Die Fehlinvestition meines Lebens war die Regenjacke, die ich mir extra für Fördesteig, Ostseesteig und Schleisteig zugelegt habe. Auch am vierten Tag unserer Wanderung ist nicht eine einzige Wolke am Himmel zu entdecken. Aber ich will nicht meckern. Ausgeruht und ausgeschlafen machen wir uns auf den letzten Teil der Reise. Nur knappe 20 km werden es heute.
Warum es die Dreiteilung in Fördesteig, Ostseesteig und Schleisteig überhaupt gibt, ist einerseits logisch, da die Abschnitte eben die Flensburger Förde, die Ostsee und die Schlei begleiten. Andererseits gehören die Wege zusammen, tragen das gleiche Logo, die gleiche Beschilderung. Nur die Namen ändern sich. Ich kenne überhaupt keinen anderen Langstreckenwanderweg, der es so genau nimmt. Bzw. der es so kompliziert macht. Ich meine, der Heidschnuckenweg führt ja auch nicht ausschließlich durch die Heide. Heißt aber trotzdem von Anfang bis Ende gleich. Das ist für Ortsunkundige leicht zu verstehen. Und für Touristiker leicht zu vermarkten. Aber das nur nebenbei.
Ein Weg, drei Namen: Fördesteig = Ostseesteig = Schleisteig
Jedenfalls. Den Ostseesteig haben wir gestern schon zur Hälfte erledigt. Es ist im Grunde eine ca. 10 km lange Strandwanderung (die sich auch toll als Tagestour eignen würde). Im Sommer tobt auf halber Strecke das Leben; nicht zuletzt wegen der riesigen Campingplätze von Hasselberg und Oehe-Drecht. In der Nebensaison ist rund um Kronsgaard nicht mit mehr Gesellschaft zu rechnen, als man entspannt ertragen kann. Das erste Gebäude auf dem Ostseesteig ist der Leuchtturm von Falshöft, das vorletzte Gut Oehe. Das gutseigene Café empfiehlt sich unbedingt für eine idyllischen Kaffeestunde und idealerweise Rhabarbar-Baiser-Torte. (Natürlich nicht morgens um 10.00 Uhr.)
Morgens um 10.00 Uhr auf dem Ostseesteig empfiehlt sich eher, die Aussicht zu genießen. Noch sind nur wenige Radfahrer unterwegs. Aber sie nerven schon wieder ein bisschen. Schilder über Schilder über Schilder weisen darauf hin, dass Radfahrer auf dem Deichverteidigungsweg bleiben sollen. Sie fahren natürlich trotzdem auf der Krone, die eigentlich Spaziergängern vorbehalten ist und gehen davon aus, dass alle Welt zur Seite springt, sobald sie klingeln. Dass Radfahrer oben bleiben wollen, kann ich verstehen – vom Deich hat man die bessere Sicht auf Ostsee und Schleimünde, einer Landzunge, die das Meer von der Schlei abgrenzt. Schleimünde steht unter Naturschutz. Hier herrscht Betretungsverbot, mit Ausnahme des äußersten Spitze, der Lotseninsel, die nur per Schiff zu erreichen ist.
Den besten Blick auf die Lotseninsel hat man vom allerletzten Haus (und Schlusspunkt) des Ostseesteigs, der Vogelwärterhütte des Vereins Jordsand. Heute ist die Lotseninsel nur schemenhaft zu erkennen. Es ist schon erstaunlich. Seit 4 Tagen zeigt sich der Himmel nun strahlendblau. Aber nie gleich. Heute ist das Licht regelrecht hochsommerlich. Diffus, weich. Gnädig, möchte ich fast sagen. Denn so können wir die bittere Wahrheit drüben auf dem Schwansener Ufer nicht genau erkennen.
In Schleimünde wird der Ostseesteig zum Schleisteig
Wir sind trotzdem einmal mehr schockiert, wie die wunderschöne Landschaft zugeklotzt wird. Bisher habe ich meinen extremen Widerwillen gegen das Retorten-Ressort Olpenitz zum Teil auch persönlicher Nostalgie zugeschrieben. Ich kenne die Ecke einfach unverletzt. Und es tut mir in der Seele weh. Wir unterhalten uns darüber eine Weile mit den Vogelschützern. Es geht ihnen ähnlich. Und auch der Urlauber, der sich dazu gesellt, ist erschrocken. Er fragt, ob es sich „da drüben um ein ähnliches Verbrechen handelt wie bei dem Koloss von Prora auf Rügen„. Und ist fassungslos, als er hört, dass es keine Altlast sondern ein Neubaugebiet ist. Man kann das einfach nicht in den Kopf kriegen. Es ist zu krass. Und es hilft nur, sich abzuwenden und den Schleisteig zu betreten.
