Letztens hatten wir erstmals den Eindruck, in einer Gegend ohne jeglichen Charme gelandet zu sein. Das war in Nordnordfriesland (also Südtondern).
Ich hatte mich schon häufiger gefragt, wie es sich wohl dort lebt, wo alle immer nur wegwollen. Denn Nordnordfriesland ist das Drehkreuz zu den nordfriesischen Inseln und Halligen und wird daher von vielen Touristen lediglich im Vorbeifahren wahrgenommen.
Wir starteten in Klanxbüll. Dort, wo man sich als Syltreisender immer so freut, weil es gleich auf den Hindenburgdamm geht. Dieses Mal aber waren wir gekommen, um die Küste in südlicher Richtung abzufahren.
And equal it goes loose: Der Friedrich-Wilhelm-Lübke-Koog
Koog nennt man Land, das der See abgerungen wurde. Vereinfacht gesagt, errichtet man einen Deich im Meer und entwässert das Land dahinter so lange bis es trägt. Es gibt zauberhafte Kooge. Das sind diejenigen, die für den Küsten- oder Naturschutz errichtet wurden.
Und es gibt Kooge, die exzessiv wirtschaftlich genutzt werden. So einer ist der Friedrich-Wilhelm-Lübke Koog. Sein Namensgeber war der ältere Bruder vom tüdeligsten aller Bundespräsidenten und selbst Ministerpräsident von Schleswig-Holstein.
In den 1950er Jahren ließ er den Koog errichten, um Flüchtlinge aus den Ostgebieten anzusiedeln. Was wir kaum glauben mochten. Denn die Ödnis machte uns sprachlos. Man stelle sich einen unendlichen braunen Acker vor mit Wellblechhallen und Windrädern, Windrädern, Windrädern.
Warum ich das so ausführlich schreibe, hat damit zu tun, dass es unserem Eindruck nach auf den folgenden 30 Kilometern überall so aussah. Wir konnten uns für fast nichts hinterm Deich erwärmen. Und selbst davor war es…. mmh… schwierig.
Ich sags mal so: Die Küste Nordnordfrieslands ist bei Hang zu traurigen Gedanken nicht unbedingt zu empfehlen. „Oder gerade“, sagte Volko, der immer das Gute an einer Situtation sucht. „Vielleicht wenn man einen sehr tragischen Liebesroman verfassen möchte. Oder einen düsteren Krimi“.
Wer das also vor hat, dem sei Südwesthörn ans Herz gelegt.
In Südwesthörn steht das hässlichste Schöpfwerk der Welt. Und dahinter befindet sich die nördlichste Badestelle Deutschlands, die auch nicht gerade der Inbegriff von Leichtigkeit ist.
Allerdings führt dort auch der beste aller Stege ins Wattenmeer. Die Planken schwingen bei jedem Schritt. Wasser schwappt einem über die Füße. Und das Tollste ist, dann man ein kleines (mini) bisschen auf Sylt und Föhr zuläuft.
Nordnordfriesland ist eine Landschaft gewordene Bucket-List
Denn man hat sie ja alle immer vor sich, die Inseln und Halligen, (von denen wir die meisten noch nicht kennen.) Und so sammelten wir im Laufe des Tages erstaunliche 10 Dinge, die wir gern einmal tun würden.
Von Südwesthörn etwa kann man (1.) zu Fuß nach Föhr laufen. Nur geführt, versteht sich. Denn das Wattenmeer ist unberechenbar.
Föhr gilt ja als friesische Karibik und wir würden zu gern mal wissen, ob da was dran ist. Gern würden wir auch die klassische (2.) Wanderung von Föhr nach Amrum unternehmen wollen. Schon irre der Gedanke, dass man hier von Insel zu Insel zu Hallig marschieren kann. Zurück nähmen wir die Fähre nach Dagbüll.
Dagebüll: das Fenster zur Nordsee
Dagebüll liegt gut 10 Kilometer südlich von Südwesthörn und man kennt es vom Wetterbericht. Nähert sich der Nordseeküste ein Orkan, steht zwangsläufig ein Wettermensch mit Puschelmikrophon auf der Mole von Dagebüll, weil die so schön dramatisch ist. Selbt bei gar nicht viel Wind knallt das Meer recht heftig an die Kaianlagen. Weswegen die Parkautomaten auf Podesten stehen.
Wie so viele Ortschaften in Nordnordfriesland befand sich Dagebüll früher mal auf einer Hallig. Und irgendwie haben die Dagebüller das Gefühl konserviert, von der Welt abgeschnitten zu sein. Obwohl sich Züge, Bussen und Autos in langen Schlangen vor den Fähren einreihen, sieht Dagebüll so aus, wie man sich ein verlassenes, belgisches Seebad vorstellt.
