Der erste Blick auf die reale Aschauer Lagune unterscheidet sich eklatant vom ersten virtuellen Eindruck; also ihrer Darstellung im Internet. Mir ist schon häufig aufgefallen, dass das Netz keine allzu verlässliche Informationsquelle darstellt. Das gilt nicht nur für politische Fragen.
Was Suchmaschinen auf den ersten Seiten anzeigen, hat nämlich wenig mit Güte, Aktualität oder Beliebtheit der Texte und Seiten zu tun. Sondern vorwiegend mit Suchmaschinen-Optimierung, kurz SEO (von search engine optimization). Eine langweilige Sache, bei der sich alles um Google dreht, denn über 90% aller europäischen User nutzen den Marktführer.
Vereinfacht gesagt läuft SEO so: Google gibt vor, wie ein idealer Text auszusehen hat. Je gehorsamer ich mich Googles Vorgaben unterwerfe, desto höher wandert mein Text im Ranking der Suchergebnisse nach oben. Im besten Fall wird er auf Seite 1 gebracht.
Analytische Menschen sind dabei klar im Vorteil. Googles Kriterien sind durchaus figelinisch und auch nicht bis ins Allerletzte bekannt. Eher hinderlich hingegen ist eine gewisse Sprachverliebtheit oder Phantasie. „Nun komm mal zum Punkt“, sagt die Suchmaschine. Sinnbildlich jetzt.
Weil Viele texten, wie Google das will, hat sich im Internet ein bestimmter (ich finde: unschöner) Schreibstil entwickelt. Ein gutes Beispiel sind Überschriften. Selbst renomierte Magazine (ganz krass: GEO) schrauben ihr Niveau ins Bodenlose und fluten das Netz mit Massenware, wie „Die 5 schönsten Wanderwege mit Hund“ oder „8 Geheimplätze, von denen Du garantiert noch nie gehört hast.“
Die Superlativ-Texte halten selten, was sie versprechen. Genau wie die Vorschläge der Suchmaschinen selten die gewünschten Ergebnisse bringen. Suche ich z.B. einsame Strände an der Ostsee, schlägt Google mir als erstes einen Beitrag vom NDR vor, der unter der Überschrift „ruhige Strände an Nord- und Ostsee“ die Strände von Sylt, Amrum und SPO empfiehlt. Tolle Strände, keine Frage – bloß eben nicht an der Ostsee oder einsam – also das Gegenteil dessen, was ich suche.
Was ich unter dem Suchbegriff einsame Strände an der Ostsee nicht finde, ist die Aschauer Lagune. Dabei hätte sie es wirklich verdient. Was sie nicht so verdient, sind die Ergebnisse, die Google mir vorschlug, als ich Aschauer Lagune ins Suchfeld tippte. „Sodom und Gomera“, hätte Else Kling gerufen, angesicht von Sex & Crime am Ostseestrand.
Sodom & Gomera in der Aschauer Lagune
Sex sells. Gerade im Internet. 2009 Jahren machte die Aschauer Lagune offenbar im großen Stil von sich reden. „Der Ferkelstrand – ein Insider packt aus“ titelte die Mopo vor 9 Jahren – und so steht es bis heute auf Seite 1. Wer sich weiterklickt, wird von der „Schweinebucht“ lesen, von Sex-Alarm und Swinger-Orgien. Aber ich glaube, das ist keine aktuelle Information.
Crime geht ebenfalls gut. Der Artikel über „Naturfrevel in der Aschauer Lagune„ hält sich noch nicht ganz so lange auf der ersten Seite. Doch es ist immerhin auch schon 3 Jahre her, dass Unbekannte 33 Stranddisteln zerstörten.
Die restlichen Links, die mir auf Seite 1 vorgeschlagen wurden, führten zum Campingplatz. Campingplätze klicke ich selten an – und gehe noch seltener hin. Aber der Campingplatz auf dem perfekten Nehrungshaken der Aschauer Lagune ist wirklich wunderschön!!! Ganz klein, ganz ruhig, ganz lässig – und nebenbei der erste Campingplatz in Deutschland, der Menschen mit Behinderung vorbehalten ist.
