Kurz bevor es auf die Brücke über den Fehmarnsund geht, recke ich immer den Hals in alle Richtungen. Der Meeresarm besitzt eine ganz eigene Farbpalette und häufig funkelt die Ostsee hier in den erstaunlichsten Farben – selbst wenn das Wetter insgesamt gar nicht so gut ist.
Besonders wunderbar wird es, wo die A1 endet und nahtlos in die B 207 übergeht. Erstaunlich viele Verkehrsteilnehmer ignorieren das Tempolimit, so dass man grundsätzlich zu schnell auf die Brücke gejagt wird. Und ist man erst mal drauf, gibt es kein Zurück.
Dieses Mal nehmen wir uns daher extra Zeit. Wir biegen an der letzten Abfahrt Richtung Großenbrode ab und folgen der Alten Sundstraße nach Großenbroder Fähre. Die ungewöhnlichen Ortsbezeichnung passt zu dieser seltsamen, kleinen Zwischenwelt. Die äußerste Spitze der Halbinsel Wagrien ist an drei Seiten vom Wasser umgeben, zerschnitten von einer vierspurigen Straße. So haben beinahe alle Wege irgendwo ein Ende. Zum Beispiel am kleinen Parkplatz vor dem Sportboothafen.
Bester Fotospot für die Fehmarnsundbrücke: Großenbroder Fähre
Bis zum Bau der Brücke im Jahr 1963 war mehr los in Großenbroder Fähre. Damals war der Hafen der wichtigste Knotenpunkt zwischen Europa (wie die Insulaner das Festland nennen) und dem 6. Kontinent (wie die Fehmaraner zu ihrer Insel sagen). Schon um 1900 setzten vom Fährbahnhof Menschen, Autos und Züge nach Fehmarn über.
Heute befindet sich hier nur noch ein ruhiger, kleiner Sportboothafen – und der wohl beste Spot, um die Fehmarnsundbrücke zu fotografieren: der Steindamm an der Hafenausfahrt. Wenn er nicht gerade von Anglern besetzt wird.
Näher ran an die Brücke dürfen wir nicht. Die Segler weisen jeden schärfsten zurecht, der sich dem Hafen „unbefugt“ nähert. Also schlendern wir in entgegengesetzter Richtung den Strand hinunter.
Das Wetter meint es ausnahmsweise gut mit uns. Oder vielleicht hat der verregnete Sommer auch nur bescheiden gemacht. In den vergangenen 3 Jahren haben wir Mitte September noch gebadet. Daran wäre heute nicht zu denken. Doch immerhin scheint die Sonne so warm, dass mir schnell viel zu heiß wird in meinem Regenmantel. Denn das ist ja das Witzige hier oben. Man trägt immer die falschen Klamotten.
Dies wäre eigentlich ein guter Tag für Seehunde. Es heißt, sie sonnen sich gern auf den Findlingen vor Heinrichsruh. Wir entdecken nur Seevögel auf den Logenplätzen. Trotzdem – oder gerade – ist der halbstündige Spaziergang am stillen Sund beinahe zu schön, um wahr zu sein.
Besser als Liebesschlösser an Brücken: Heinrichsruh
Nahe einer kleinen Holztreppe suchen Kinder nach passenden Steinen. Ihre Mütter sitzen oberhalb auf einer Bank mit fabelhafter Aussicht. Darunter stapeln sich jede Menge Erinnerungen. Lilith war mit Omi hier, ist auf einem Stein zu lesen. Und Wiebke mit Andy und Pimo. Manche Steine wurden für Verstorbene beschriftet. Andere meinen das Leben. Einfach nur die Seele baumeln lassen, steht auf einem geschrieben. Und das machen wir dann auch für eine Weile.
Über einen schnurgerade Feldweg geht es vorbei am Ferienhof Heinrichsruh zur Straße. Blaue Pfeile auf dem Asphalt weisen nach links und gleich darauf wieder rechts querfeldein. Es sind Wegzeichen des Sundlaufs, einem etwa 20 km langen Rundweg. Auf diesem Teil führt er direkt unter der Brücke hindurch.