Drei Dinge sind aber toll an Dagebüll. Die Badehäuschen, die es nur hier gibt. Die Inseln und Halligen am Horizont. Und die (schwupps – auf die In-der-Nähe-bleiben-Bucket-List) (3.) Lorenbahn nach Oland.
Die Lorenbahn darf nur nutzen, wer auf Oland übernachtet. Darüber habe aber ich eh schon nachgedacht, seit Meermalerin Julia den kleinsten Leuchtturm Deutschlands präsentierte. Und wenn man schon mal auf Oland wäre, könnte man auch gleich (4.) eine Wattwanderung auf die größte Hallig, Langeness, unternehmen.
Wer nicht so gerne wattwandert, ist richtig in Schlüttsiel, einem weiteren melancholischen Hafen knapp 10 km südlich von Dagebüll.
Schlüttsiel, Mekka der Halligtouristen
Am Schönsten soll der 5) Ausflug nach Hallig Gröde zur Halligfliederblüte sein. Ich kenne nur Hallig Hooge und Volko war sogar noch nie auf ner Hallig, denn er ist ja aus Süddeutschland. Also nicht traumatisiert wie Grundschüler aus Schleswig-Holstein.
Die werden nämlich traditionell (mit Pech zwei, drei Mal) gezwungen, auf Hooge im Regen von Warft zu Warft zu latschen. Inzwischen würde ich sie auch noch mal freiwillig besuchen. Denn ich möchte zu gern mal (6.) einen der großen Außensände erleben. Von Hooge könnte man z.B. nach Jeppsand gelangen.
In Schlüttsiel hatten wir dann genug von traurigen Häfen. Ich schätze, für´s nördliche Nordfriesland muss man geboren sein. Obwohl es auf seltsame Art inspirierend war, blieb dieser Küstenabschnitt für uns eben einer, von dem man in erster Linie wieder wegwill. Und weil wir eher Leute sind, die gern irgendwo ankommen, steuerten wir noch mal 10 km südlich zur
Hamburger Hallig, eine Hallig für Anfänger
Streng genommen ist die Hamburger Hallig keine Insel, da sie mit einem Damm mit dem Festland verbunden ist. Aber gerade das ist das Gute, denn so kann man allerfeinst 4 km durch Salzwiesen fahren. Am besten natürlich mit dem Fahrrad. Der Verleih befindet sich direkt am Deich im Informationszentrum.
Auf der Hamburger Hallig gibt es nur zwei Warften: Die des NABU, mit dem passenden Namen Schafwarft. Und die Warft ohne Namen, mit dem Restaurant Hallig Krog.
Der Hallig Krog hat von Anfang April bis Ende Oktober geöffnet und ist der Hauptanziehungspunkt aller Ausflügler.
Wer nicht so für Massenaufläufe zu haben ist, sollte sich dadurch aber nicht von einem Ausflug auf die Hamburg Hallig abhalten lassen.
Es ist dort wirklich schön und wie immer braucht man nur zwei-, dreihundert Meter in eine x-beliebige Richtung gehen und schon hat man die Sache für sich.
Die Hamburger Hallig ist Teil der ehemaligen Rieseninsel Strand, die in den großen Flut von 1634 auseinandergerissen wurde. Schon oft zuvor war die Insel Strand überflutet worden. Beispielswiese 1362, als das legendäre Rungholt unterging.
Was von Strand übrig blieb, kann man von der Hamburger Hallig aus erkennen (und auf seine Bucket-List setzen):
(7) Nordstrandischmoor; noch so eine Hallig auf die man mit einer Lore reist sowie die Inseln 8) Pellworm (edit: erledigt) und 9) Nordstrand (edit: erledigt).
Um die Sache rund zu machen, fehlt nur noch 10) eine Kutschfahrt von Nordstrand zur Hallig Südfall, (wo nur 2 Menschen leben, was ich voll niedlich finde.)
Was uns auf der Hamburger Hallig aufgefallen ist: Abgesehen von der Husumer Bucht haben wir inzwischen die gesamte Nordseeküste Schleswig-Holsteins besucht. Fehlt also nicht mehr viel, bis wir hier unser erstes Best Of posten.
