Würde mir ein Hamburger erzählen, dass er übers Wochenende nach Rügen fliegt, würde ich ihn für seltsam halten. Dass wir übers Wochenende nach Malmö flogen, fand ich hingegen ganz normal. Dabei – und das war mir vorher gar nicht klar – sind Rügen und Malmö etwa gleich weit von Hamburg entfernt. Aber Malmö ist immerhin Ausland. Und Schweden klingt nicht nur weit weg. Es fühlt sich auch weit weg an. (Allerdings ist man ziemlich schnell da – weil es eben nicht weit weg ist).
Malmö ist eigentlich ganz in der Nähe
35 Minuten dauert der Flug von Hamburg nach Kopenhagen. 5 Minuten der Weg von der Gangway zum Bahnsteig der Øresund-Bahn. 19 Minuten später hat man die Meerenge überquert. (Es ist allerdings weniger spektakulär als gedacht. Die ersten Kilometer führen durch einen Tunnel, dann fährt man eine lange Strecke auf einer künstlichen Insel und nur die letzten 8 Kilometer auf Öresundbrücke selbst). Mit dem Auto ist es vielleicht eindrucksvoller.
Wie Malmö so ist, kann man schon am Bahnhof erkennen: Die Südschweden haben Lust auf Kunst…
… und schöne Dinge.
Malmö passt ins Handgepäck
Malmö kann man prima innerhalb eines Wochenendes erfassen. Die Stadt bietet genügend Zerstreuung für quasi jeden Geschmack. Aber auch nicht so viel, dass man in Hektik geraten würde, aus Angst irgendwas voll Wichtiges nicht zu schaffen. Am Freitag rollern die Wochenend-Ausflügler in Scharen mit ihren Rollkoffern vom Bahnhof rüber zum Stortorget – dem größten und ältesten Platz der Stadt.
Der Name Malmös leitet sich von dem schwedischen Wort für „Sandhaufen“ ab. Malmö ist aber alles andere das. Nämlich ziemlich weltgewandt und elegant. Hinter dieser Fassade befindet sich die wunderschöne Apoteket Lejonet (Löwenapotheke)
Die Architektur Malmös reicht bis ins Mittelalter zurück. In der Altstadt gibt es viele historische Bauten aus allen Epochen und eine Menge Fachwerk. Uns hat es vor allem die Jugendstil-Architektur angetan.
Man möchte die Schweden ja umarmen dafür, dass hinter den wunderschönen Fassaden keine 1-Euro- oder Handy-Shops lauern. Shoppen kann man in Malmös Innenstadt übrigens auch am Sonntag und 1a (Ich bin weder Shopping-Queen noch Restaurant-Retterin: Aber ich kenne welche. Und ich kann mir das Glitzern in ihren Augen vorstellen.)
Im Viktoria-Theater zeigt sich die skandinavische Entspanntheit: Bei Picknick-Konzerten sind die Besucher aufgefordert, ihr Catering selbst mitzubringen.
Malmö hat was übrig für Kunst. Die Kunsthalle etwa ist eine der größten Ausstellungshallen für moderne Kunst in Europa und allein schon wegen der Räumlichkeiten einen Besuch wert. Mehr moderne Kunst gibts im Malmö Museet, das gleich ums Eck in einem ehemaligen Elektrizitätswerk liegt. Wir haben dort einen alten Bekannten wiedergetroffen: Den Animatograph von Christopfer Schlingensief. Netterweise lud das Goethe Institut zu dieser Ausstellung ein. Da sag noch mal einer, Skandinavien wäre teuer.
Wer´s klassischer mag, ist im Malmöhaus Schloss richtig. Dort sind gleich vier Museen untergebracht. Der Schlosspark zieht sich mit seinen seltsam grünen Kanälen vom Øresund bis in die Innenstadt.
Überhaupt Parks: 17 gibt es in der Stadt und weitere sind in Planung. Egal, wo man sich einquartiert, liegt also ein Hauspark in der Nähe. Sowieso liegt immer alles in der Nähe. Malmö ist schön knuffig kompakt. Um sich zu orientieren, muss man nur einen Kirchturm ins Auge fassen. Die silberne Spitze von St. Pauli beispielsweise ist von überall gut zu sehen.
Malmö ist eine Mini-Metropole
Malmös Soho liegt in Møllenvangen, sagt der Flyer der Touristeninformation. Das ist vielleicht ein bisschen übertrieben. Aber eine Nummer kleiner gesehen, stimmt´s schon: Erstaunlich viele Läden präsentieren sich im Berlin-Mitte-Style. Erstaunlich viele Jungs tragen Bärte und Musikinstrumente unter dem Arm. Erstaunlich viele hübsche junge Frauen im Elfenlook und mit Wikinger-Attitude, möchte man stundenlang beobachten. Møllan ist Hipster-Gebiet.
Das ehemalige Arbeiterviertel ist beinahe gentrifiziert. Die Mischung aus kreativer Klasse und arabischer Gemeinde macht aber noch fröhlich. Angeblich gibts hier die besten Musiker und die besten Falafel Schwedens. Unbedingt empfehlenswert: Sich in eines der vielen Restaurants am Møllenvangenstorget in die Sonne setzen und darüber nachdenken, warum hier eigentlich fast alle Englisch sprechen.