Liebesgrüße aus der Aschauer Lagune
Was ich mir nach diesen Suchergebnissen nicht hätte vorstellen können: Die unglaubliche Ruhe in der Aschauer Lagune und die unzähligen Wasservögel. Die Dünen. Den Strand. Und dass wir bei unserem Besuch an einem Hochsommertag nur 7 Menschen treffen sollten. Konkret: 2 Radfahrer, 2 Spaziergänger und eine internationale Kombo von jungen Männern; 2 davon in Taucheranzügen.
Die jungen Männer testeten hier ihre neueste James-Bond-artige Erfindung; ein Mini-U-Boot für 4 Personen. Kein Quatsch jetzt. Bisher seien sie nur mit Zweisitzern auf dem Markt, erzählten sie. Unter ihren Abnehmern befänden sich Streitkräfte verschiedener Nationen, Off-Shore-Firmen und zu etwa 10% Superreiche, denen ein weiterer Ferrari keinen Kick mehr verschafft.
Unterm Strich bleibt es erstaunlich, was es alles gibt. U.a. eben Strände, ganz in der Nähe, von denen man noch nie gehört oder gelesen hat, selbst wenn man sich ständig mit Stränden befasst. Und insofern ist es eigentlich gut, dass Suchmaschinenen anders ticken als Menschen. Sonst müsste man gar nichts selber entdecken. Dabei ist das ja der größte Spaß. Und eine Stippvisite in der Aschauer Lagune kann ich nachdrücklich empfehlen.
Aschau gehört zur Gemeinde Altenhof und liegt bei Eckernförde. Das Auto muss man in etwa 1,5 km Entfernung loswerden (daher vermutlich auch die relative Einsamkeit am Strand). Oder man kommt gleich zu Fuß; auf dem Europäischen Fernwanderweg E1 sind es von Ecktown City aus gute 8 km.
Liebe Stefanie,
ja, genau das ist eines unserer Themen, mit denen wir Schreiber, wollen wir authentisch sein, zu kämpfen haben. Gegen Schwachsinn im Internet kommt man kaum an und scheinbar lesen die wenigsten zwischen den Zeilen. Neben Geo treibt es z.B. Wikipedia, Seen.de oder airbnb nicht anders, denen geht es nur um Anzeigenplatzierung und offensichtlich fallen die Menschen darafuf hinein. Die wenigsten Schreiber sind selbst an den Orten gewesen.Sie bedienen sich Pressebildern und Textrobottern.
Für mich ist es in den Überschriften und Einführungszeilen auch immer ein Spargat, doch automatisierte Texte werde ich immer ablehnen. Texte, zu denen ich nicht stehe, ebenso.
Es erinnert mich an unseren Ausflug nach Sylt in der vergangenen Woche. Am Autozug bekamen wir eine wunderschöne Tasche mit einem Syltmotiv: Vollgepackt mit Prospekten. Toll, dachten wir, nette Informationen über Sylt werden darin sein. Doch die Ernüchterung und meine Wut kamen, als ich den Kram durchguckte: Nur Werbung, die mit Sylt nichts zu tun hat.
Entdecken ist eben mehr als nur der nächste Klick ins Internet.
Liebe Grüße nach Hamburg.
