Die Anreise von Hamburg nach Helgoland dauert. Man könnte zwar auch nach Helgoland fliegen. Das ist nicht mal teuer und sehr viel schneller. Aber irgendwie gilt das nicht. Immerhin ist Helgoland das Piratenschätzchen unter den Nordseeinseln, das Schmugglernest. Und das will man doch nicht als s-tinkige Landratte betreten. Das muss man sich doch mit einer ehrlichen Seereise erarbeiten.
Perfekte Anreise nach Helgoland: der Halunder-Jet
Die Prise Unsicherheit, ob die Leinen denn auch losgemacht werden, gehört einfach dazu. Gestern war der Schiffsverkehr zu Deutschlands einziger Hochseeinsel eingestellt. Stürmische Böen in der Deutschen Bucht. Das hört man ja so oft im Radio, aber wenn man am Tag drauf selbst hinaus will auf die wilde See, kriegt es noch einmal eine andere Bedeutung. Und noch hat sich der Wind nicht gelegt.
Ein bisschen weniger stürmisch als gestern kommt es mir zwar vor, als wir unsere Koffer an den Hafen rollen. Aber Hamburg liegt ja auch nicht wirklich (sondern nur gefühlt) am Meer. Ob wir heute fahren, entscheidet der Kapitän um 08.30 Uhr. Hätten wir vielleicht doch besser eine Reiserücktrittsversicherung abgeschlossen.
08.30 Uhr an den Landungsbrücken 3/4: Unser Gepäck wird an Bord des Halunder-Jets gehievt. Es geht also los.
08.55 Uhr auf dem hinteren Deck: Der Kapitän informiert per Lautsprecher über die Wetterlage insoweit, dass er den zu Seekrankheit neigenden Passagieren empfiehlt, kostenfrei auf einen anderen Tag umzubuchen. Es sei mit ordentlich Seegang zu rechnen.
Hohoho. Allgemeines Gelächter. Was denn? Wieso denn? Aussteigen? Also bitte! Kommt ja gar nicht in die Tüte. Doch einigen steht schon die Frage ins Gesicht geschrieben, ob man wirklich in der Position ist, über Tüten zu lachen? Dazu sind bestimmte Tüten viel zu prominent an den (sehr luxuriösen) Sitzplätzen ausgelegt.
Die Pegelturmuhr schlägt 09.00 Uhr: Ahoi!
09.15 Uhr kurz hinter Oevelgönne: Ich dachte ja, wir fahren schon schnell. Aber erst jetzt lässt der Halunder-Jet lässt seine 10.000 Pferdestärken probehalber ein bisschen spielen.
Achtung Aktualisierung: seit 2018 düst der neue Halunder-Jet nach Helgoland. Er ist noch schneller, noch komfortabler und hat auch noch mehr Platz auf den Außendecks.
09. 20 Uhr vor Blankenese: Genau der richtige Ort um zu erwähnen, dass der Halunder-Jet nicht ganz billig ist. € 83,75 kosten unsere Tickets. Pro Person. Dafür kriegt man allerdings auch etwas geboten. Allein die 2,5 Stunden bis Cuxhaven sind schon der Hammer und nee, ach, was ist sie doch groß geworden unsere Elbe.
11.20 Uhr kurz vor der Nordsee: In der Pantry kann man nun eine Reisetablette für 50 Cent erwerben. Guter Service.
Für die Passagiere, die in Cuxhaven zusteigen, ist es leider zu spät. Bis zur offenen Nordsee sind es nur noch ein paar Minuten. Zu kurz für die Wirkungszeit der Tablette. Als wir an Neuwerk vorbeischippern, denk ich noch: Naja, sooo heftig sind die Wellen ja nun auch wieder nicht.
Im nächsten Moment müssen wir alle das Außendeck verlassen und unsere Plätze einnehmen. Gleich hinter Scharhörn gehts nämlich los. Zum einen schlagen die Wogen 2,50 hoch und der Jet beginnt zu tanzen wie der berühmte Sektkorken. Und zum anderen greifen viele, viele Kinder wie auf Kommando nach den Spucktüten. Man muss sich in der folgenden Stunde schon sehr konzentrieren, um daran nicht zu verzweifeln. Nicht jedem Erwachsenen gelingt das.
Ach, Helgoland, keine deutsche Insel wird vermutlich von ihren Besuchern so sehnlichst erwartet wie Du!