Ausgerechnet hier, wo wir uns beinahe wie zuhause fühlen, spüren wir auf einmal etwas, das wir schon beinahe vergessen hatten: den Wunsch, uns für unsere Herkunft zu rechtfertigen. Und zwar im
Folketspark
Er ist der älteste Volkspark der Welt und mit fast 3 Mio Besucher jährlich eines der meistbesuchten Ziele in Schweden. Im Februar tobt dort nicht direkt das Leben. Aber man kann sich vorstellen, wie das Ganze bei Konzerten in lauschigen Sommernächten aussieht. Jetzt kurven nur ein paar Kinder auf der Eisbahn. Zwei Jungs sprühen ihre Graffitis an den Holzzaun. Wir lesen gleich mehrmals: No Pegida.
Mein zweiter Gedankengang erinnert mich, dass Schweden mit einer eigenen Pegida-Bewegung zu kämpfen hat. Aber der erste Schock ist damit nicht zu überdecken. Wir sind ja letztes Jahr komplett in Deutschland geblieben und haben gar nicht mitbekommen, was Pegida für unser Ansehen draußen in der Welt bedeutet. Ach, ist mir das widerlich, dass der hässliche Deutsche sich wieder zeigt. Peinlich auch. Ich habe mich in den letzten Jahren daran gewöhnt, dass man uns ganz nett findet im Ausland. Doch ich kann mich auch noch gut an Zeiten erinnern, in denen man zuerst mal erklären musste, dass man kein Vollhonk ist.
Natürlich nehme ich das viel schwerer als die beiden Sprayer. Natürlich lächeln die uns trotzdem an. Aber trotzdem, ey. Schade, schade, schade, dass die Deppen nicht aussterben. Darauf brauch ich erst einmal ein Bier.
Wohin man abends geht? Immer der Musik nach!
Am späten Nachmittag werden die Sitzpolster am Lilla Torg herausgeschleppt. Der „kleine Markt“ ist Malmøs Amüsierzentrum.
Aber eigentlich ist die gesamte Altstadt ein Amüsierzentrum. Dabei scheinen die Schweden nicht viel von Winterklamotten zu halten – es ist ja auch schon der 1. März. Die Heizpilze stehen so dicht, dass es sich ganz gut draußen aushalten lässt.
Der schönste Club, den wir entdeckt haben: Das Hipp im alten Theater. (Wer nicht gern tanzen geht, kann sich den Saal auch bei Tage ansehen. Im Restaurant gibts einen guten Mittagstisch).
Schön praktisch an Malmös Nachtleben: Die Musik spielt ziemlich laut (lauter als auf der Reeperbahn). So findet man auch die Läden, die ein bisschen ab vom Schuss liegen.
Schade, dass wir zu schlapp waren, um bis in den Morgen zu feiern. Ich stelle es mir ziemlich gut vor, morgens mit zertanzten Schuhen auf die Straße zu treten und die Sonne über dem Øresund aufgehen zu sehen.
Der Øresund ist nämlich das allerbeste an Malmø. Aber das habe ich ja schon erzählt.
PS.: Unterkunft
In der Innenstadt gibt es unheimlich viele Hotels (für die unheimlich vielen Besucher mit kleinen Rollkoffern). Es ist auch echt eine gute Idee, sich hier einzuquartieren. Es gibt kaum Autoverkehr und man ist innerhalb von Minuten an allen interessanten Plätzen.
Unser Hotel, das Scandic St. Jörgen, befindet sich im einzigen nicht so schönen Gebäude; allerdings in allerbesten Lage am Gustav-Adolfs-Torg. Preislich absolut in Ordnung würde ich das Haus einen Tick oberhalb eines Motel-Ones einordnen. Das Frühstück allerdings ist weitaus besser. Und weil Malmö Schwedens Öko-Metropole ist, sogar politisch korrekt.
das Foto von der Fassade mit der Löwenapotheke habe ich auch gemacht im Sommer…wir haben ja nur einen Mini-Stop auf der Rückreise im Sommer eingelegt und quasi nur die Altstadt gesehen – aber ich kann mir gut vorstellen, für ein Wochenende nochmal hin zu fahren. Für mich dann vielleicht 1,5 Stunden Flugzeit ;o)
Lg Merle
Lustig – wahrscheinlich haben alle, die mal in Malmö waren, die gleichen Fotos. Es ist eben keine Großstadt. Aber ich finde sie trotzdem so schön individuell. Schönes Wochenende da unten am großen Flughafen 🙂 Steffi
Malmö ist wirklich übersichtlich nett. Besonders hat mir der Park hinter den Museen gefallen, dort wird sogar Bio-Gemüse für das Park-Restaurant angebaut… aber Malmö schreibt man mit einfachem schwedischen ö, nicht mit dem dänischen durchgestrichenen 😉
Danke, Anke. Das ändere ich gleich.