Wie charmant du selbst über Tristesse zu plaudern verstehst, Stefanie! Obwohl: Gerade hatte ich gedacht, dass ich auch endlich einmal ein paar Tage auf einer Hallig verbringen möchte, natürlich bei dramatischem Wetter. 😉
Liebe Maren, ich bin hin- und hergerissen was die Dramatik angeht. Könnte nämlich gut sein, dass ich bei „Land unter“ die Nerven verliere :). Vermutlich ist Tristesse für mich charmant genug. Komm gut in den Tag, Stefanie
Moin Moin nochmal
Und noch ein Tipp: Das Restaurant auf der Hamburger Hallig, der Hallig-Krog (www.hallig-krog.de) ist tatsächlich einen Besuch wert. Dort kocht jetzt der ehemalige Küchenchef der MS Deutschland – ein gestrandeter Seemann sozusagen.
Das ist interessant. Mir hat der Hallig Krog optisch auch wirklich gefallen. War nur super-duper-obervoll. Man müsste wohl mal gegen Abend kommen. Oder außerhalb aller Ferien. Danke für diesen weiteren Tipp!
Hej Stefanie!
Nordnordfriesland ist bestimmt ganz reizvoll in den Sommermonaten (falls die Sonne mal scheint ?). Während der dunklen Jahreszeit könnte man den bedauernswerten Nornordfriesen vielleicht
Antidepressiva ins Trinkwasser mischen.
Ein interessanter Bericht, und die Fotos sind wieder mal weltklasse!
Schönes Wochenende und liebe Grüße, Martina
Danke Martina, es freut uns, dass Dir die Fotos gefallen. Es war auch ohne Sonne „irgendwie“ reizvoll, fand ich. Aber nicht im Sinne von landläufig schön. 🙂 Das hilft statt Antidepressiva im Trinkwasser vielleicht auch schon ein Korn?! Dir auch ein schönes Wochenende, Stefanie
Auch von mir ein spätes Moin Moin.
Das ist Herbstmelancholie auf die charmante und unterhaltsame Norddeutsche Art. Mir gefällt besonders die Bucket List, die Vorfreude macht. Auch wenn ich die Nordsee mag, war ich noch nie auf einer Hallig. Das sollte ich nachholen. Und auf das Best-Of freue ich mich schon.
Liebe Grüße und ein schönes Wochenende
Stefan
Mal auf einer Hallig übernachten, steht auch ganz, ganz oben bei mir. Ich stelle mir das so herrlich dunkel vor. Dir auch ein schönes Wochenende, Stefanie
Der Steg ist super! Ganz allein schon eine Reise wert. Und der Typ mit Dutt in Badehosen ist auch ein prima Fotomotiv. Ich befürchte aber, er ist keine feste Institution…? : ) Wünsche dir einen entspannten Abend, Jutta
Mmh, feste Institution… könnte sein. Da gab´s nämlich eine Art Performance. Er wollte gerade seine Badehosen anziehen, als der Wind sie ihm aus der Hand fegte. Da ist er dann eine Weile hinter der Hose hergejagt. Vielleicht war inszeniert!? Ein sehr interessanter Gedanken. Dir auch einen schönen Abend, Stefanie
Das stelle ich mir jetzt gerade vor! Daher also der Ausdruck „Windhose“ : )
[…] stand in Frage, ob unsere Fähre überhaupt in See stechen würde. Als wir von Hamburg Richtung Dagebüll starteten, wussten wir immer noch nicht bescheid. Ein ganz hervorragender Auftakt für unseren […]
herrliche Bilder von einer genauso herrlichen Landschaft !!!
Tristesse,Troslosigkeit oder Langeweile konnte zumindest ich auf keinem Foto ausmachen,ich mag diese rauhe,oft sturmumtoste Landschaft und nein,ich bin kein NordNordfriese,sondern komme mitten aussm Ruhrpott.
vier bis fünf Wochen verbringe ich regelmäßig auf einer kleinen Hallig im Wattenmeer,und zwar auf Nordstrandischmoor,den langen Urlaub im Februar/März,wenn auf der Hallig die Lammzeit beginnt und Anfang November zum Geburtstag-also keineswegs zur Hauptsaison im Sommer.
Das klingt total erholsam. Danke für Deinen Kommentar und liebe Grüße, Stefanie
[…] Rundtour ist 24 km lang und gut ausgeschildert. Wem die Strecke nicht reicht, dehnt sie bis zur Hamburger Hallig […]
[…] Ostwind. Und jede Menge Ausflügler. Was wollen die hier? Viel kann man nicht gerade machen in Dagebüll. Schon gar nicht im Januar. Die niedlichen Badebuden sind weg (im Winterquartier?). Der Deich wird […]
[…] einigen Jahren habe ich die Gegend hier auf dem Blog als landschaftgewordene Bucket-List beschrieben. Ich bin wahrscheinlich nicht der einzige Mensch, der sie alle mal besucht haben will […]