Blog-Urlaub. Gehe ich gleich mal gucken….
Schöne, treffende Abschiedsworte für diesen Sommer!
Und mir geht es da wie dir: die Dankbarkeit für den Augenblick wird mehr je älter ich werde.
Müsstest du nicht arbeiten, könntest du heute nochmals so einen herrlichen Tag an der Nordsee erleben – auch heute scheint nochmal traumhaft die Sonne hier.
Und überhaupt: so lange ich noch FlipFlops trage, ist für mich noch (zumindest Spät-)Sommer.
Ich trage sie noch – immer noch jeden Tag. 🙂
Liebe Grüße an dich, arbeite nicht zu viel und versuche heute auch noch ein wenig Sonne zu bekommen
Eva
Freut mich voll für Dich. Hoffentlich hattest Du ein bisschen was davon?! Flip-Flops habe ich auch schon eingemotten, seid ich letzte Woche derart gegen den Kantstein gestoßen bin, dass ich drei Tage kaum laufen konnte. Der Zeh ist blitzeblau. Sonne ist für mich im Moment nicht – aber in 12 Tagen gehts wieder los (ich nehme dann auch grauen Himmel; Hauptsache irgendwo draußen). Liebe Grüße zurück!
Eine Liebeserklärung an Eiderstedt. Schöner kann man es nicht beschreiben. So wenig braucht es, um so viel glücklich zu sein. Schleswig-Holstein, mein Land der Horizonte.
Aber warum schon jetzt abbaden? Zumindest kurz lohnt es sich immer, ins Wasser zu gehen, um sich dann mit toter Tante oder dem Pharisäer wieder aufzuwärmen:-) Ich bin gerne auch im Winter, im richtigen Winter in SPO. Wenn es gefroren hat und die Eisplatten sich am Strand auftürmen. Dann wird der Strand sehr bizzar und schenkt uns eine ganz eigene Welt.
Du hast Recht, Kai. Doch ich muss leider zur Zeit so viel im Süden, Westen und Osten arbeiten. Komme gar nicht in Meeresnähe. Erst wieder, wenn´s (vermutlich) stürmt. Tote Tante habe ich übrigens noch nie getrunken. Vielleicht probiere ich das mal im Oktober…
Witzig, ich da heute und habe vor fünf Minuten ein Bild gepostet. Und nein, gebadet habe ich nicht…
https://deichlamm.wordpress.com/2016/09/27/der-herbst-der-ein-sommer-war/
Radfahren gilt auch 🙂
Tote Tante und Eisschollen am Strand von SPO – man kann sich auch auf Winter freuen!! Liebe Grüße von der Nordsee, Ulrike
Aha. Tote Tante also ein Muss 🙂
Wunderschön. Ich bin zum Herbstanfang immer sehr wehmütig, weil ich den Sommer und die Sonne so sehr liebe <3 und der Sommer HEUTE definitiv vorbei ist. Es stürmt und die Blätter fallen. Dann schaue ich mir diesen Winter einfach Deine und Ulrikes schöne Bilder an vom Meer, vom Strand……und dann geht er bestimmt ganz schnell vorbei…..der Winter…..Hoffe ich. 😉
Das Gefühl kenne ich gut. Seid wir so regelmäßig raus fahren, weiß ich aber für mich, dass es bis Jahresende absolut erträglich ist. Meine schlimmste Zeit sind Januar und Februar. Bis dahin ist es zum Glück noch eine Weile.
Einfach schön, Stefanie – Du kannst zwischendurch so wunderbar philosophisch sein und sprichst mir dabei immer aus der Seele. Jetzt ist also abgebadet, und unser elbkind geht nächste Woche ins Winterlager. Jetzt freue ich mich auf den Herbst!
Liebe Grüße, Martina
Es ist immer dieser Moment, den man fürchtet. Aber wenn es vorbei ist, ist es gar nicht mehr so schlimm. Wie beim Zahnarzt 🙂
Ich hab‘ auch eine süddeutsche Kindheit hinter mir – und dachte, genau das sei der Grund dafür, dass ich immer direkt ans Wasser renne, wenn ich in Richtung Meer komme. Wenn möglich rein, manchmal auch nur mit Händen oder Füßen. 🙂
Deine Fotos und Dein Text haben mir sehr gut gefallen. Ich schaffe es zu selten an die Nordsee, fällt mir auf. Abbaden gehört ab sofort zu meinem Wortschatz.
Mmmmh. Dann ist es wohl doch eine Charakterfrage. 🙂
[…] Sache rund zu machen. Auch dafür würde ich Böhl empfehlen. Aber dort ist das keine Sommersache. Abgebadet wird in Böhl erst im Herbst. Und der fühlt sich da dann noch immer nach Sommer […]
[…] Muss sind Strandkörbe auf Sandbänken. Sandbänke sind nämlich steinhart. (Wie etwa in St. Peter-Ording Böhl. Dort wirkt übrigens auch der netteste Strandkorbverleiher der Welt. Man sollte ihn unbedingt nach […]
[…] Plansche in der Böhler Badewanne. Die südlichste Badestelle im Strandparadies St. Peter-Ording (kurz: SPO) ist die zweitschlechteste zum Schwimmen und die allerbeste zum Baden. Noch nach […]