Lol – Seen.de – da bin ich auch schon tausend Mal drauf reingefallen. 🙂 Bei GEO (überhaupt bei den Print-Magazinen) verstehe ich es einerseits ein bisschen; irgendwie muss ja der Rubel rollen. Aber ich wünschte, sie würden innovativer rangehen und besser sein, als jeder x-beliebige „Influencer“ (statt schlechter; was sie vielfach leider sind.) Und da Du gerade von Sylt schreibst: ich muss unbedingt mal wieder hin, fällt mir gerade auf. Mit der Fähre, versteht sich. Da gibts auch keine Werbung. Grüße, Grüße, Stefanie
Wie gut, dass ich mich um SEO, Google etc nicht schere: ich schreibe und blogge vor mich hin wie mir der Schnabel gewachsen ist und entweder will es aus mir noch jemand lesen und sieht einen Mehrwert in dem, was ich da als Hobby tue oder es bleibt eben „nur“ MEIN Tagebuch…und das ist schon viel wert. 🙂
Danke für den tollen Ausflugstipp und die – wie immer – so schönen Fotos!
Liebe Eva, das geht mir ähnlich. Und ein ganz großes Plus ist für mich auch noch, dass der Blog mich etwas diszipliniert. Eigentlich neige ich zu dem Wunsch erst dann frei zu machen, wenn alles andere erledigt ist. Aber da ja nie „alles“ erledigt ist, kann die Freizeit leicht mal ganz wegfallen. Der Blog zwingt mich da ein Stück weit zu meinem Glück. Komm gut in den Tag, Stefanie
Stefanie, ich bin doch sehr froh, dass du heute ein etwas anderes Bild der Aschauer Lagune zeigst. Was nützt mir – aus der Sicht des Lesers – ein Fund zum gesuchten Ort, der auf der ersten Seite ausgeworfen wird, mir aber olle Kamellen, mühsam Hochgeschaukeltes oder drölfzig Wiederholungen der Links zum Campingplatz beschert …
Ich habe deine Anmerkungen zur SEO seufzend gelesen, denn – jetzt aus Schreibersicht – kenne ich das Thema natürlich zu Genüge, gehe beim Blog aber bewusst weiter den Weg, dass es mir selbst inhaltlich noch gefallen (stimmig sein) muss.
Kein stumpfer Abguss, keine zig Wortwiederholungen, kein reißerisches Best-of- …., keinen dauernd bewusst strategisch gut platziertem Kram, wenn es den Lesefluss hemmt und auch keine SEO-taugliche 1A-Überschrift, wenn ich sie absolut blöd finde. ^^
Ich mag hier bei deiner Seite gerade, dass die Artikel viel Information bieten und dabei aber kurzweilig zu lesen sind und ich stets die persönliche Prägung erkenne. Reduziere das nur nicht allein zugunsten der Optimierung für (Such)Maschinen! Gelesen wird immer noch von Menschen – und die finden (ergoogeln) gute Lektüre hartnäckig auch dann noch, wenn das Suchergebnis auf nachfolgende Seiten verbannt wurde.
LG Michèle
Vielen Dank für diesen ausführlichen Kommentar, liebe Michèle. Bei Blogs geht´s mir wie beim Pilzesuchen. Wenn ich einen finde, der mir gefällt, freue ich mich total. Und das Gefallen ist bei mir recht stark davon abhängig, wie viel Individuelles durchschimmert. In gewisser Art baut man da regelrecht eine Beziehungen zu den Bloggern auf (vielleicht vergleichbar mit der „Beziehung“ zu Buchautoren). Es ist einem natürlich schon klar, dass man die Leute nicht wirklich kennt – aber manchmal findet man eben so Dinge, wo man denkt: Das ist eine Ebene, wo er/sie etwas antickt, dass ich auch denke oder von mir selbst kenne. Deswegen ist man seinen Lieblingsblogs ja auch sehr treu! Ganz liebe Grüße und einen schönen Tag, Stefanie
Das ist ja gediegen, wie du die mir bis dato gänzlich unbekannte Aschauer Lagune mit dem leidigen Thema der Suchmaschinenoptimierung verbindest, liebe Stefanie! Ich habe sehr gelacht, mich über die schönen Fotos gefreut und nehme nun auch noch eine Anregung für den nächsten Eckernförde-Besuch mit. Danke! Und diese „Die 5 einsamsten Strände in 100 km Umkreis“-Überschriften verleiten mich inzwischen dazu, nahtlos weiter zu blättern oder zu klicken.