Wer die Brücke erklimmen möchte, muss auf der Westseite einen guten Kilometer zurück marschieren. Es ist nicht besonders idyllisch, da der Königsweg parallel zum Verkehrslärm der B 207 verläuft. Aber aufregend.
Als Fußgänger über die Fehmarnsundbrücke
Etwa wo der Königsweg zum Strand abbiegt, befindet sich ein Zugang zum kombinierten Rad/Fußweg über die Brücke. Es kann durchaus eng werden 23 Meter über dem Meer. Besonders bei Gegenverkehr. Wie überall am Sund, unterschätzt man auch hier die Entfernung. Vom Zugang auf dem Festland bis zum Abgang auf Fehmarn sind es etwa 2,5 km.
Auf der Insel angekommen, lässt sich natürlich ewig und wunderbar spazieren. Etwa immer geradeaus nach Puttgarden oder entlang der Wasserkante zum Mini-Leuchtturm von Strukkamphuk. Den schöneren Strand aber findet man am Festland. Also lieber früher umkehren, damit die Puste noch für Orthfeld reicht.
Das Licht am Fehmarnsund
Auf den Weststrand bei Orthfeld läuft das Wasser sehr flach zu. Das macht ihn unwiderstehlich für Hunde, Kiter, ganz kleine Kinder und visuelle Menschen. Zu denen zähle ich mich seit einigen Jahren, obwohl ich früher ganz klar auditiv veranlagt war. Aber die Zeit scheint meinen Sehsinn zu schärfen (das meine ich nun nicht gerade biologisch sondern mehr emotional).
Grundsätzlich finde ich es nicht nur prima, älter zu werden. Manches nervt, muss ich feststellen. Doch was mir wirklich ungeheuer gut gefällt, ist die Fähigkeit, Natur immer intensiver zu empfinden. Und Licht zu genießen.
Am tollsten finde ich das Licht am Meer. Wo eine Minute reicht, um die Atmosphäre vollkommen zu verändern. Und es gibt nichts Gegenständliches – wirklich gar nichts – das ich lieber hätte als einen Moment der Ruhe am Strand. Wenn man erst einmal angefangen hat, sich über Licht ein Loch in den Bauch zu freuen, scheinen die meisten käufliche Dinge sowieso recht banal.
Ich weiß noch ziemlich genau, wann mich Natur und Licht zum allerersten Mal aus den Puschen kippte. Das war im dänischen Henne Strand; ich war schon Ende 20. Seitdem wird mein Gefühl für Licht immer spezieller. Manche Erkenntnis ist mir ganz von selber zugeflogen. Auf andere Nuancen hat Volko mich aufmerksam gemacht. Er hat als Fotograf eine spezielle Beziehung zu Licht & Schatten und sieht die Welt ohnehin anders. (Beispielsweise findet er Menschen mit Falten schöner als glatte Gesichter und Wolken besser als blauen Himmel).
Wie wir uns da immer weiter von der Fehrmarnsundbrücke entfernen und über Licht sprechen, fällt mir ein, dass der Strand von Orthfeld einer der letzten Unbekannten an der Ostseeküste von Schleswig-Holstein für uns war. Bis auf zwei kleine Seebäder haben wir nun alle Strände besucht. Das Licht ist überall besonders. Am Fehmarnsund aber besonders besonders.
Das Licht ist weich und sanft und oft wirkt die Landschaft beinahe irreal. Wie ein Gemälde. Der Fehmarnsund ist eine einzige Freiluft-Galerie. Das Wasser leuchtet aquamarin, helltürkis, jadegrün, geradezu karibisch. Und im nächsten Moment fühlt sich die Umgebung viel nördlicher an als es der Lage entspricht.