Und dass Du Dich so gar nicht verändert hast, seit ich Dich das letzte Mal sah. Mehr als 30 Jahre ist das her. Aber Deine Promenade sieht ja noch immer so aus, als würden Nadja Tiller und Walter Giller gleich Hand in Hand um die Ecke spazieren.
Heute vor exakt 67 Jahre wurde Helgoland durch den sogenannten Big Bang, die größte nicht-atomare Sprengung aller Zeiten, beinahe vernichtet. Ein guter Teil des Oberlandes wurde weggerissen und damit zum Mittelland. Der Leuchtturm überstand als einziges Gebäude die Explosion. Ansonsten überlebten nur einige Bunker- und Militäranlagen der Nazis. Dabei waren sie der Grund für die Sprengung.
Aus dem Trümmerhaufen entstand nach Rückgabe der Insel eine 50er-Jahre-Stadt. Die schlichten Häuschen stehen mittlerweile unter Denkmalschutz. Dem Zeitgeist sei Dank gefällt mir das. Bei meinem letzten Besuch fand ich´s noch über die Maßen scheußlich.
Sowieso beeindruckte mich als Kind am stärksten der Fahrstuhl, der vom Unterland ins Oberland schwebt. Für 60 Cent kann man sich die 184 Treppenstufen sparen. Die Fahrstuhlführerin hat sich ein faszinierend winziges Büro in einer Ecke der ohnehin kleinen Kabine eingerichtet.
Ich würde gern wissen, ob ihre Vorgängerin mal bei Robert Lemke eingeladen war. Passen würde es.
Oben angekommen werden wir beinahe weggeblasen. Im Unterland haben wir ganz entspannt draußen gegessen, doch hier oben ist es mega-stürmisch. Volko hat Schwierigkeiten das Foto-Telefon gerade zu halten. Zumal er seine Handschuhe im Hotel gelassen hat, weil er sie „auf gar keinen Fall“ brauchen würde. Nun werden seine Finger in Sekunden zu Eiszapfen. Ich hingegen, ernte neidische Blicke aufgrund meines Polar-Outfits. (Bester Tipp für Helgoland: eine richtig fette Jacke mitnehmen).
Whatever the weather: Oberland rund ist natürlich Pflicht. Erst wenn man den 2,8 km langen Panoramaweg abgelaufen ist, schnallt mans so richtig: Man befindet sich wirklich mitten im offenen Meer. Kein Land am Horizont. Nirgends.
Skurrilerweise gehört Helgoland zu Pinneberg und hat (im Gegensatz zu Pinneberg) einen Pinneberg. Von seinem Gipfel – 63 m über dem Meer – hat man ganz Helgoland im Blick.
Allmählich leert sich die Insel. Die Schnaps- und Zigarettenjäger müssen gegen 16.00 Uhr zurück auf ihre Schiffe. Wir freuen uns wie Kinder. Denn jetzt wird es ruhig . Jetzt fängt Helgolands Zauber erst an zu wirken. Davon dann morgen mehr.
[…] ist weiter weg als meine 1.822 Schritte. Die bringen mich nur zur Gangway des Halunder-Jets (eine Art Fluxkompensator, der täglich um 09.00 Uhr zu Deutschlands einziger Hochseeinsel fährt, […]
[…] zwischen Wedel und Brunsbüttel habe ich zum ersten Mal gesehen, als wir vor fast 4 Jahren nach Helgoland schipperten. Es erscheint mir inzwischen unglaublich, aber bis dahin hatte ich nicht gewusst, dass […]
[…] sind vergangene Woche bereits zum zweiten Mal mit dem Halunder Jet die Elbe hinunter gebraust – und gingen noch beseelter von Bord als beim ersten Mal (warum, […]
Das ist ja ein tolles Verkehrsmittel nach Helgoland, das kannte ich gar nicht. Ja, es muss schlimm gewesen sein, im Krieg mit der Zerstörung. Ich hatte auch gerade darüber gelesen (für meinen Reiseführer, den ich schreibe). Und die Lange Anna kommt einem tatsächlich kleiner vor als gedacht. Spannend, was du so erlebt hast. Ich lese mir jetzt erstmal Cuxhaven durch. Liebe Grüße
Der Halunder-Jet ist super 🙂 (Inzwischen fährt der Neue, der ist noch besser: https://www.indernaehebleiben.de/halunder-jet/). Liebe Grüße, Stefanie