Tag 4 im Lake District. Und leider auch schon unser letzter. Wie an den Tagen zuvor, schauen wir am Morgen kurz auf die Karte, um in etwa den Weg abzustecken. Eigentlich ist es egal, wohin man sich treiben läßt. In den Lakes ist es überall traumhaft schön. Und schöner als gestern kann es ja sowieso nicht werden.
Allerdings haben wir das gestern auch schon gedacht. Und vorgestern. Und vorvorgesten. Und man will ja wenigstens Dopplungen vermeiden, wenn man schon nicht alles Sehenswerte sehen kann. Unser erstes Ziel ist heute Grasmere, wo der Superheld unter den Lake-Poets begraben liegt – William Wordsworth.
Der mit den Narzissen tanzt
Wordsworth gilt zusammen mit Coleridge als Begründer der englischen Romantikbewegung. Sein Gedicht über die Narzissen (engl.: Duffodils) am Ullswater kennt quasi jedes englische Kind.
I wandered lonely as a cloud
That floats on high o´er vales and hill
When all at once I saw a crowd,
A host, of golden daffodils;
Beside the lake, beneath the trees,
Fluttering and dancing in the breeze.
Das beinahe runde Dorf Grasmere am gleichnamigen See ist weiter nichts Besonderes.
Nur noch so ein Ort, an dem man denkt: So etwas Süßes habe ich ja noch nie gesehen. Und gerochen. Denn in Grasemere wird der beste der Lebkuchen der Welt gebacken. Ein Besuch von Sarah Nelson´s Gingerbread Shop lohnt unbedingt.
Weiter geht es ins benachbarte Langdale. In dem spärlich besiedelten Tal beginnt laut dem Guardian „Englands most outreagous street“, also
Englands empörendste Straße
Vielfach liest man, es würde sich um Englands steilste Straße handeln. Aber das ist nicht gesichert. Fest steht nur, dass am Ende des Langdales (wo die Welt nach normalen Maßstäben eigentlich zu ende sein müsste) eine uralte Passstraße ihren Anfang nimmt.
Gleich zwei Pässe sind zu überwinden. Der Wrynose Pass wie der Hardknott Pass wurden im 2. Jahrhundert von den Römern gebaut. Das Ganze hat ein bisschen was von „mit dem Kopf durch die Wand“.
Gut zu wissen: Es handelt um eine sehr schmale Straße. Sie zieht sich 6,2 Meilen durch die Einsamkeit der Cumbrian Mountains. Wenden und umkehren ist fast überall knifflig. Und irgendwann auch gar keine Option mehr. Weil man sich nicht vorstellen mag, die steilen Stellen, die hinter einem liegen, wieder runterzufahren. Abkürzungen oder Abzweigungen gibt es logischerweise nicht. Man sollte also vorher entscheiden, ob man da durch will.
Kurz nachdem Volko findet, dass es ja nun so schlimm auch nicht war, beginnt der Wrynose Pass. Er ist nur bei gutem Wetter befahrbar und nach meinem Empfinden wirklich eine Zumutung. Allerdings eine wunderschöne Zumutung.
Falls einem einer entgegenkommt, ist hoffentlich eine Ausweichbucht in der Nähe.
Gibt es keine Ausweichmöglichkeit, muss einer von beiden rückwärts. Wenn es sich dabei nicht gerade um einen höflichen Engländer handelt, sondern um einen geschocktern Touristen, ist die Lage schon mal etwas angespannt.
Aber meistens kommt sowieso keiner.
Höchstens mal Mountainbiker. Mir wird einmal mehr klar: Es sind nicht alle Menschen so wie ich. Warum man sich freiwillig eine 30% ig Steigung mit dem Fahrrad antut, kann ich mir noch irgendwie erklären. Stichwort: Herausforderung. Aber warum sollte man da hinunterschießen wollen? Großer Gott!
Three-Shire Stone
Manche behaupten, der Lake District hätte J.R.R. Tolkien als Vorlage für das Auenland gedient. The Shire, wie das Auenland im Original heisst, wäre damit auf dem Wrynose-Pass zuende. „In echt“ markiert der Three-Shire-Stone die Grenzen der ehemaligen Counties Cumberland, Lancashire und Westmorland.
Auf dem Hardknottpass läuft alles mal wieder darauf hinaus: Die spinnen die Römer.
Ich meine: Wer solche Straßen baut, der baut auch 117 km lange Mauern im Nirgendwo. Um nur mal eine weitere Sache zu nennen, die Hadrian zuzuschreiben ist. Genau wie das
Hardknott Roman Fort
Anders als bei Tolkien ist man bei George R.R. Martin ja nicht auf Vermutungen angewiesen. Wir wissen, dass der Hadrians Wall ihn zur Mauer inspirierte. Im Hardknott Roman Fort kann man sich ziemlich gut vorstellen, wie sich die Männer der Nachwache fühlen.
Eine Vorstellung, die mich hingegen krank macht: Die britische Regierung prüft derzeit die Eignung des darunter liegenden Eskdale-Tales als Atomendmülllager.