So wie die Flensburger Förde die schönste Förde der Welt ist, ist die Schlei der schönste Meeresarm der Welt. Sie hat etwa die Länge eines Marathons und zieht sich bis Schleswig. Der Schleisteig begleitet sie lediglich auf 13 Kilometern bis Kappeln. Schnell haben wir Maasholm erreicht. Wer noch nie in dem kleinen Fischerdorf gewesen ist, kann hier eine wunderbare, ausgedehnte Mittagspause einlegen. Wir schnappen uns nur das obligatorische Fischbrötchen von Petersen und folgen dem Weg um´s Wormshöfter Noor.
Noore sind ganz typisch für die Schlei; große, beinahe vollkommen eingeschlossene Buchten. Dieses hier zieht sich. Das liegt auch an der Radfahrerdichte. Gefühlt müssen wir öfter in die Böschung springen und sie passieren lassen, als dass wir überhaupt gehen. „Guck mal„, ruft einer begeistert seiner Frau zu, „da sind die zwei Fußgängerinnen von gestern.“ Da fällt es mir auch auf: man sieht auf Fördesteig, Ostseesteig und Schleisteig gar nicht besonders viele Wanderer. Spaziergänger schon. Aber ich kann mich nur an zwei weitere Frauen mit Rucksack erinnern, die uns gestern morgen in Steinberghaff entgegen gekommen sind.
Vielleicht wäre die heutige Etappe auch tatsächlich mit dem Rad schöner? Normalerweise gefällt mir Wandern besser, weil man mehr sieht. Radfahren ist einfach zu schnell. Doch schon seit Maasholm marschieren wir parallel zur Straße, was besonders ab Wormshöft langweilig wird, weil wir dort das Noor verlassen. Und der ewig lange Feldweg, in den wir bei Wulfshagen abbiegen, ist jetzt auch nicht gerade hochspannend. Aber das ist alles vergessen, als wir nach 5 km Gut Buckhagen erreichen.
Gut Buckhagen ist ein wunderschönes Anwesen mit tollen Sichtachsen auf Maasholm, die Schlei und der Anmutung eines englischens Landschaftsparks. Einziges Manko: es gibt kein Café. Aber die Ferienwohnungen, deren Terassen über einem Burggraben schweben, merke ich mir gedanklich für den Fall vor, dass ich irgendwan mal nicht mehr weiß, wohin mit meinem Zaster.
Auch keine schlechte Idee: Urlaub am Schleisteig
Jetzt sind es nur noch 2 km zu dem Ort, den meine Wanderpartnerin und ich von allen am sehnlichsten erwartet haben: Rabelsund, bestehend aus 3 weißen Reetdachhäusern, einem kleinen Strand und dem Bootsanleger von Gut Buckhagen. Früher gabs hier ein legendäres Ausflugslokal. Sogar Frank Sinatra hat in dem Gasthof von Rabelsund schon mal Urlaub gemacht.
Passenderweise angeln zwei ältere Damen in Wathosen Heringe und eine dritte sitzt am Strand und strickt. Von hier hat man nämlich zum ersten Mal freien Blick auf Kappeln, wo man sich gerade auf das größte Ereignis des Jahres vorbereitet, die Heringstage. Sie zelebrieren jährlich den letzten Heringszaun Europas, der sich direkt an der Schleibrücke befindet. Wo auch der Schleisteig endet.
Von Rabelsund aus ist der Schleisteig für Radfahrer übrigens nicht mehr befahrbar. Nur Wanderer dürfen die letzten Ausblicke auf Ellenberg und Kappeln genießen und sich auf schmalen Pfaden zurück zur Zivilisation durchschlagen. Sie kündigt sich in Form der lauten Nordstraße an. Weil wir die Nordstraße wie auch Kappeln besser kennen als unsere Westentasche, lassen wir´s hier gut sein. Allen anderen seien natürlich auch noch die verbleibenden 2 km empfohlen. Womit man sich in Kappeln typischerweise belohnt, weiß mal wieder Cornelia von „die See kocht“ am besten.
Fazit nach 4 Tagen Wandern mit Meerblick: Das Leben ist doch interessant. Hätte mir jemand vor 10 Jahren vorgeschlagen, von Flensburg nach Kappeln zu laufen, hätte ich ihn für einen seltsamen Vogel gehalten. Inzwischen denke ich, dass man sich kaum ein größeres Geschenk machen kann, als diese Wanderung auf dem Fördesteig (Ostseesteig, Schleisteig). Ich finde den Weg einfach perfekt. Nur der Raps hätte noch einige warme Tage mehr gebraucht. Aber irgendwas ist ja immer.