Ich gehöre leider zu den Leuten, die immer noch glauben, es könnte was Interessantes dahinter stecken. Obwohl ich es eigentlich besser weiß. Und gerade wenn ein Qualitätsmedium dahinter steckt. Ein Freund von mir nannte das gestern „aktive Markenerrosion“. Fand ich eine gelungene Formulierung.
Hi Stefanie,interessant und spannend wie du das Thema SEO eingebracht hast. Es ist tatsächlich immer ein Spagat – und der ist bekanntlich nicht einfach. Ich kann beide Seiten verstehen; einerseits Trafficziele und Monetarisierung, andererseits Qualität des Inhalts und seine Schreibe nicht an Suchmaschinen verlieren. Vom Thema „Sex & Crime sells“ mal abgesehen..dazu ranken auch alte Webseiten oft besonders hoch. Wie auch immer: Danke für deinen Ausflugstipp, sollte ich mal in der Nähe sein, werd ich der Aschauer Lagune mal einen Besuch abstatten 🙂
Hej Stephanie, ich kann nicht nur beide Seiten, sondern sogar irgendwie Google verstehen. Aber die Algorithmen sind eben doch nachbesserungswürdig (falls es Suchmaschinen oder Sozialen Netzwerken tatsächlich um Transparenz geht). Von Berlin bist Du übrigens in 4 Stunden und 59 Minuten mit der Bahn in Eckernförde ;-). Liebe Grüße, Stefanie
Moin liebe Stefanie, da melde ich mich doch mal prompt vom pommerschen Ende der deutschen Ostseeküste, habe mit meiner Freundin mal ein paar Tage abgeknapst um ein paar Tage auch in himmlischer Ruhe auf Usedom zu verbringen. Ja, auch das geht. Usedom ist nicht nur Kaiserbäder und großer Trubel – es gibt auch die stilleren Küstenabschnitte(zumindest jetzt im September, wo aber das Wasser auch noch zum Bade taugt) Und ja, ich google auch ab und zu nach irgendwelchen Sachen – nicht aber nach „stillen Stränden“ die, wenn sie da erstmal an exponierter Position auftauchen, alsbald auch überlaufen sind. Ich gehöre auch noch zu denen, die sich bewußt gegen die Permanentüberwachung durch so „segensreiche“ Erfindungen wie Alexa entscheiden, die auch nur die Kommerzialisierung beschleunigen, Dir versuchen irgendwelchen Konsumzwang plausibel zu machen. So verlasse ich mich auch bei der Auswahl „meiner“ bevorzugten Strandabschnitte dann lieber auch solchen Seiten wie Deiner hier und Deinen Tips, wo es wirklich schön ist.
Vielleicht trebt es mich ja mal an die Aschauer lagune.
In dem Sinne: Sei und bleib behütet und gesegnet! Lieben Gruß aus dem Pommerschen PlattLand vom ollen, grauen Wolf.
Schön, dass Du das schreibst, lieber Wolfgang. Gerade von Usedom hat man dieses Jahr so viel gelesen – alles sei überfüllt, die Straßen ein einziger Stau. Mein letzter Besuch ist Jahre her. Und ich traue mich fast gar nicht mehr hin, weil ich so idyllische Erinnerungen habe. Die will man sich ja nicht kaputt machen lassen. Abgesehen von den Inseln finde ich Mecklenburg-Vorpommern immer viel entspannter als Schleswig-Holstein. Man hat auch mehr den Eindruck, noch etwas entdecken zu können. (Aber dieser Eindruck liegt vielleicht auch daran, dass ich „Deine“ Küste weniger kenne als meine?!). Ein schönes Wochenende, Stefanie
[…] nunmehr acht Kilometern läutet die Aschauer Lagune eine in Schleswig-Holstein sehr seltene Sache ein: Ostseestrände, die trotz Sommerferien nicht […]