Eskdale ist richtig dünn besiedelt. Das kleine Dorf Boot hat nur 15 Einwohner – aber zwei Pubs.
Warum man Engländer lieben muss
In der letzten Zeit hört man ja oft, die englische Küche sei viel besser als ihr Ruf. Dafür findet man auf den Speisenkarten erstaunlich viel Weißbrot und frittierten Fisch. Doch es gibt zwei Dinge, auf die man sich in England verlassen kann: Pubs & Pies. Vermutlich gibt es auch noch eine dritte sichere Sache, nämlich Lamm, aber das kann ich nicht beurteilen. Sie sind mir zu niedlich, um sie aufzuessen. Das soll jedoch kein moralischer Zeigefinger sein. Rinder sind auch niedlich. Und dennoch liebe ich Beef Pie. Blätterteigkunstwerke sind natürlich nichts für Zwischendurch. In England nimmt man zum Lunch ja nur eine Kleinigkeit zu sich (sowie zwei bis drei Bier). Stets eine Empfehlung ist die Soup of the Day, die auf keiner Mittagskarte fehlt. Sie ist in der Regel Gemüse-lastig und schmeckt unserer Erfahrung nach immer und überall. Übrigens bestellt man im Pub direkt am Tresen und gibt kein Trinkgeld.
Nach dem Lunch geht es ein Tal weiter. Im Wastdale liegt
Englands tiefster See
Umschlossen von schroffen Bergwänden ist der 4,6 km lange und 600 m breite Wast Water ein stiller und mystischer Ort. Einer von denen, die man im Herzen behält.
Der Name Wast Water leitet sich vom altnordischen Vatndalr ab. Ein Zeugnis der Wikinger, die überall im Lake District ihre Spuren hinterlassen haben. Mich hat die Landschaft sehr an Island erinnert. Erst als die Schatten lang werden, können wir uns losreissen.
Während es die Ureinwohner nun allmählich nachhause treibt, steuern wir noch mal Richtung Meer.
Bonsoir Tristesse
Angelegt wurde Maryport von den Römern als Versorgungsbasis für den Hadrians Wall. Mit dem typisch strengen Raster, diente Maryport angeblich als Vorlage für die Planstadt Manhattan. Das habe ich einem Flyer in irgendeiner Touristeninfo entnommen. Und deswegen habe ich mir Maryport ganz, ganz anders vorgestellt.
Maryport war lange ein industrieller Mittelpunkt Nordenglands. Doch als der Hafen zu klein wurde – bzw. die Schiffe zu groß für den Hafen, ging die Stadt beinahe unter. Die Bevölkerung halbierte sich. Die Arbeislosigkeit lag zeitweise bei beinahe 60%. Heute versucht man, sich ein Stückchen vom Touristenboom der Lakes abzuschneiden. Und Maryport hat auch wirklich Charme. Wenn man, so wie wir, diese typisch britische Traurigkeit liebt.
Was absolut für Maryport spricht: Vom Strand kann man bis nach Schottland schauen.
Allerdings ist auf den ersten Blick nicht besonders viel los. Nur im Captain Lord Nelsons brennt noch Licht. Drinnen ist es voll, laut und superdupergemütlich. An den Tischen Familien, an der Bar junge Leute und die freundlichsten Bedienungen der Welt.
Zu und zu schade: Fisch wird mal wieder nur frittiert angeboten. Sogar die Scampis sind in Teig gehüllt. Doch die Beef Pie ist vorzüglich. Ein Mädchen, viel zu jung, um Rod Stewart zu hören, drückt an der Juke Box: „The first cut is the deepest“. Das ist genau der richtige Song für den letzten Abend einer ersten Reise nach Nordengland.
Hallo Stefanie, toller Bericht und super Fotos. Der Pass bleibt wirklich in Erinnerung. Das Gefühl dort zu fahren können Worte und Bilder nicht wiedergeben. Obwohl Du schon dicht dran bist. Ich kämpfe immer mal wieder mit Eurer neuen Seite. Auf dem iPhone und dem iPad geht die schwer, auf dem Desktop schon eher. Ansonsten würde ich viel öfter vorbei schauen, liken und Kommentare schreiben. Liebe Grüsse aus dem Norden, Reinhold
Vielen Dank, Reinhold. Vor allen Dingen auch für die Anmerkungen zum Technik-Murks. Wir kämpfen auch damit :-). Haben aber irgendwie noch nicht herausgefunden, woran es überhaupt liegt. Dein Kommentar ist aber ein guter Motivator, um mal engagierter nach einer Lösung zu suchen. Liebe Grüße zurück, Stefanie
[…] Charles-Dickens-Vorstellungen allerdings erweitern. Im Gegensatz zu unseren Erfahrungen an der Nordwestküste , ist das Angebot an unfritiertem Fisch […]
[…] gar nicht mehr erwarten. Deswegen reisen wir ihm seit einigen Jahren entgegen. In der Vorsaison ist Nordengland wunderbar melancholisch, beeindruckend schön und das Klima immer den entscheidenden Tick […]