Daher empfehlen im Anschluss an eine Brückenexkursion auch keine Einkehr im nahegelegene Großenbrode (mit Blick auf die offene Ostsee). Sondern in Heiligenhafen (mit Blick auf den Fehmarnsund). Unterm Strich bleibt es aber Geschmacksache. Und am besten ist immer, sich ein eigenes Bild zu machen.
Mal wieder wundervoll beschrieben, liebe Stefanie. War übrigens letztes Wochenende ganz in der Nähe, kann somit Deine Ausführungen voll bestätigen.
Schönen Gruß, Helmut
Danke, Helmut … da bist Du also mal an die Ostsee gekommen… Ich habe gerade Deine Amrum-Bilder bewundert. Bin schon gespannt auf Deinen Blick aufs kleinere Meer. Liebe Grüße zurück, Stefanie
OK, OK! Nächstes Mal sause ich nicht nur durch, sondern schaue es mir in Ruhe an 😉 Danke fürs Entschleunigen und liebe Grüße aus dem Nachbarland!
Stimmt ja, das liegt bei Dir auf dem Nachhauseweg. Du bist echt zu beneiden! (Auf nette Art natürlich).
Falten und Wolken – ja, so viel reizvoller! Liebe Grüße, Jutta
Finde ich bei anderen auch immer (mit den eigenen ist das anders ;-))
So ein schöner Bericht, und die Fotos sind einfach traumhaft. Danke, dass Du mir Fehmarn und Umgebung ein bisschen näher gebracht hast, liebe Stefanie. Wir haben in diesem Sommer eine Nacht im Yachthafen von Burgtiefe verbracht und ich fand es sehr schade, dass wir gar keine Zeit hatten, die Insel ein bisschen zu erkunden.
Für die abweisenden Segler möchte ich mich an dieser Stelle mal stellvertretend entschuldigen. Was waren das denn für komische Vögel? In Dänemark wäre so eine Situation undenkbar, davon bin ich überzeugt.
Herbstliche Grüße, Martina
Ja, glaube ich auch, Martina. In Dänemark sind die Leute eh immer so freundlich. Weiß auch nicht, warum man bei uns oft so rumpoltert. Fällt ja schon im Straßenverkehr oder beim Einkaufen auf.
Wieso lässt man sich von irgendwelchen Seglern abhalten, weiterzulaufen. Das geht gar nicht-ist nur peinlich- für die Segler natürlich!!!. Aber wieder einmal danke für die schönen Einblicke in Landschaften,in denen ich so oft war-auch als Mitseglerin-und die ich nie so wahrnehmen konnte.Und du hast Recht, das Licht wird immer schöner,je älter man wird. Da kommt für dich noch was…ich hab es gerade in/auf Island erlebt. Ganz liebe Grüße Erika
Ach, Island, wie toll. Mit dem Licht kann Schleswig-Holstein natürlich meistens nicht mithalten. Vor mir liegt noch eine kleine „Pflichtreise“ und dann steht aber wirklich mal ein Kaffee bei Dir an. Interessiert mich sehr, wo Du auf Island gewesen bist (ich war auch mal eine Woche mit meiner Ma dort). Hab ein schönes Wochenende & liebe Grüße, Stefanie
Moin Stefanie,
mir scheint, ihr seid der Magie von Fehmarn jetzt auch verfallen. 🙂
Liebe Grüße,
Claudia
PS: so ist das Leben, wenn man einen Fotografen an seiner Seite hat.
Hej Claudia, witzig, dass das so rüberkommt. Denn ehrlich gesagt, habe ich noch immer nicht den rechten Zugang zu Fehmarn gefunden. Ich lese gern, wie stark die Insel auf Dich wirkt. Mir persönlich gefällt am Fehmarnsund das Festland besser und am Fehmarnbelt Lolland. Aber ich finde es total interessant, wie unterschiedlich wir das wahrnehmen. Liebe Grüße und ein schönes Wochenende, Stefanie