Weiterlesen, Nachlesen: Fördesteig
Fördesteig Tag 1 von Flensburg nach Holnis
Fördesteig Tag 2 von Holnis nach Norgaardholz
Fördesteig (Ostseesteig) Tag 3 von Norgaardholz nach Hasselberg
Herrlich lesend mit zu gehen. Ich muss mich mal um hören, ob nicht eine Freundin mal mit läuft ?
Mach das unbedingt! Das ist so toll, wenn man mal ausreichend Zeit zum Schnacken hat.
Da denkt man, man kennt seine Heimat und dann gibt es immer noch soviel neues zu entdecken…
Toll! Die allgegenwärtigen Fischer in den Wathosen angeln übrigens Meerforellen, die von Herbst bis in den Frühsommer hinein Saison haben. Aber die Heringstage stehen ja auch gerade bevor?
Du nun wieder 🙂 Meinst wohl, es gibt für jeden Fisch das passende Outfit. Diese Damen angelten jedenfalls (winzige) Heringe (absichtlich. Sie wollten Bismarck-Heringe draus machen.)
Fördesteig – wieder mal wunderschöne Impressionen und Berichte, macht echt Lust auf’s nachwandern. Bin schon gespannt auf weitere „Eskapaden“ von Euch.
Oh – es spricht sich rum 😉
Wunderschöne Eindrücke! Danke, dass Du mich mitgenommen hast. Radfahrer können eine richtige Plage sein – manchmal meinen sie wohl, sie hätten eingebaute Vorfahrt. ?
Liebe Sonntagsgrüße aus Dyvig, die Rapsblüte hat hier gerade ihren Zenit erreicht und wir sind hin und weg von Duft und Augenschmaus.
Martina
Ach, wie toll – Ihr seid also wieder an Bord (und vollkommen sicher vor Radfahrern). Einen tollen Saisonstart wünsche ich Euch – und natürlich einen guten Wochenbeginn!
Schöner Bericht. Die Schlei ist immer wieder ein Erlebnis. Viele, mir unbekannte Ecken. Und Danke für die Verlinkung. Liebe Grüße Cornelia
Dieser Himmel…! Ist der da oben immer so blau? Nee ne – doch wohl nur jetzt im Mai…oder? Sonst werde ich neidisch!
Naja, dass in Angeln immer die Sonne scheint, kann man nicht gerade behaupten. 😉 Aber wenn – dann ist das ein Fest (im November genau wie im Mai).
Ich habe diese schöne Wanderung zum Jahresende in 5 Tagen in abgespeckter Form absolviert…….auch erstmals mehrtägig und ALLEIN…..Es gab mehrere nette Begegnungen, viel Sonne, und stürmisch war es teilweise. Somit konnte ich gestern wegen des Hochwassers Strecken nicht am Strand laufen, musste Umwege machen.
Übrigens, Hotelzimmer für eine Nacht sind um diese Zeit gut und günstig zu haben.
Die Birk und den Ostseesteig bis Maasholm ließ ich aus, da ich die Ecke schon mit dem Fahrrad mal erradelt.
In Flensburg zu Beginn machte ich den gleichen Fehler wie ihr an der Hafenspitze……grins.
Liebe Gertraut – dann könnte es wohl sein, dass die Ausschilderung in Flensburg nicht so gut ist 🙂 Erstmals mehrtägig UND allein: Hut ab. Ich habe mich bei meiner ersten Alleinwanderung nur 2 Tage getraut. Und fand das schon ungeheuer abenteuerlich. Danke für Deinen Kommentar und liebe Grüße, Stefanie
Ich spiele seit einiger Zeit mit diesem Gedanken… ausgehend vom Gendarmensteig in Dänemark.
Wie sieht es aus mit spontanen Übernachtungsmöglichkeiten oder muss man vorbuchen?
Freue mich über eine Antwort.
Gruß aus Lüneburg
[…] Morgen dann also hoffentlich fitter weiter: auf dem Ostseesteig zum Schleisteig. […]
„Das gutseigene Café empfiehlt sich unbedingt für eine idyllischen Kaffeestunde und idealerweise Rhabarbar-Baiser-Torte. (Natürlich nicht morgens um 10.00 Uhr.)“
ach bei mir geht auch morgens um 10.00 Uhr schon ein Stück Rhabarbar-Baiser-Torte……….
🙂
Wunderschöne Gegend da oben – auf Gut Buckhagen haben wir früher mit Freunden, 6 Kindern und 2 Hunden öfter Urlaub gemacht, im Gutshaus 400 qm Ferienwohnung für 100 DM am Tag für alle. Es gab viel Freiheit für die Kinder und der alte Herr von Schiller war immer sehr nett und kommunikativ.
Liebe Anke, das klingt ja toll. Ich glaube, inzwischen sind die Appartements sehr exklusiv. Aber am Drumrum hat sich wohl wenig verändert. Liebe Grüße, Stefanie